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Philip Ng [Interview]

Philip Ng ist ein US-amerikanischer Schauspieler und Kampfsportler. Bevor er in Filmen mitspielte, studierte er Taekwondo und Wing Chun Gung Fu sowie viele andere Kampfsportarten. Darüber hinaus hat Ng einen Abschluss in Kunst sowie Erziehung und hat viele Jahre seine Erfahrung in der Kampfkunst an Kinder und Jugendliche weitergegeben. Anfang der 2000er spielte er in ersten Filmen mit, zunächst in Nebenrollen wie in Patrick Leungs Born Wild oder Benny Chans New Police Story. Dabei hatte er die Gelegenheit mit einigen der bekannten Größen des Filmgeschäfts Hongkongs zusammenzuarbeiten, beispielsweise Jackie Chan, Louis Koo, Anthony Wong und Sammo Hung. Spätestens seit seiner Hauptrolle als Bruce Lee in dem Biopic Birth of the Dragon ist Ng einem internationalen Publikum bekannt.

In Soi Cheangs Twilight of the Warriors: Walled In, der in Deutschland unter dem Titel City of Darkness am 28. November 2024 im Kino startet, ist Ng in der Rolle des King zu sehen, der rechten Hand von Bandenboss Mr. Big, gespielt von Sammo Hung. Der Film, der seit vielen Jahren in Arbeit ist und dessen Ensemble sich wie ein Who-is-Who der Größen des Actionkinos Hongkongs liest, ist eine Mischung aus Actionfilm und Drama, in dem die Geschichte eines Einwanderers erzählt wird, der ein neues Zuhause findet und um dessen Erhalt kämpfen muss.

Im Interview spricht Philip Ng über seine Rolle, das Set, die Zusammenarbeit mit Schauspielern wie Sammo Hung und Louis Koo sowie seine Leidenschaft für Actionfiguren.

In einem Interview von 2015 sagst du, dass die Kameradschaft von Besetzung und Crew besonders innig ist bei Projekten, die schwierig umzusetzen sind. Angesichts der langen und hürdenreichen Produktionsgeschichte von City of Darkness, trifft diese Aussage auch auf dieses Projekt zu?

Auf jeden Fall. In City of Darkness stand ich mit vielen Kollegen und Kolleginnen vor der Kamera, mit denen ich vorher noch nie gearbeitet hatte. Das Projekt ist sehr ambitioniert und, wie du schon sagst, war die Hintergrundgeschichte auch nicht ganz ohne Probleme, aber ich denke, so etwas schweißt zusammen, mehr als bei Projekten, bei denen alles glatt geht. Die Crew und die Schauspieler werden so etwas wie Waffenbrüder, die einander anspornen und immer das Beste geben. Das war auch nötig, denn viele der Szenen im Film, nicht nur die Kampfszenen, sind sehr schwierig und erfordern maximale Konzentration. Es hilft sehr, wenn man das Gefühl hat, sich aufeinander verlassen zu können.

In einem großen Ensemble mit vielen Legenden des Hongkong-Kinos schaffst du es als King herauszustechen. Wie war deine Herangehensweise an eine solche Rolle und wie hat dies den Kampfstil Kings mitgeprägt?

Als Protagonist muss man genau überlegen, wie man eine Szene spielt, denn als Schauspieler hat man die Aufgabe, diese Figur zu schützen. Bestimmte Dinge kann man nicht machen oder sagen, weil dies die Beziehung des Zuschauers zur Hauptfigur aufs Spiel setzen könnte. Der Protagonist ist so etwas wie eine „Feel-Good“-Figur für den Zuschauer und das darf man nicht unterschätzen.

Da King einer der Hauptwidersacher in City of Darkness ist, habe ich natürlich sehr viel mehr Freiheiten. Ich bin so etwas wie ein Hindernis auf dem Weg des Protagonisten sein Ziel zu erreichen und dadurch kann ich jemanden wie King anders anlegen.

