Eigentlich hatte sich Martina (Maria Furtwängler) darauf gefreut, gemeinsam mit ihrem Mann Andi (Pasquale Aleardi) und dem befreundeten Paar Jutta (Margarita Broich) und Torsten (Uwe Preuß) in den Urlaub zu fahren. Doch da ist auch Mischa (Damian Hardung), der Sohn von Jutta und Torsten. Lange hatte Martina diesen nicht mehr gesehen, zu einem attraktiven jungen Mann ist er herangewachsen. Etwas zu attraktiv, weshalb die Ärztin jenseits der 50 mit dem deutlich Jüngeren flirtet. Das ist ihre Art, sie war schon immer lebensfreudig, liebt es, ihr Leben selbst zu bestimmen. Doch als aus dem Flirt mehr wird und Mischa Sex will, ist das für Martina zu viel, will die Reißleine ziehen – vergeblich. Später versucht sie, das Ereignis zu verdrängen, will mit niemandem über die Vergewaltigung sprechen und wird doch von dieser eingeholt …
Tabuthema Vergewaltigung
Natürlich: Neu ist die Erkenntnis nicht, dass Vergewaltigungen ein Verbrechen sind. Und doch ist seit der #MeToo-Bewegung vor einigen Jahren das Bewusstsein gewachsen und auch die Bereitschaft, das Tabuthema an die Öffentlichkeit zu bringen. Das bedeutet nicht nur, dass über solche Erfahrungen gesprochen wird. Es bedeutet vor allem auch, dass Diskussionen stattfinden, was Vergewaltigung eigentlich bedeutet. Denn obwohl man meinen sollte, dass dies selbsterklärend ist, zeigt sich im Einzelfall: Dem ist nicht so. Nicht jeder, der einen anderen Menschen vergewaltigt, ist sich bewusst, was er da tut. Da geht es dann auch um verschiedene Wahrnehmungen. In eben diesem Themenumfeld bewegt sich die ARD-Produktion Bis zur Wahrheit, wenn eine Frau vom Sohn ihrer besten Freundin vergewaltigt wird.
Das fängt schon damit an, dass das Opfer gar nicht so wirkt wie ein Opfer. Sie ist eine erfolgreiche Neurochirurgin, selbstbewusst, ist es gewohnt, sich zu nehmen, was sie will. Und sie hat Spaß am Leben, trinkt, kifft und flirtet, wenn ihr danach ist. Wenn Mischa diese Avancen und ihre unbekümmerte Körperlichkeit als Einladung versteht, ist zumindest aus der Situation heraus nachvollziehbar. Daraus hätte man dann eine Diskussion machen können, ob denn überhaupt eine Vergewaltigung vorliegt und inwieweit der junge Mann das hätte merken müssen. Nur macht Bis zur Wahrheit es dann doch sehr eindeutig klar, wenn Martina laut protestiert. Damit fällt das mögliche Szenario in sich zusammen, die potenziellen Diskussionen werden zumindest aus Sicht des Publikums abgewürgt für einen Film, der deutlich einfacher ist.
Viele Themen, schwaches Konzept
Anstatt sich mit der Frage zu beschäftigen, was geschehen ist, steht im Vordergrund, welche Auswirkungen der Vorfall auf alle hat. Dass der Sohn der besten Freundin der Vergewaltiger ist, und zudem 30 Jahre jünger, das ist sicher ungewöhnlich und sorgt für eine besondere Familiendynmaik. Andere Punkte sind dafür universell. Vor allem das grundsätzliche Problem, eine Vergewaltigung zu beweisen, wird demonstriert. Gleiches gilt für die Anfeindungen, die Opfer zuweilen ertragen müssen. Etwas seltsam ist, dass Bis zur Wahrheit in dem Zusammenhang den Altersunterschied nicht stärker thematisiert. Wenn eine Frau in mittleren Jahren von einem jungen Mädchenschwarm wie Damian Hardung (Love Sucks, Maxton Hall: Die Welt zwischen uns) begehrt wird, dann wäre es naheliegend, dass irgendwelche Leute relativieren. Dass sie sagen könnten: Soll sie doch froh sein, andere würden sie beneiden. Das geschieht aber nicht.
Insgesamt ist nicht ganz klar, was Lena Fakler (Am Ende der Worte) mit ihrem Drehbuch erreichen wollte. Am ehesten geht das Drama, das auf dem Filmfest München 2024 Premiere hatte, als das Porträt einer Frau durch, die versucht, das Narrativ über das eigene Leben zu behalten. Dafür ist Bis zur Wahrheit aber nicht konsequent genug, fängt spät an, um dann alles plötzlich eskalieren zu lassen. Anstatt sich tiefer damit auseinanderzusetzen, werden verschiedenste Aspekte in den Raum geworfen und dann sich selbst überlassen. Solide ist der Film am Ende schon, auch weil er gut gespielt ist. Man merkt den Beteiligten zudem an, wie wichtig ihnen das alles war. Das gleicht das nicht wirklich schlüssige Konzept aber nicht völlig aus.
OT: „Bis zur Wahrheit“
AT: „Am Ende der Wahrheit“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Saralisa Volm
Drehbuch: Lena Fakler
Musik: Jonas Nay, David Grabowski
Kamera: Roland Stuprich
Besetzung: Maria Furtwängler, Margarita Broich, Damian Hardung, Pasquale Aleardi, Uwe Preuss
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