Als Handlanger für dubiose Immobilienbesitzer in Frankfurt darf Leon (Blerim Destani) keine Skrupel haben. Erlaubt ist, was Geld bringt. Sein Alltag wird unterbrochen, als er erfährt, dass sein Großvater Marian, bei dem er einst aufgewachsen ist, im Sterben liegt. Gedrängt von seinem Onkel macht er sich daher auf den Weg nach Albanien, dem Land seiner Familie, um den alten Mann noch einmal zu sehen, nachdem er 15 Jahre nicht mehr dort gewesen ist. Doch zu spät, am Tag zuvor ist Marian gestorben. Also bleibt Leon nichts anderes übrig, als an der Trauerfeier teilzunehmen, bevor er sich auf den Rückweg macht. So zumindest der Plan. Dabei hat er aber nicht mit dem Letzten Willen des Toten gerechnet, dem zufolge seine Asche im Meer verstreut werden soll, und ausgerechnet sein Enkel soll dies erledigen. Der lässt sich nach einiger Zeit darauf ein, begibt sich dabei auf eine Reise durch das Land seiner Vorfahren …
Zurück in die Vergangenheit
Man kennt das Prinzip aus zahlreichen Filmen: Die Hauptfigur kehrt anlässlich des (nahenden) Todes eines ihm nahestehenden Menschen in die alte Heimat zurück und muss sich dort mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Beispiele dafür gibt es genug, etwa Manchester by the Sea oder Drei Töchter. Es sind so viele Beispiele, dass man mit dem Szenario nicht mehr wirklich locken kann. Das heißt aber nicht, dass es nicht funktioniert. Das demonstriert nun auch Das Meer ist der Himmel, das auf eine ähnliche Weise konzipiert ist. So beginnt das Drama mit den bekannten Elementen, wenn Leon nach einer langen Abwesenheit zurückkehrt, nicht ganz freiwillig. Es ist dabei autobiografisch gefärbt. Regisseur und Drehbuchautor Enkelejd Lluca ist selbst in Albanien geboren und mit der Familie nach Deutschland gezogen. Auch er hat seinen in Albanien lebenden Großvater verloren, kurz bevor sie sich hätten sehen sollen.
Lluca variiert im Anschluss das bekannte Szenario, wenn er den Protagonisten auf eine zweite Reise schickt. Dieses Mal geht es aber nicht darum, in ein anderes Land zu fahren. Vielmehr fährt er durch das ganze Land, um die Asche loszuwerden, was dann zum Aufhänger wird, um daraus eine episodenhafte Sinnsuche zu machen. Das Meer ist der Himmel nimmt hier die üblichen Bestandteile eines Roadmovies. So gibt es statt einer fortlaufenden Geschichte viele kleinere, bedingt durch die Leute, denen Leon begegnet. Auf diese Weise lernen wir ein wenig mehr über die Hauptfigur, wenn sie mit diesen sehr unterschiedlichen Menschen interagiert. Damit verbunden ist seine Familiengeschichte, über die wir nach und nach mehr erfahren. Leon hatte diese verdrängt, wollte mit all dem nichts mehr zu tun haben. Auch wenn der Film durch die Reise dynamisch ist, folgt er doch dem eingangs genannten Prinzip solcher Szenarien, dass die Heimkehr eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist.
Innere wie äußere Reise
Doch Das Meer ist der Himmel ist gleichzeitig eine Entdeckungsreise, die losgelöst von dem Protagonisten funktioniert. Lluca beschreibt sein Geburtsland, zeigt dabei verschiedenste Facetten, wenn Schönes und weniger Schönes sich abwechseln. Manche zeichnen sich durch eine große Warmherzigkeit und Offenheit aus, nehmen das Leben so, wie es kommt. Damit stellen sie einen starken Kontrast zu Leon dar, der eher für sich bleibt, verschlossen ist, ein bisschen griesgrämig und abweisend. Gleichzeitig gibt es aber auch weniger vorzeigbare Eigenschaften der Einheimischen, was je nach Kontext ebenfalls Thema sein kann. Ein bisschen ambivalent wird es also schon.
Eindeutig schön sind dafür die Landschaftsaufnahmen. Viele Roadmovies leben davon, dass sie tolle Bilder haben, während es durch die unterschiedlichsten Settings geht. Das ist hier nicht anders. Lluca und sein Kameramann Dennis Mill wissen auch, wie sie diese Orte ansprechend in Szene setzen. Allein dafür kann sich schon der Kinobesuch lohnen, wenn wir etwa die Küste auf der großen Leinwand sehen. Hinzu kommt bei Das Meer ist der Himmel dann noch das Thema der Identität, wenn Leon mit seinen Wurzeln konfrontiert ist und sich fragen muss, wer er eigentlich ist. Was ist ihm aus Albanien geblieben, wie sehr hat ihn das Land, das er hinter sich lassen wollte, geprägt? Und was wird er mitnehmen, wenn er wieder nach Deutschland geht? Klare Antworten gibt der Film zwar nicht, dafür aber genug, worüber es sich nachzudenken lohnt.
OT: „Das Meer ist der Himmel“
Land: Deutschland, Albanien
Jahr: 2024
Regie: Enkelejd Lluca
Drehbuch: Enkelejd Lluca
Kamera: Dennis Mill
Besetzung: Blerim Destani, Ariana Gansuh, Gezim Rudi, Ndricim Xhepa, Edon Rizvanolli, Tristan Halilaj, Amos Zaharia, Ilirda Bejleri, Linda Jarani Akil Birce
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