Bei einer Rolle wie King, die schon auf dem Papier sehr „over the top“ wirkte, ist es dennoch wichtig, eine Balance zu halten. Wenn man es übertreibt, spielt man eine Comicfigur, die niemand ernst nimmt, doch die Rolle muss ebenso einen großen Eindruck beim Zuschauer hinterlassen, wenn sie auf der Leinwand erscheint, ansonsten vergisst man sie schnell. Regisseur Soi Cheang war dabei eine große Hilfe, denn er hatte eine sehr genaue Vision für King und konnte mir sagen, wenn ich mich zurücknehmen musste oder wann ich aufs Gaspedal treten konnte.

King ist in vielerlei Hinsicht eine besondere Figur. Seine Art zu reden und sich zu kleiden ist speziell und das gilt ebenso für seine Art zu kämpfen. Kenji Taniguchi war der Choreograph für die Kampfszenen und was ihn besonders macht, ist, dass er weiß, was für die jeweilige Szene wichtig ist, er aber auch nach dem richtigen Stil für den jeweiligen Schauspieler sucht. Im Gegensatz zu den Figuren, die Sammo Hung und Louis Koo spielen, welche einen Kampfstil haben, der sehr an Martial-Arts-Filme der 1980er erinnert, ist meiner im Film etwas extravaganter angelegt. Taniguchi hatte dies im Blick, wollte aber, wie auch ich, nicht, dass Kings Kampfstil zu übernatürlich oder übertrieben wirkt. Mit dem Endergebnis sind wir sehr zufrieden und ich hoffe, das Publikum auch.

Wer hatte eigentlich die Idee, King so psychopathisch lachen zu lassen? War das schon im Drehbuch, war das Soi Cheangs Idee oder deine?

Das kam von Soi Cheang. Er gab uns allen immer sehr spezifische Anweisungen zu Manierismen oder Besonderheiten der Figuren. Zu Tony Tsz-Tung Wu, der den Twelfth Master in City of Darkness spielt, meinte er, dass diese Figur sehr viel Wert auf sein Aussehen legt, weshalb er in vielen Szenen beispielsweise mit einem Kamm durch sein Haar geht oder kritisch schaut, ob seine Frisur sitzt. Mit Kings Lachen war es ähnlich, denn wenn man einmal darauf achtet und genau hinhört, sagt einem der Ton des Lachens sehr viel über seine Gefühlslage aus. Manchmal klingt es schadenfroh und dann wieder wütend oder genervt. Auch hier gilt es, die richtige Balance zu finden, damit die Performance nicht übertrieben wirkt, doch ich hatte zu jeder Zeit volles Vertrauen zu Soi Cheang, dass er mir ein entsprechendes Feedback gibt und mir gemeinsam einen guten Mittelweg findet.

Als jemand, der wegen seines Kunststudiums einen genauen Blick dafür hat, was hat dich besonders beeindruckt am Set zu Kowloon City in City of Darkness?

Das Set war eine Mischung aus CGI und einem richtigen Nachbau des echten Kowloon City. Als Schauspieler hilft es ungemein, wenn man ein richtiges Set hat, was man sehen und anfassen kann, wohingegen man sich bei einem Greenscreen immer erst seine Umgebung vorstellen muss, bevor man eine Szene spielt. Was ich toll fand, war, wie flexibel das Setdesign war, als wir das Finale und den Kampf auf den Dächern Kowloon Citys drehten. Die Kulisse war wie eine Reihe von Legosteinen, die man je nach Szene anders positionieren konnte.

Da du nicht nur ein sehr talentierter Kampfsportler und Schauspieler bist, sondern auch jemand, der seit seiner Kindheit Darsteller wie Sammo Hung und Louis Koo verehrt und mit ihnen schon viele Male zusammengearbeitet hast, was ist die wichtigste Lektion, die du von ihnen gelernt hast?

