The Piano Lesson

Pittsburgh, 1936: Ein Klavier sorgt bei Familie Charles für Misstöne. So will Boy Willie (John David Washington) das kostbare Erbstück verkaufen und mit dem Geld Land erwerben. Seine Schwester Berniece (Danielle Deadwyler) will davon aber nichts wissen. Zu sehr hängt sie an dem Instrument, das sie mit vielen Erinnerungen verbindet und von dem sie überzeugt ist, dass die Geister ihrer Vorfahren damit verbunden sind. Deren Onkel Doaker (Samuel L. Jackson), in dessen Haus das Klavier steht, steht ein wenig zwischen den beiden streitenden Geschwistern und versucht zu schlichten. Aber auch er kann nicht verhindern, dass die Atmosphäre von Minute zu Minute angespannter wird. Schließlich geht es nicht nur um die familiären Meinungsverschiedenheiten. Sie werden auch anderweitig von der Vergangenheit heimgesucht …

Dritter Film eines Theaterzyklus

Natürlich hat August Wilson im Lauf seiner langen Karriere eine ganze Reihe von Theaterstücken verfasst. Und doch ist der Dramatiker am ehesten für seinen sogenannten Pittsburgh Cycle bekannt, zehn Stücke, in denen er das Leben der afroamerikanischen Bevölkerung im 20. Jahrhundert chronologisch aufzeichnete – jedes davon spielt in einem anderen Jahrzehnt. Denzel Washington, ein großer Anhänger des Autors, scheint fest entschlossen, dieses Vermächtnis in Form von Filmen weiterzugeben. Los ging es 2017 mit dem von ihm inszenierten Familiendrama Fences, das in den 1950ern spielt und bei dem er auch die Hauptrolle übernahm. Drei Jahre später folgte das in den 1920ern angesiedelte Ma Rainey’s Black Bottom, welches von ihm produziert wurde und von einer Studioaufnahme eines Liedes handelte. Mit dem abermals von ihm produzierten Netflix-Film The Piano Lesson geht es nun in die 1930er.

Dabei ist das Drama nicht nur inhaltlich mit dem Thema Familie beschäftigt, sondern auch selbst ein richtiges Familienunternehmen. So handelt es sich um das Regiedebüt von Malcolm Washington, dem Sohn von Denzel. Malcolms Bruder John David Washington, inzwischen selbst ein gefragter Schauspieler, übernahm die Hauptrolle. Während die Zusammenarbeit dort wohl gut funktioniert hat, erzählen sie die Geschichte einer Familie, die an einem Konflikt zu zerbrechen droht. Vordergründig geht es bei The Piano Lesson um den geplanten Verkauf eines alten Klaviers. Doch das ist nur die Fassade. Vielmehr geht es bei dem Stück und damit auch dem Film um die Frage, wie sie mit der Vergangenheit umgehen sollen. Dass das Instrument eine symbolische Bedeutung hat, ist klar. Nur wird zunächst nicht verraten, welche das ist. Erst deutlich später erfährt das Publikum von der Vorgeschichte und in welcher Beziehung die Familie dazu steht.

Eine schreckliche Familiengeschichte

Dabei geht es wenig überraschend viel um das Thema Sklaverei. Zwar ist diese in den 1930ern längst abgeschafft. Das heißt aber nicht, dass die Auswirkungen nicht noch zu spüren wären. Die Vergangenheit verfolgt die Familie, verfolgt sie in Erinnerungen und Erzählungen. Sie verfolgt sie aber auch in einem stärker spirituellen Sinn. Tatsächlich ist in The Piano Lesson sehr oft von Geistern die Rede, die in dem Haus umhergehen sollen und gerade auch mit dem Klavier verbunden sind. Washington begnügt sich aber nicht damit, diese Verstorbenen nur anzusprechen. Im weiteren Verlauf nimmt der Film immer mehr Horror-Elemente auf, gerade zum Ende hin erinnert das Werk an klassische Haunted-House-Gruselstreifen.

Richtiges Genrekino sollte man hier aber nicht erwarten. Den kleineren Spielereien zum Trotz ist das Drama, welches auf dem Telluride Film Festival 2024 Premiere feierte, die meiste Zeit über klar als Theaterstück zu erkennen. Der Schauplatz ist begrenzt, ein Großteil der Geschichte spielt in einem Wohnzimmer. Außerdem ist der Film sehr dialoglastig, die Handlung ist überschaubar. Das wird manchen sicher zu langweilig sein, zumal The Piano Lesson auch über zwei Stunden lang ist und so zu einer Geduldprobe wird. Und doch sind da immer wieder bewegende Momente dabei, getragen von einem starken Ensemble, das zwischen Flüstern und Schreien eine Familiengeschichte erzählt, die gleichzeitig außergewöhnlich ist und doch stellvertretend für das Schicksal vieler anderer steht.