Eigentlich war die 15-jährige Emerson (Summer H. Howell) mit ihrer Familie in eine kleine religiöse Gemeinde in den Wäldern Kanadas gezogen, um dort vor den Bedrohungen der Welt da draußen geschützt zu sein. Aber es kommt anders. Da ist die Jugendliche, die spurlos verschwunden ist. Außerdem vermutet Emerson, dass in dem Wald ein Monster lebt und den Menschen auflauert, wohl auch hinter dem Verschwinden steckt. Dem will sie aber nicht tatenlos zusehen. Gemeinsam mit ihrer Klassenkameradin Delilah (Sarah-Maxine Racicot) entwickelt sie ein Ritual, welches ihnen die Kraft verleihen soll, dem Monster entgegenzutreten. Bald schließend sich den beiden noch andere Mädchen an, die ebenfalls stärker werden wollen, anstatt schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch die geheimen Treffen der Clique drohen, außer Kontrolle zu geraten …
Das Böse im Wald
Und immer wieder Wälder. Kaum ein Setting ist im Horrorgenre so beliebt wie das des Waldes. Nicht nur, dass dieser meist weitläufig und dunkel ist und man sich in diesem leicht verlaufen kann. Er hat auch etwas Ursprüngliches an sich, wenn diese Orte oft viel älter ist als die Menschen und man nur zu gern glaubt, dass dort irgendwelche archaischen Wesen leben. Beispiele für solche Geschichten gibt es ohne Ende. The Blair Witch Project ist eines der bekanntesten, wenn eine Filmcrew bei einem Dreh verlorengeht und es mit der Legende einer Hexe zu tun bekommt. Dann sind da die diversen Streifen rund um dämonische Begegnungen in Waldhütten. Oder auch The Hole in the Ground, bei dem ein Junge nach einem Waldbesuch verändert zurückkommt. Nun kommt mit Spirit in the Blood ein weiterer Film heraus, bei dem dieser Schauplatz eine große Rolle spielt, wenn da irgendwo ein Monster unterwegs sein soll.
Und doch sollte man etwas vorsichtig sein, was die eigenen Erwartungen angeht. Denn auch wenn die Geschichte davon handelt, dass da im Wald ein Monster umherstreifen könnte, geht es nicht wirklich darum. Stattdessen handelt es sich bei Spirit in the Blood mehr um ein Drama, das von zwei Jugendlichen erzählt und ihrem Versuch, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Das ist eigentlich alles ganz klassisches Coming-of-Age-Material, arbeitet auch mit typischen Elementen. Da gibt es die Konflikte mit den Eltern, Emerson hat mit Ausgrenzung zu kämpfen. Verschärft wird das durch den religiösen Aspekt. Das wird zwar nie so wirklich vertieft, zeigt aber eine Welt, die von Normen und Regeln geprägt ist, an die man sich zu halten hat. Immer wieder wird Druck aufgebaut, wird den Mädchen vorgegeben, wer sie zu sein haben und wie sie sich zu verhalten haben.
Suche nach einem eigenen Platz
Die Rituale, welche die Protagonistinnen entwickeln, sind vordergründig dafür da, um gegen das Monster zu bestehen. Sie sind aber auch eine Form der Selbstermächtigung und Rebellion gegen eben diese Bevormundung der anderen. Emerson und Delilah finden darin eine Stärke, finden vielleicht auch sich selbst – zumindest ist dies ihre Hoffnung. Regisseurin und Drehbuchautorin Carly May Borgstrom nutzt in Spirit in the Blood daher Genremotive, um eine recht irdische Geschichte zu erzählen. Für Horrorfans ist das dann vielleicht nicht so wirklich interessant. Zwar gibt es schon Szenen, in denen ein wenig mehr geschieht. Gerade zum Ende hin spitzt sich die Situation zu, wird auch tatsächlich spannend. Aber allein deshalb lohnt es sich weniger, sich den Film anzuschauen.
Und doch ist das Werk, das auf dem Filmfest Hamburg 2024 Weltpremiere feierte, durchaus sehenswert. Beispielsweise überzeugen die beiden Nachwuchsschauspielerinnen, wenn Spirit in the Blood von einer besonderen Freundschaft erzählt und zwei jungen Menschen, die sich jeweilig eine neue Kraft verleihen. Es gelingt Borgstrom auch, eine unheilvoll-mysteriöse Atmosphäre zu erzeugen und das Gefühl zu wecken, dass da etwas tief verborgen schlummert, im Wald, in den Menschen. Das wird nicht allen gefallen, tatsächlich hat der Film sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Aber wer sich auf diese Mischung aus Coming-of-Age und Horror einlassen kann, findet hier ein interessantes Debüt.
OT: „Spirit in the Blood“
Land: Deutschland, Kanada
Jahr: 2024
Regie: Carly May Borgstrom
Drehbuch: Carly May Borgstrom
Musik: Dorian Behner, Paul Timmich
Kamera: Zamarin Wahdat
Besetzung: Summer H. Howell, Sarah-Maxine Racicot, Michael Wittenborn, Greg Bryk, Ariadne Deibert, Sarah Abbott, Lyla Elliot, Michelle Monteith
Filmfest Hamburg 2024
Sitges 2024
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