City of Darkness nimmt uns mit in die legendäre Kowloon Walled City, einen ehemaligen Stadtteil von Hongkong, der auf einer Halbinsel lag und in der es keine Gesetze gab. In vielen Filmen und Serien, aber auch Comics und Videospielen wurde diese zum Schauplatz von Geschichten. So auch hier, wenn wir Chan (Raymond Lam) folgen, der einen Gangsterboss bestohlen hat und anschließend in diese Enklave flieht, die nach und nach zu seinem Zuhause wird, trotz der allgegenwärtigen Gewalt. Aber auch dort lauern Gefahren. Anlässlich des Kinostarts am 28. November 2024 sprechen wir mit Regisseur Soi Cheang über die Arbeit an dem Film und die Faszination, die bis heute Kowloon ausgeht, obwohl es diese Stadt vor vielen Jahren abgerissen wurde.
City of Darkness war seit vielen Jahren in Arbeit, die unterschiedlichsten Regisseure wurden damit in Verbindung gebracht. Wie bist du zu dem Projekt gekommen?
Das stimmt, vor mir gab es viele andere, die gefragt wurden. Ich selbst habe auch lange gezögert und nicht sofort zugesagt, weil ich nicht wusste, wie ich diesen verlorenen Stadtteil Kowloon wieder aufbauen sollte. Erst als ich mit dem Kulissenbauer eine Möglichkeit gefunden habe, wie das gehen könnte, habe ich letztendlich zugesagt.
Und wie sah das dann konkret aus? Welche Vorlage habt ihr genutzt für eure Vision der Stadt?
Es war schwierig etwas zu finden. Wir haben online viel gesucht und dabei auch Fotos gefunden. Das hat aber natürlich nicht ausgereicht. Für uns war es deshalb wichtig, mit den Menschen zu sprechen, die damals in dem Stadtteil gelebt haben. Da waren Gangster dabei, aber auch ganz einfache Einwohner. Aus ihren Erzählungen, wie die Stadt ausgesehen hat, haben wir uns unsere eigene Version zusammengebaut. Wir wollten etwas erschaffen, das voller Leben ist und in dem Menschen auch wirklich leben könnten. Kowloon war ein ganz besonderer Ort, weil es damals keine Stadtplaner gab. Es gab auch keine Gesetze und Vorschriften, weshalb alle so gebaut haben, wie es ihnen gefiel. So ähnlich sind wir dann auch vorgegangen. Wir haben keinen Stadtplan entworfen, mit dem wir gearbeitet hätten. Stattdessen haben wir etwas erschaffen, wie es uns gefallen hatte. Hier mal eine Treppe, dort eine Gasse, was uns eben so eingefallen ist.
Wie lange hat es dann gedauert, bis diese Stadt gestanden hat?
Bis alles fertig war, dürften es so vier Monate gewesen sein. Aber es war nicht so, dass alles stand, als wir mit dem Dreh begonnen haben. Wir haben erst einmal einen Teil gebaut und dort angefangen zu drehen. Und wenn wir für die nächsten Szenen die nächste Kulisse brauchten, haben wir damit angefangen. Die Bauzeit vor dem Dreh waren ungefähr zwei Monate. Der Rest ist dann beim Dreh entstanden.
Kowloon taucht immer wieder in Geschichten auf, in Filmen, Comics oder Videospielen. Was macht diesen Ort so besonders, das er immer wieder gern als Setting verwendet wird?
Das hat damit zu tun, dass es dort keine Gesetze gab, keine Regeln. Der komplette Ort war gesetzlos, weswegen sehr viele Verbrechen begangen wurden. Die Regierung konnte dagegen auch nichts tun und hat sich aus allem herausgehalten. Als Kind war meine Schule ganz in der Nähe. Dennoch bin ich nie in diese Stadt hineingegangen, weil sie eben so mysteriös war und so furchteinflößend. Kowloon war wie eine Burg aus einer Legende, die damals aber schon langsam auseinanderbrach.
Hättest du die Stadt damals denn gern gesehen, als es sie noch gab?
Wenn es sie heute noch geben würde, dann auf jeden Fall! Damals hätte ich mich aber nie getraut. Dafür hatte ich viel zu viel Angst. Aber das ging vielen in Hongkong so. Die Stadt war so berüchtigt, wegen Verbrechen, wegen Schmutz, das ganze Chaos.
In deinem Film zeigst du aber auch eine andere Seite. Man findet in City of Darkness viel Solidarität zwischen den Menschen, die dort leben. Sie sind eine Art Gemeinschaft. War das damals wirklich so, laut den Leuten, die ihr gesprochen habt?
Das haben meine Recherchen tatsächlich so ergeben. Die Menschen, die in Kowloon lebten, waren wie alle anderen Menschen auch. Für sie war diese Stadt ihr Zuhause. Während Außenstehende darin nur einen Ort des Verbrechens gesehen haben, haben die Einwohner darin ihren Platz gefunden und haben sich darin wohlgefühlt. Für sie war das ein Zuhause, in das sie abends nach der Arbeit kamen. Natürlich war der Ort eher einfach. Aber du hattest alles, was du zum Leben brauchtest: Grundschulen, Läden, Restaurants.
Dein Film lebt natürlich auch wieder von den beeindruckenden Actionszenen. Könntest du uns verraten, wie diese eigentlich stehen? Wie entwickelt ihr die Kämpfe?
Hongkong ist eine sehr enge, dicht bebaute Stadt. Das regt dann immer wieder meine Fantasie an, was man in diesem engen Raum alles so anstellen kann. Der Roman, auf dem die Geschichte basiert, war auch als Comic veröffentlicht worden, bei dem alles ziemlich übertrieben dargestellt wurde. Und dieses Übertriebene haben wir beibehalten. Aus diesen beiden Elementen haben wir dann die Kämpfe erstellt.
Ich habe gelesen, dass City of Darkness noch Fortsetzungen bekommen soll. Stimmt das?
Es sind tatsächlich Fortsetzungen geplant. Die eine erzählt die Vorgeschichte der Stadt. Bei dem anderen Film soll es um die jungen Menschen gehen, die in der Stadt gelebt haben, bis sie abgerissen wurde. Dabei soll erzählt werden, wie es mit ihnen danach weiterging. Die beiden Filme sind schon in Entwicklung. Ich selbst werde aber einen historischen Kriegsfilm drehen.
Danke für das Gespräch!
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