Zwar ist es schon eine Weile her, dass sich Michal (Guillaume Canet) und Élise (Laetitia Dosch) getrennt haben. Doch ihre inzwischen 15-jährige Tochter Selma (Patience Munchenbach) hat noch immer damit zu kämpfen. Regelmäßig kommt es daher zu Reibereien, Streitigkeiten sind bei der Familie Alltag. Weniger alltäglich ist der Regen, der während einer Hitzewelle auftaucht. Denn der frisst sich nicht nur durch Metall und andere Materialien. Er ist auch absolut tödlich für die Menschen. Bald schon versinkt ganz Frankreich im Chaos, panisch suchen die Leute nach Orten, an denen sie noch sicher sein können. Und auch die drei müssen wohl oder übel ihre Differenzen überwinden, wenn sie heil durch die Katastrophe wollen …
Familiendrama trifft Katastrophenthriller
Die Mischung aus Drama und Genrekino liegt Just Philippot ganz offensichtlich. So fing sein Langfilmdebüt Schwarm der Schrecken 2020 als Sozialdrama um eine alleinerziehende Mutter an, die mit ihrer Heuschreckenzucht nicht vorankommt, wandelte sich mit der Zeit jedoch zunehmend in einen Horrorstreifen. Und auch bei seinem zweiten Langfilm Acid – Tödlicher Regen setzt er auf diese Mischung. Wobei dieses Mal die Bedrohung von Anfang an ist. Anstatt langsam den Schrecken aufzubauen, fällt er hier relativ früh vom Himmel. Schon nach wenigen Minuten ist klar, dass da draußen ein schmerzhafter Tod wartet, wenn man das Pech hat, nicht rechtzeitig ein sicheres Dach gefunden zu haben.
Warum der Regen plötzlich so heftig ausfällt, wird nie ganz abschließend erklärt. Darum geht es aber auch weniger. Sicher ist Acid – Tödlicher Regen zum Teil auch als eine Art Ökothriller konzipiert, der das aus den Fugen geratene Klima anspricht. Das geschieht aber eher nebenher, die große Moralkeule bleibt aus. Überhaupt zeigt sich der französische Regisseur und Co-Autor von einer etwas unnahbaren Seite. Das bedeutet auch, dass er nicht vorhat, das Publikum mit irgendwelchen netten Durchhalteparolen zu befrieden. Wo andere Katastrophenfilme bei all der apokalyptischen Warnung doch noch Mut machen, dass alles besser werden kann, hat man hier nach Anschauen des Films eher das Bedürfnis, sich dauerhaft daheim einzusperren – und das nicht nur wegen des Regens.
Düstere Atmosphäre
Atmosphärisch ist das gelungen. Philippot erzeugt immer wieder bedrückende Situationen, sei es wenn plötzlich der Regen einsetzt oder auch später, wenn Vater und Tochter Unterschlupf bei einer anderen Familie finden, die zu Gefangenen in ihrem eigenen Haus geworden sind. Dazu passend setzt er bei Acid – Tödlicher Regen auf trübe Farben. Da ist viel Grau, zwischenzeitlich meint man, dass die Sonne sich völlig verabschiedet hat. Selbst in den Passagen, wenn der Himmel etwas aufzulockern scheint, wird es nie wirklich freundlich. Wobei natürlich auch der eine oder andere Todesfall die Anspannung beim Publikum weiter erhöht. Vor allem einer hinterlässt viel Eindruck, wenn den Anwesenden und damit auch den Zuschauern und Zuschauerinnen nichts anderes übrigbleibt, als hilflos zuzusehen.
Grundsätzlich ist das alles sehenswert. Das Thrillerdrama, das 2023 in Cannes Weltpremiere hatte, ist einer der besseren aktuellen Katastrophenfilme. Allerdings hat Philippot seine Mühe, seinen gleichnamigen Kurzfilm von 2018 auf Spielfilmlänge auszubreiten. Da wird schon das eine oder andere Klischee eingebaut, um irgendwie auf die notwendige Laufzeit zu kommen. Zwar muss man ihm anrechnen, dass er sich bei seiner Version nicht ausschließlich an die ausgetretenen Pfade hält, zuweilen weicht er davon ab und verzichtet dann auch darauf, dem Publikum gefallen zu wollen. Die eine oder andere Länge ist in Acid – Tödlicher Regen aber drin. Da treffen Szenen, die durchaus spannend sind, auf solche, bei denen man darauf wartet, dass die Geschichte weiterentwickelt wird oder zumindest mal eine Aussage trifft, mit der man sich auseinandersetzen kann.
OT: „Acide“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Just Philippot
Drehbuch: Yacine Badday, Just Philippot
Musik: Robin Coudert
Kamera: Pierre Dejon
Besetzung: Guillaume Canet, Laetitia Dosch, Patience Munchenbach
Cannes 2023
NIFFF 2023
Sitges 2023
Amazon (DVD „Acid – Tödlicher Regen“)
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