Mühsam hat sich die junge Skalde (Mathilde Bundschuh) ihren Platz in einer verschworenen Dorfgemeinschaft erkämpft. Als Tochter der Außenseiterin Edith (Susanne Wolff) haftet ihr stets ein Rest von Misstrauen an, ein Makel, den sie durch Loyalität und Anpassung zu tilgen versucht Als Skalde ein fremdes Kind (Viola Hinz) im Wald findet und mit nach Hause nimmt, verstößt sie gegen die strengen Regeln der Gemeinschaft. Diese Entscheidung zwingt Skalde und ihre Mutter Edith, nach Jahren der Entfremdung zusammenzuarbeiten. Dorfvorsteher Pesolt (Ulrich Matthes) verfolgt dabei als (unbarmherziger) Wächter der Gesellschaft alles Fremde und Unbekannte mit Argwohn.
Eine verschlossene Gemeinschaft
Es gibt Filme, die nicht unbedingt durch ihre Handlung bestechen, sondern eher durch das, was sie nicht erzählen, durch die leisen Töne, die ungesagten Fragen, die zwischen den Bildern schweben. Milchzähne, basierend auf Helene Bukowskis gleichnamigem Roman, versucht sich an dieser Kunst des Unausgesprochenen – und bleibt dabei ebenso faszinierend wie frustrierend.
Die düstere Welt, in der Milchzähne spielt, ist kaum datierbar – sie wirkt wie ein Ort in einer nicht allzu fernen Zukunft, die von Angst und Abschottung geprägt ist. Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Sophia Bösch hat hier ein Szenario entworfen, das teils an die beklemmende Isolation aus M. Night Shyamalans The Village – Das Dorf (2004) erinnert, jedoch ohne dessen präzise Allegorie und ästhetische Bilder. Stattdessen wird der Zuschauer in eine trostlose, dreckige Welt voller Misstrauen und Ausgrenzung geworfen.
Der Film entwickelt hier eine bedrohliche Spannung, doch leider bleibt vieles bloße Andeutung. Die Welt, die der Film beschreibt, ist mysteriös, aber kaum greifbar: Ist es eine dystopische Zukunft? Eine Parabel auf unsere Gegenwart? Eine Art post-apokalyptische Fabel? Oder doch was ganz anderes?
Kalt und distanziert
Ein großes Problem des Films ist seine emotionale Distanz. Skalde bleibt eine schwer greifbare Figur; ihr innerer Konflikt zwischen dem Wunsch nach Zugehörigkeit und der Loyalität zu ihrer Mutter bleibt zu sehr an der Oberfläche. Man sieht ihren Kampf, fühlt ihn aber kaum. Die Dorfgemeinschaft wird mit düsteren, schmutzigen Bildern inszeniert. Doch diese visuelle Härte führt nicht zu einer emotionalen Tiefe. Stattdessen bleibt das Geschehen oft seltsam steril und schwer zugänglich. Man fragt sich, ob die schäbigen Autos und heruntergekommenen Häuser ein Symbol für eine moralisch verwahrloste Welt sein sollen oder einfach nur das Bühnenbild einer ohnehin hoffnungslosen Zukunft.
Erst gegen Ende blitzt kurz so etwas wie eine emotionale Intensität auf. Sei es die Mutter Edith, die sich für ihre Tochter „opfert“, sei es Skalde selbst, die mit dem mysteriösen Kind in unbekannte Gewässer aufzubrechen scheint. Diese Szenen zeigen, was der Film hätte sein können, wenn er sich stärker auf die inneren Konflikte seiner Figuren fokussiert hätte. Doch diese Momente kommen zu spät, um wirklich zu berühren.
Am Ende bleibt Milchzähne ein Film, der zwar eine streckenweise bedrückende Atmosphäre zu erzeugen vermag, dabei aber zu oft an seiner eigenen Kälte erstickt. Die Metaphern, die er bemüht, bleiben zu diffus, die Figuren zu distanziert. Das mysteriöse Mädchen, das als Symbol für das Unbekannte und Fremde steht, wird mehr zur irritierenden Randfigur denn zum emotionalen Zentrum der Geschichte.
OT: „Milchzähne“
Land: Deutschland, Schweiz
Jahr: 2024
Regie: Sophia Bösch
Drehbuch: Sophia Bösch, Roman Gielke
Vorlage: Helene Bukowski
Musik: Rahel Zimmermann, Moritz Widrig
Kamera: Aleksandra Medianikova
Besetzung: Mathilde Bundschuh, Susanne Wolff, Viola Hinz, Ulrich Matthes
International Film Festival Rotterdam 2024
Max Ophüls Preis 2024
achtung berlin 2024
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