Die Freude ist groß bei Chloe Ayling (Nadia Parkes), als sie zu einem Shooting nach Mailand eingeladen wird. Schließlich kann das 20-jährige Model einen Erfolg gut gebrauchen, da die Karriere noch nicht wirklich Fahrt aufgenommen hat. Doch der Traum zerplatzt, als sie vor dem Studio von zwei maskierten Männern entführt und in ein abgelegenes Landhaus gebracht wird. Von dort aus soll sie von dem Verbrechersyndikat „Black Death“ als Sexsklavin weiterverkauft werden. Das zumindest ist es, was ihr Entführer MD (Julian Świeżewski) erzählt. Doch der Mann hat Mitleid mit der jungen Mutter, will sich dafür einsetzen, dass sie wieder freikommt. Natürlich will das Syndikat dafür aber entschädigt werden, ganz umsonst ist die Freiheit nicht. Aber wie soll das gehen, wenn Chloe kaum Geld hat und unmöglich ihr eigenes Lösegeld bezahlen kann?
Die unglaubliche Geschichte einer Entführung
Mittlerweile ist es praktisch unmöglich, den Überblick über die ganzen True-Crime-Geschichten zu bewahren, die veröffentlicht werden. Ob im Kino, im Fernsehen oder den diversen Streamingdiensten, der Bedarf nach wahren, möglichst spektakulären oder grausigen Verbrechen ist ungebremst. Vor allem Netflix hat mit den unzähligen Dokus ein riesiges Geschäft draus gemacht. Aber auch fiktionalisierte Fassungen finden sich ohne Ende und legen dabei die unterschiedlichsten Schwerpunkte. Bei The Dating Game Killer erfahren wir beispielsweise mehr über einen brutalen Serienmörder, der ungeniert in einer Dating-Show auftrat. Steeltown Murders fokussierte sich auf die Ermittlungsarbeiten, die dank neuester DNA-Methoden einen alten Fall lösten. Nun gibt es auf ZDFneo mit Kidnapped: The Chloe Ayling Story einen weiteren Titel, der sich eines Verbrechens annimmt.
Wobei die britische Serie gar nicht so sehr vom Verbrechen um die entführte Chloe Ayling an sich erzählen möchte. Wichtiger noch ist, wie es im Anschluss weiterging. Ohne zu viel vorab verraten zu wollen, war die Geschichte um das Model, das 2017 entführt wurde, auch deshalb in allen Medien, weil sie mit Kontroversen und offenen Fragen verbunden war. Für manche wird das immer noch der Fall sein, obwohl das alles juristisch längst entschieden ist. Kidnapped: The Chloe Ayling Story zeigt aber auf, wie leicht es ist, Geschichten umzudeuten, damit sie einem eigenen Narrativ entsprechen. Eng verbunden damit sind Erwartungen und Vorurteile. Man macht die Realität so, wie sie einem gefällt. Man muss der Serie dabei anrechnen, dass sie sich davon fernhält. Wo andere True-Crime-Produktionen gerne mit Andeutungen arbeiten, damit das Publikum viel spekulieren kann, verzichtet man hier auf derartige moralisch fragwürdige Spielereien.
Kritischer Blick
Stattdessen setzt sich die BBC-Produktion eher kritisch mit den Medien auseinander, aber auch der regulären Bevölkerung, die nach Skandalen lechzt und die Spekulationen auskostet. Insofern ist Kidnapped: The Chloe Ayling Story für True-Crime-Fans nur bedingt empfehlenswert, wenn das Gesellschaftsporträt eher Voyeurismus anprangert, anstatt ihn zu bedienen. Und dann ist da noch die Frage, ob man von einem Verbrechen profitieren dürfen sollte. Auch das hätte interessant sein können. Leider geht das hier aber kaum in die Tiefe. Man holt aus dem Thema praktisch nichts heraus. Zwar wird zum Schluss die offizielle Version noch schnell abgearbeitet. Sie kommt aber sehr unvermittelt, ohne dass da vorher eine wirkliche Auseinandersetzung stattgefunden hat.
So ganz konnte man sich bei der Serie wohl auch nicht entscheiden, worum es denn gehen sollte. Kidnapped: The Chloe Ayling Story will Spannung erzeugen durch die Entführung an sich, wenn das Publikum – zumindest eines, das die Geschichte nicht kennt –, mitfiebert, wie das alles ausgehen wird, will aber auch den Umgang damit kritisieren. Dass beides nicht wirklich zusammenpasst, scheint niemandem aufgefallen zu sein oder gestört zu haben. Insgesamt ist das alles dann auch etwas unbefriedigend. So interessant der Fall eigentlich ist, es wird eine nur mäßig spannende TV-Produktion draus, die streckenweise zäh ist und unter ihren Möglichkeiten bleibt.
OT: „Kidnapped: The Chloe Ayling Story“
Land: UK
Jahr: 2024
Regie: Al Mackay
Drehbuch: Georgia Lester, Nesser Wrafter, Tolula Dada
Musik: Andrea Balency-Béarn, CJ Mirra
Kamera: Anton Mertens
Besetzung: Nadia Parkes, Adrian Edmondson, Nigel Lindsay, Olive Gray, Eleonora Romandini, Julian Świeżewski, Jaroslaw Ciepichal, Christine Tremarco, Lorenzo Richelmy
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)