Als ich zurück nach Hongkong kam, um mit im Filmgeschäft einen Namen zu machen, war ich zunächst Actionchoreograph, Stuntkoordinator und letztlich Regisseur für Actionszenen. Auf diesem Wege habe ich viele der Darsteller kennengelernt, die ich schon als ich Kind war auf der großen Leinwand gesehen habe, unter anderem Sammo Hung. Ich habe diese Geschichte schon oft erzählt, aber ich erinnere mich noch an meinen ersten Kampf mit Sammo für eine Szene. Wenn du unsicher oder nervös bist, spielt das für ihn keine Rolle, denn er lässt dich in jedem Fall gut aussehen. Er kam zu mir, sprach kurz ab, wie wir die Szene machen würden und dann ging es auch schon los. Ehe ich mich versah, war die Szene auch schon im Kasten.

Sammo ist sehr großzügig zu seinen Schauspielern, wenn er Regie führt, oder als Kollege, wenn man mit ihm an einem Projekt arbeitet. Trotz seiner langjährigen Erfahrung, ist er nicht überheblich oder hat Probleme damit, von jüngeren Schauspielern oder Choreographen Anweisungen entgegenzunehmen. Er macht Vorschläge, dies aber immer sehr respektvoll. Durch ihn habe ich gelernt, dass man immer Respekt haben muss vor den Leuten, mit denen man arbeitet und das es dabei keine Rolle spielt, wie lange man schon im Geschäft ist.

Nach dem Oscargewinn für Everything Everywhere All At Once habe ich das Gefühl, dass wir in einer Zeit leben, in der viele, vor allem jüngere Zuschauer, das Martial-Arts-Genre für sich entdecken und wertschätzen. Siehst du das auch so?

Der Stil und die Ästhetik des Action- und Martial Arts-Kino aus Hongkong hat sich im Laufe der Jahre nicht sehr verändert. In den westlichen Medien erlebt dieses Kino im Moment einen Aufschwung durch die Ereignisse, auf die deine Frage anspielt, aber dieser Stil war schon immer da und er wird auch nicht verschwinden. In Hongkong selbst erleben wir gerade eine andere Facette, denn obwohl das Actionkino nach wie vor sehr beliebt ist, werden immer weniger Martial-Arts-Filme dort produziert. Als jemand, der dieses Kinos seit seiner Kindheit und Jugend liebt und bewundert, hoffe ich natürlich, dass sich das wieder ändert. Hongkong hatte immer schon einen sehr eigenen Stil und wird vielleicht wieder das Mekka für dieses Kino, das es in den 1980ern und später auch noch war.

Das echte Kowloon City wurde in den 1990ern, vor der Übergabe Hongkongs an China 1997, abgerissen und viele Bewohner der Stadt verbinden bis heute sehr viele Erinnerungen mit diesem Ort, den es nicht mehr gibt. Wie wirkte sich dies auf die Rezeption von City of Darkness in Hongkong aus?

Ich denke, es ist eine Mischung aus diesen Erinnerungen und der Atmosphäre des Filmes, die man aus der Blüte des Genres in Hongkong in den 1980ern kennt. Die Zuschauer in meiner Heimat mögen auf der einen Seite die Action und die Kämpfe, können aber auch sehr viel mit der Kameradschaft der Figuren in Kowloon City anfangen.

Was denkst du, ist die wichtigste Lektion, die besonders junge Menschen von Kampfkunst mitnehmen können?

Ich glaube, es kommt nicht so sehr darauf an, was du machst, sondern eher, wie du es machst. Egal, ob ich nun eine Kampfkunst erlerne oder ob ich gut im Zeichnen oder beim Volleyball bin, wenn ich mich mit einer gewissen Disziplin und Leidenschaft einer Sache widme, kann ich viel für mein Leben generell lernen. Die Tatsache, dass Kampfsport durch die Medien so omnipräsent ist, gibt ihm die Aura, etwas sehr Spezielles von jemandem zu verlangen, aber letztlich sind es die gleichen Werte, die auch jede andere Sportart oder jedes andere Handwerk antreiben.

