Nepal, in einem abgelegenen Dorf. Für Pema (Thinley Lhamo) steht eine große Veränderung an, wird sie doch in einer großen buddhistischen Zeremonie heiraten. Und das sogar drei Männer auf einmal. Genauer wird sie die Frau von drei Brüdern: Tashi (Tenzin Dalha), Mönch Karma (Sonam Topden) sowie Dawa (Karma Wangyal Gurung), der noch ein Kind ist. Schnell arrangiert sie sich mit dieser Konstellation, wobei die Beziehungen sehr unterschiedlich ausfallen. Während sie sich besonders Tashi verbunden fühlt, ist Karma eher distanziert. Dawa ist mehr ein Sohn für sie als ein Ehemann. Das Glück der Familie wird jedoch auf die Probe gestellt, als Tashi bei seiner Handelsreise verschwindet und das Gerücht aufkommt, seine Frau sei von jemand anderem schwanger. Also macht sie sich auf die Suche nach dem Vermissten und wird dabei von Karma begleitet …
Einblicke in das Leben in Nepal
Filme sind eine sehr schöne Möglichkeit, fremde Länder und ihre Kulturen kennenzulernen, sei es in fiktionalen oder dokumentarischen Werken. Vor allem Länder, die man im Urlaub eher weniger besucht. So brachte einem der Regisseur Pawo Choyning Dorji seine Heimat Bhutan durch sein für ein Oscar nominiertes Drama Lunana. Das Glück liegt im Himalaya und Was will der Lama mit dem Gewehr? näher. Eine ähnliche Rolle fällt nun Min Bahadur Bham zu, der einem internationalen Publikum mit Shambhala einen ganz besonderen Einblick in das Leben in Nepal ermöglicht. Die ebenfalls auf dem Himalaya gelegene Republik ist zwar deutlich größer als Bhutan, mit einer sehr viel größeren Bevölkerung – knapp 30 Millionen statt 800.000. Für die meisten hierzulande dürfte das asiatische Land aber ebenfalls ein Terra Incognita sein.
Der Film macht dabei durchaus Lust darauf, diese fremde, unbekannte Welt kennenzulernen, auch wenn er es einem westlichen Publikum nicht immer einfach macht. Von Anfang erscheint dieses gewöhnungsbedürftig. Dass ein Mann mehrere Frauen hat, kennt man zumindest vom Hörensagen aus anderen Ländern. Eine Frau, die mehrere Männer heiratet? Und auch noch Brüder? Das ist Neuland. Shambhala gibt keine Erklärungen dazu, man erfährt wenig zu den religiösen Überzeugungen. Wo andere Filmschaffende gern zu Tode erklären, da ist Regisseur und Co-Autor Min Bahadur Bham sparsam. Das fällt auch besonders zum Ende hin auf, wenn das Drama zunehmend spirituell wird und man sich nicht sicher sein kann, was da gerade eigentlich geschieht. Über das titelgebende mythische Königreich, das im tibetischen Buddhismus eine große Rolle spielt, erfährt man auch nichts.
Zwischen dokumentarisch und unwirklich
Dabei hätte die Zeit durchaus gereicht. Mit einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden ist die Odyssee der Protagonistin nicht eben kurz. Der Regisseur legt dabei ein ganz eigenwilliges Tempo vor. Auf der einen Seite sind Szenen oft ungewöhnlich lang, was durch die fehlenden Schnitte noch weiter verstärkt wird. Gleichzeitig ist Shambhala sehr sprunghaft, wenn Pema auf der Suche ständig irgendwelchen Leuten begegnet, von denen man sich fragt, woher sie kommen und wie sie die Protagonistin finden konnten. Auch das trägt zu der leicht surrealen Atmosphäre bei. Obwohl der Film an vielen Stellen dokumentarisch wirkt, gerade bei den kommentarlosen Beobachtungen von Alltag und Zeremonien, ist er zugleich nicht ganz von dieser Welt.
Das Ergebnis ist faszinierend. Sehenswert ist der Film sowieso: Das Drama, das 2024 als erster nepalesischer Beitrag im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde, überwältigt geradezu mit den umwerfenden Aufnahmen der dortigen Landschaften. Wenn wir an der Seite der Protagonistin durch die karge Gegend wandern, später durch den Schnee stapfen, dann ist das ein Fest für die Augen, bei dem man ganz dankbar ist für die besagten langen Kameraeinstellungen. Zwar dürften viele nach dem Kinobesuch verwirrt sein, unsicher, was genau sie in Shambhala eigentlich gesehen haben. Aber es ist eine fantastische Reise, aus der wir viele Eindrücke mitnehmen und die durch die feministische Note – die Suche wird auch zu einer Form der Selbstbehauptung – sehr menschliche Anknüpfungspunkte bietet.
OT: „Shambhala“
Land: Nepal, Frankreich, Norwegen, Hongkong, China, Türkei, Taiwan, USA, Katar
Jahr: 2024
Regie: Min Bahadur Bham
Drehbuch: Min Bahadur Bham, Abinash Bikram Shah
Musik: Nhyoo Bajracharya, Ani Choying Drolma
Kamera: Aziz Zhambakiyev
Besetzung: Thinley Lhamo, Sonam Topden, Tenzing Dalha, Karma Wangyal Gurung, Karma Shakya, Loten Namling
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