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Ungeschminkt

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„Ungeschminkt“ // Deutschland-Start: 13. November 2024 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Mehr als 40 Jahre ist es her, dass Josefa (Adele Neuhauser) ihr Heimatdorf verlassen und jeglichen Kontakt abgebrochen hat. Damals war sie noch als Josef (Riccardo Campione) bekannt, merkte aber früh, dass dies nicht passt. Doch erst, als Josef nach einem Streit davonlief, ergab sich die Möglichkeit, die Frau zu sein, die sie in sich spürte. Inzwischen ist sie verheiratet, das alte Leben ist abgehakt. Umso größer ist die Verwunderung, als sie erfährt, dass ihre Mutter ihr den Hof vererbt hat, trotz der Entfremdung. Als Josefa in die alte Heimat zurückkehrt, bedeutet das für sie, sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen muss. Und das beinhaltet auch, ihrer Ex-Frau Petra (Eva Mattes) und ihrem früheren besten Freund Blume (Ulrich Noethen) gegenübertreten zu müssen, die sie wie alle anderen auch wortlos zurückließ …

Einsatz für ein umstrittenes Thema

Auch wenn es Transgeschlechtlichkeit natürlich schon früher gab, wurde das Thema in den letzten Jahren zunehmend emotional aufgeladen. Der Wahlkampf in den USA war voll von hasserfüllten, bizarren Werbespots. Bei uns sieht man das gelassener. Aber auch in Europa werden eifrig Filme zu dem Thema produziert. Für Furore sorgte dieses Jahr der preisgekrönte Genremix Emilia Pérez über einen Gangster, der zur Frau wird und mit seiner alten Identität hadert. In Deutschland zieht man klassische Aufklärungsdramen vor, ob nun im Kino (Oskars Kleid) oder im Fernsehen (Einfach Nina), da wird viel für Toleranz geworben. Mit Ungeschminkt kommt nun der nächste Versuch der öffentlich-rechtlichen Sender, sich mit einem Phänomen auseinanderzusetzen, welches Menschen verwirrt, wenn nicht gar vor den Kopf stößt.

Während viele Filme aus diesem Themenbereich aber von Leuten erzählen, die gerade noch mit der Selbstfindung beschäftigt sind, wozu dann eben auch das Geschlecht zählt, ist das hier eigentlich alles längst geklärt. Schließlich hat sich Josefa vor Jahrzehnten bereits dazu entschieden, als Frau zu leben. Sie hat auch ein Umfeld gefunden, das sich nicht daran stört. Zwar ist in der Großstadt selbst nicht alles toll, die Geschichte beginnt mit einem gewaltsamen Übergriff. Aber es geht in Ungeschminkt doch mehr darum, dass die Protagonistin und die Menschen aus dem Dorf sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Es mögen mehrere Jahrzehnte ins Land gezogen sein, die Wunden sind aber noch frisch – auch weil sich nie jemand darum gekümmert hat.

Mal vielschichtig, mal klischeehaft

Tatsächlich wird die Transgeschlechlichkeit gar nicht so oft problematisiert, wie man das annehmen könnte. Es gibt natürlich die Dorfbevölkerung, die dem Klischee folgend ziemlich rückständig und intolerant ist. Aber die taucht so selten auf, dass sie eigentlich keine Bedeutung hat. Löblich ist an Ungeschminkt, dass es sich der Film auch nicht auf dieser einseitigen Betrachtung gemütlich macht. So ist Josefa durchaus ein wenig ambivalent. Auf der einen Seite weckt das Drama natürlich Verständnis für sie und dass sie es in dem Dorf nicht mehr ausgehalten hat. Gleichzeitig wird klargemacht, dass sie mit der Flucht auch Petra und Blume verletzte und sich nie darum geschert hat, was mit ihnen wird. Zu den emotionalsten Momenten zählen die Szenen, in denen die beiden Josefa sagen, dass sie zu ihr gehalten hätten bei ihrer Entscheidung, aber nie die Chance bekamen – worauf die Geflüchtete nichts erwidern kann.

Insgesamt ist das ARD-Drama, welches auf dem Filmfest München 2024 Premiere hatte, daher vielschichtiger und sehenswerter, als es viele sonstige Beiträge aus diesem Segment sind. Allerdings hat das Drama auch eindeutige inhaltliche Mängel. Da ist zum einem die besagte klischeehafte Beschreibung des Dorfes, auch an anderen Stellen spart das Drehbuch nicht mit Stereotypen. Außerdem hat Ungeschminkt Schwierigkeiten damit, die Geschichte zu entwickeln. Anstatt sich die Zeit zu geben, alles aufzuarbeiten, wird lieber ein bisschen hin und her gesprungen. Zum Ende hin kommen gleich mehrere Enthüllungen, die es in der Form wirklich nicht gebraucht hätte und eher Seifenoper sind als Alltagsbetrachtung. Dennoch ist das Ergebnis insgesamt solide und ein willkommener Beitrag zu einem Reizthema.

Credits

OT: „Ungeschminkt“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2024
Regie: Dirk Kummer
Drehbuch: Uli Brée
Musik: Johannes Repka
Kamera: Joe Berger, Alex Püringer, Philipp Habenicht
Besetzung: Adele Neuhauser, Hayal Kaya, Eva Mattes, Ulrich Noethen, Matthias Matschke, Florian Jahr, Greta Perone

Bilder

Trailer

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Ungeschminkt
fazit
„Ungeschminkt“ begleitet eine Transfrau in ihre alte Heimat, wo sie sich notgedrungen mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss. Das Drama gefällt durch eine vielschichtige Hauptfigur, arbeitet dafür anderweitig mit Klischees. Außerdem hat es Probleme dabei, die Geschichte zu entwickeln, will lieber große Enthüllungen als Detailarbeit.
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