In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Dokumentarfilmen gegeben, die sich mit dem Leben in der ostdeutschen Provinz befassen. Da war beispielsweise Unendlicher Raum neulich, wo es um verschiedene Versuche geht, eine aussterbende Kleinstadt vor ihrem Schicksal zu bewahren. Wir waren Kumpel und Auf der Kippe wiederum schilderten, wie ländliche Gegenden mit einem Strukturwandel umgehen. Was bleibt von einer Region, wenn die identitätsstiftenden Elemente wie Arbeit wegbrechen? Mit Über uns von uns kommt nun ein weiterer Film in die Kinos, der der in einer ländlichen Gegend im Osten spielt. Genauer bringt er uns Eberswalde näher, in dem rund 40.000 Menschen leben. Größer als ein Dorf also, aber kein Ort, den die meisten hierzulande auf einer Landkarte finden würden.
Aufwachsen an einem fremden Ort
Regisseurin Rand Beiruty, die dieses Jahr auch den sehenswerten animierten Kurzfilm Shadows vorgelegt hat, geht es aber nicht um die Alteingesessenen, die sich mit einer sich verändernden Welt auseinandersetzen müssen. Vielmehr stellt sie uns mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund vor, die sich selbst immer wieder fremd fühlen. Zwar bestätigt Über uns von uns nicht das Klischee des rassistischen Ossis, der Dokumentarfilm verurteilt nicht pauschal alle Menschen, die dort leben. Tatsächlich können die Teenagerinnen auch von positiven Erfahrungen erzählen. Ganz ohne Diskriminierung läuft es aber bei ihnen ebenfalls nicht ab. Dass sie aus dem Ausland kommen, vor allem dem arabischen Raum, führt zwangsläufig dazu, nicht von allen willkommen geheißen zu werden.
Beiruty lässt sie über diese Erfahrungen sprechen. Es geht hier darum, wie es ist, sich in einer fremden Umgebung zurechtfinden zu müssen. Dass sie einander haben, Schicksalsgenossinnen gewissermaßen, hilft ihnen dabei, eine Art Heimat aus der Kleinstadt zu machen. Gerade auch die gemeinsame Sprache wird zu einer Möglichkeit der Identifikation und des Austauschs. Im Sinne der Integration ist das dann weniger förderlich. Verständlich ist es aber schon, wenn die bekannte Sprache zu einem Halt für sie wird. Über uns von uns begleitet die Jugendlichen dann auch primär, wenn sie unter sich sind, sich austauschen können, über ihre Gefühle und Träume sprechen.
Viele universelle Themen
Gerade Letztere nehmen in dem Dokumentarfilm einen größeren Raum ein. Auch wenn sich das oben danach anhört, als wäre Über uns von uns einer dieser typischen Beiträge rund um das Dauerthema Migration, ist dieses nur ein Teilaspekt. Vieles von dem, was uns die Regisseurin zeigt, ist von einer sehr universellen Natur. In vielerlei Hinsicht sind die Teenagerinnen ganz gewöhnlich, machen dieselben Entwicklungen durch wie andere auch. Da geht es um die Frage, wer sie sind, wer sie sein wollen, welche Ziele sie in ihrem Leben verfolgen. Und eben auch, welche Berufe sie einmal ausüben wollen. Das ist im Einzelfall dann vielleicht nicht immer realistisch. Immerhin gibt ihnen der Film aber die Möglichkeit so zu tun als ob.
Insgesamt ist das Werk, das auf dem DOK.fest München 2024 und einer Reihe weiterer Festivals lief, ein sehenswertes Langfilmdebüt von Beiruty geworden. Gerade ein Publikum, das sich für menschliche Geschichten interessiert, werden hier fündig. Das Thema der Selbstfindung, welches die meisten Jugendlichen umtreibt, wird hier einfühlsam und mit viel Persönlichkeit dargelegt. Neue Erkenntnisse gibt es bei Über uns von uns zwar nicht, es nicht so, dass man etwas erfahren würde, das nicht auch andere schon erzählt haben. Für den einen oder anderen Denkanstoß reicht es aber schon, gerade bei der Frage, wie man solchen jungen Menschen zur Seite stehen kann, während sie noch ihren eigenen Weg abstecken.
OT: „Über uns von uns“
Land: Deutschland, Jordanien, Saudi-Arabien
Jahr: 2024
Regie: Rand Beiruty
Drehbuch: Rand Beiruty
Musik: Johann Niegl
Kamera: Marco Müller
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