September 5
© Constantin Film

September 5

September 5
„September 5“ // Deutschland-Start: 9. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

5. September 1972 in München: Der zehnte Tag der Olympischen Spiele hat begonnen. Nicht nur die Sportler und Sportlerinnen bereiten sich auf einen anstrengenden Tag vor. Auch hinter den Kulissen des amerikanischen Senders ABC, der live vor Ort von dem Großereignis berichtet, geht es hoch her. Was ein Routinetag für das Team hätte werden sollen, wird jedoch jäh unterbrochen, als es um 4.40 Uhr Schüsse hört. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, was geschehen ist: Eine Gruppe palästinensischer Terroristen hat elf Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Producer Geoff (John Magaro) und sein Chef Roone Arledge (Peter Sarsgaard) stehen nun vor der schwierigen Entscheidung, wie sie damit umgehen sollen. Eigentlich sind sie nur für Sport zuständig. Aber da sie nun einmal direkt neben dem Olympischen Dorf sind, sehen sie es auch als ihre Pflicht an, die Berichterstattung fortzusetzen. Dabei werden sie von der deutschen Dolmetscherin Marianne (Leonie Benesch) tatkräftig unterstützt …

Ein erschreckend aktuelles Ereignis

Manchmal wird man einfach von der Zeit überholt. Als vor einigen Jahren die Arbeit an September 5 begann, konnte niemand der Beteiligten ahnen, wie sich die Ereignisse wiederholen sollten. Mehr als 50 Jahre nach der Geiselnahme während der Olympischen Spiele in München kam es erneut zu einem Anschlag palästinensischer Terroristen, mit Toten und Geiseln. Während das seinerzeit aber ein lokal begrenzter Vorfall war, führte der erneute Angriff zu einem verheerenden Krieg, der zu einem politischen und gesellschaftlichen Minenfeld wurde. Gut möglich, dass der deutsche Kinostart deshalb kurzfristig nach hinten verlegt wurde, die Veröffentlichung ist in der derzeitigen Situation mindestens schwierig. Und es wäre schade, wenn der deutsche Film aufgrund der Weltlage nicht die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient – oder die falsche.

Dabei geht es dem Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum, der zuvor durch seine Genre-Beiträge Hell und Tides von sich reden machte, gar nicht so sehr um den Palästinenserkonflikt. Man erfährt zwar, dass die Terroristen damit Gefangene freibekommen wollen. Das wird aber nicht weiter verfolgt. Und auch das Versagen Deutschlands in der Situation wird nur am Rand erwähnt. Stattdessen wird hier eine ungewöhnliche Perspektive gewählt: Die Hauptfiguren sind die Menschen, die auf die eine oder andere Weise für die Sportabteilung der ABC arbeiten und nun mit einer Situation umgehen müssen, auf die niemand vorbereitet ist. September 5 schildert, wie das Team improvisieren muss und dabei viele Probleme zu lösen sind. Da geht es mal um die Frage, wo die Kameras platziert werden sollen, es wird um die Sendezeit mit einem Konkurrenzsender gefeilscht, Equipment muss besorgt oder geschmuggelt werden. Das ist alles sehenswert, zumal wir es hier nun einmal mit einem Ereignis der frühen 1970er zu tun haben, als vieles noch Handarbeit war und mit großem Aufwand verbunden.

Moralische Fragen ohne Antwort

Der spannendere Aspekt ist aber, wie der Film auch moralische Fragen stellt. Da geht es eben nicht nur darum, wie man über die Ereignisse berichten kann, sondern auch, in welcher Form man das tun sollte. Wann schlägt das Recht des Publikums, informiert zu werden, in Voyeurismus um? Welche Verantwortung tragen Medien, wenn es um die Berichterstattung von Terror und Leid geht? Schließlich war die Geiselnahme seinerzeit das erste Beispiel, wie ein solcher Anschlag live im Fernsehen gezeigt wurde. Wo wir es heute gewohnt sind, dass alles sehr schnell gehen muss und sehr nah am Geschehen ist, da war das damals ein Novum. September 5 betont die gemeinschaftliche Leistung und stellt diese gleichzeitig in Frage. Immer mal wieder dürfen Zuschauer und Zuschauerinnen ihre Zweifel haben, ob das überhaupt vertretbar ist, was das Team da tut. Besonders eine Szene zeigt auf, welche Verantwortung das Team trägt, ohne sich zunächst dessen bewusst zu sein.

Diese eindeutigen Aussagen sind bei September 5 jedoch eher die Ausnahme. Fehlbaum und sein Co-Autor Moritz Binder (München Mord: Was vom Leben übrig bleibt) wollen Diskussionen anstoßen, ohne dabei die Antworten mitzugeben. Das Publikum soll selbst darüber nachdenken. Aber auch, wer sich nicht an diesen Überlegungen beteiligen möchte, findet hier einen sehr spannenden Film. Das Drama, welches 2024 in der Sektion Orizzonti Extra der Filmfestspiele von Venedig Weltpremiere hatte, gönnt kaum eine Pause. Obwohl das Team selbst nie in Gefahr ist, gewinnt der Film durch eine Echtzeitanmutung und die Rastlosigkeit Thrillerqualitäten. Natürlich ist der Ausgang bekannt. Und doch schaut man hier gespannt zu, wie Geschichte geschrieben wird, die Männer und Frauen Beachtliches leisten, ohne dass sich dabei ein Gefühl des Triumphes einstellen würde. Vieles davon hallt auch nach dem Abspann nach, zumal die Grundsatzfragen Jahrzehnte später nichts an Aktualität verloren haben, in mehr als einer Hinsicht.

Credits

OT: „September 5“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Tim Fehlbaum
Drehbuch: Moritz Binder, Tim Fehlbaum
Musik: Lorenz Dangel
Kamera: Markus Förderer
Besetzung: Peter Sarsgaard, John Magaro, Ben Chaplin, Leonie Benesch, Zinedine Soualem, Georgina Rich, Corey Johnson, Marcus Rutherford

Bilder

Trailer

Filmfeste

Venedig 2024
Telluride Film Festival 2024
Zurich Film Festival 2024

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September 5
fazit
„September 5“ erinnert an die Geiselnahme während der Olympischen Spiele 1972, tut dies aber aus der Perspektive eines Fernsehteams. Das ist ungewöhnlich und spannend, gibt einen Einblick in die Arbeit der Männer und Frauen. Vor allem aber stellt das rastlose Drama mit Thrillerelementen moralische Fragen, die das Publikum selbst beantworten muss und die auch Jahrzehnte später noch aktuell sind.
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