Vor vielen Jahren galt Gu Xuebing (Zu Feng) als ein vielversprechendes Talent in Sportkreisen und wurde als einer der weltbesten Scharfschützen gehandelt. Als er teilweise sein Gehör verlor, musste er sich nach einer anderen Arbeit umsehen und wurde zu einem der Sicherheitsleute, die für die Fenglin Ferroalloy Factory im Nordosten Chinas arbeiten. Da er und seine Kollegen genauso wie die übrigen Arbeiter unter der strengen Führung der Firma zu leiden haben, nehmen sie es mit ihren Aufgaben nicht immer so genau, akzeptieren die eine oder andere Zahlung nebenher oder sehen in die andere Richtung, wenn wieder einmal ein paar Materialien „verlegt“ werden. Eines Tages erwischt Xuebing den jungen Geng Xiaojun (Zhou Zhengjie) bei einem solchen Diebstahl, doch anstatt ihn anzuzeigen, nimmt er ihn unter seine Fittiche. Auch der junge Mann will über die Runden kommen, kann sich aber den gekauften Schutz, den die anderen Banden genießen, nicht leisten. Durch die Begegnung mit ihm wird der ehemalige Scharfschütze nicht nur mit seiner Vergangenheit konfrontiert, sondern auch mit der Realität seines Jobs und das die wahren Verbrecher wahrscheinlich in den Chefetagen sitzen.
Die harte, graue Realität
Während er mit seinem ersten Film im Horrorgenre Erfahrungen sammelte, ist Gao Pengs A Long Shot von 2023 eine Mischung aus Drama und Thriller und spielt gegen Ende der 1980er Jahre im Nordosten Chinas. Wie viele seiner Regiekollegen beleuchtet Peng die gesellschaftlichen Realitäten seiner Heimat, inspiriert von einem tragischen Zwischenfall auf einem Fabrikgelände in der Mitte der 90er, auf den besonders in der zweiten Hälfte von A Long Shot eingegangen wird. A Long Shot, der unter anderem im Programm des diesjährigen Chinesischen Filmfests München vertreten ist, zeigt dabei sehr genau, wie die bestimmte Missstände Menschen formen können, ihnen die Hoffnung nehmen und letztlich die Aussicht auf eine bessere Zukunft versperren.
Im Grunde kann man A Long Shot in zwei größere Abschnitte einteilen. Der erste konzentriert sich in erster Linie auf die Figuren und die Welt, in der sie leben, wohingegen die Thriller-Aspekte der Handlung im zweiten Teil zur Geltung kommen. Gu Xuebing und Geng Xiaojun werden dabei als Repräsentanten zweier Generationen betrachtet, von denen die eine noch etwas Hoffnung auf die Zukunft hat und nur auf eine passende Gelegenheit wartet und die andere durch die harte, graue Realität des Alltags jegliche Hoffnung verloren hat. Die fast schon post-industrielle Ästhetik des Filmes steht im Kontrast zu den Durchhalteparolen und der allgegenwärtigen Propaganda, die an Prinzipien anknüpft, die in der Welt der Figuren keiner oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Gu und seine Kollegen halten den Status quo aufrecht, wenn nötig mit Gewalt, während die Jungen schon längst eingesehen haben, dass sie sich Gelegenheiten schaffen müssen und nicht auf diese warten können.
Hoffnung und Verzweiflung
Diese Welt, ihre Gnaden- und Hoffnungslosigkeit, haben Figuren wie Gu und Geng natürlich geformt. Zu Feng spielt einen Mann, der nicht nur nicht mehr hören kann, sondern metaphorisch auch alle anderen Sinne vor der Wahrheit dieser Welt verschlossen hat und nur noch wie eine Art Roboter seine Arbeit verrichtet. Konzepte wie Fairness und Gleichheit, die er noch von seiner ehemaligen Karriere als Sportler kennt, gelten in dieser Welt nicht mehr, was ihn emotional verhärtet hat. In Geng sieht er so etwas wie einen Schimmer all dieser Prinzipien, einen Glauben und eine Hoffnung, was zu einem Moment der Klarheit führt und die Geschichte in dem Bild münden lässt, dass er seine Fähigkeit zu zielen und zu schießen wiederentdeckt. A Long Shot wird dann erst recht spannend, weil man nicht weiß, ob diese Klarheit nicht schon zu spät kommt und der ehemalige Scharfschütze nicht schon auf ewig verloren ist.
OT: „Lao Qiang“
Land: China
Jahr: 2023
Regie: Peng Gao
Drehbuch: Chang Fang, Peng Gao, Wen Ma, Ang Wang
Musik: Gao Xiaoyang
Kamera: Florian Zinke
Besetzung: Feng Zu, Zhengjie Zhou, Hailu Qin
Chinesisches Filmfest München 2024
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