Wie bewertest du als Sportler so etwas wie Wachstum oder Talent? Wenn man mit einem Kampfsport beginnt, misst man dies beispielsweise an den Rängen oder den Gürteln, die man erlangt, aber was passiert, wenn man hier die Spitze erreicht hat?

Das hängt sehr davon ab, wie man Kampfkunst für sich selbst definiert. Ich sehe es in erster Linie als eine Auswahl von Fähigkeiten an, mit denen ich etwas erreiche möchte, vergleichbar mit den Handgriffen, die man benötigt, um ein Rohr zu reparieren. Wenn ich einen undichten Abfluss reparieren will, benötige ich erlernte Fähigkeiten, Handgriffe und Werkzeug, um an mein Ziel zu kommen und bei der Kampfkunst ist es nicht anders in meinen Augen. Bei einem Kampf ist es mein Ziel, meinen Gegner zu besiegen und den Schaden an meinem Körper so gering wie nur möglich zu halten. Dafür benötige ich ebenso Handgriffe und Fähigkeiten und je besser es mir gelingt, diese zu meistern und anzuwenden, entscheidet darüber, wie ich mich verbessert habe und wie gut ich in der Kampfkunst bin. Es gibt hierzu viele Philosophien und meine ist nur eine von vielen, aber wenn du es schaffst, diese Bewegungen, Handgriffe und Fähigkeiten in einer Stresssituation anzuwenden, hast du es in meinen Augen sehr weit gebracht.

Was ist deine Lieblingsszene aus Drunken Master (Sie nannten ihn Knochenbrecher), einem deiner Lieblingsfilme als Kind?

(lacht) Das ist eine schwierige Frage, denn es gibt da so viele Szenen und Momente, die ich toll finde. Da ist diese Szene, wenn Jackie Chan als Wong von seinem Meister in die Tiefen des Drunken Boxing eingeführt wird, die besonders witzig ist. Das ist aber schwierig auf Englisch wiederzugeben, weil besonders im Kantonesischen der Dialog sehr witzig ist. Was ist deine Lieblingsszene?

Ich mag die Szene, in der Wong das erste Mal auf die Axt-Gang trifft. Sie ist irgendwie tragisch, weil er in der Szene so betrunken ist, dass er sich nicht wehren kann, aber sie hat auch eine gewisse Komik, die fast schon etwas von einem Musical hat.

Da Wong seine Lektionen zum Kung fu, aufgrund gewisser Vorbehalte, nicht vollendet hat, ist er in einer Szene gezwungen, zu improvisieren, was ich auch witzig finde. Es ist aber auch ein sehr tiefsinniger Moment, weil er sagt, dass man aus der Not heraus erfinden muss, wenn man Unheil von sich und anderen abwenden will. Es geht in diesem Moment auch um Kampfkunst als Mittel des Selbstausdrucks, was ich sehr spannend finde.

Du bist nicht nur ein passionierter Kampfsportler, sondern auch ein leidenschaftlicher Sammler von Comics und Actionfiguren. Was ist deine Lieblingsfigur und wenn jemand dir anbieten würde, eine Actionfigur von dir zu erstellen, auf welcher deiner vielen Filmrollen würdest du sie basieren?

Schon wieder so eine schwierige Frage. (lacht) Das ist so, als würdest du einen Familienvater fragen, welches Kind sein Liebling ist. (lacht).

Ich besitze eine Figur von Optimus Prime, wie es triumphierend über Starscream steht, die sehr teuer war und die richtig gut aussieht. Dies ist wirklich toll.

Um auf den zweiten Teil deiner Frage einzugehen, gibt es schon ein paar Figuren von mir. Zu meiner Figur in Once Upon A Time in Shanghai gibt es schöne Figuren, die ich auch zu Hause habe. Wenn es aber um andere Rollen geht, würde ich definitiv King aus City of Darkness wählen. Er ist so besonders wegen seines Stils, seines Charismas und seines Auftretens, dass man auf dieser Basis bestimmt eine tolle Actionfigur machen kann.

Vielen Dank für das tolle Gespräch.



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