Mit Witches gelingt der britischen Regisseurin Elizabeth Sankey ein ebenso persönlicher wie analytischer Dokumentarfilm, der die Darstellung von Hexen in der Film- und Popkultur in einen aufschlussreichen gesellschaftlichen Kontext einbettet. Sankey, selbst seit Kindheitstagen von Hexen fasziniert, unternimmt eine cineastische Reise durch Klassiker wie Der Zauberer von Oz (1939), Häxan (1922), The Witch (2015) oder Rosemaries Baby (1968). Doch dieser Film ist weit mehr als eine bloße Montage aus Filmschnipseln – es ist ein zutiefst persönlicher Essay, der das Kino als Spiegel gesellschaftlicher Normen und Ängste nutzt.
Eine filmische Reise zu Hexen, Mutterschaft und Stigmatisierung
Witches beginnt mit dem historischen Bild der Hexe: einer bedrohlichen, unberechenbaren Frau, die außerhalb gesellschaftlicher Konventionen steht. Sankey führt uns eindrucksvoll vor Augen, wie diese Figur über die Jahrzehnte hinweg immer wieder neu interpretiert wurde – mal als Femme Fatale, mal als unterdrückte Rebellin, usw. In dieser Analyse wird deutlich, dass die Hexenfigur weit mehr als nur ein filmisches Schreckgespenst ist: Sie reflektiert die Ängste einer patriarchal geprägten Gesellschaft vor starken, unabhängigen Frauen.
Doch was diesen Dokumentarfilm wirklich außergewöhnlich macht, ist Sankeys Mut zur Offenlegung ihrer eigenen Erfahrungen. Witches entwickelt sich nach und nach nämlich zu einer eindringlichen Reflexion über postnatale Depression und psychische Gesundheit. Sankey teilt mit unverblümter Ehrlichkeit ihre eigenen Erlebnisse von Angstzuständen und suizidalen Gedanken nach der Geburt ihres Kindes. Dabei wird der historische Bogen von der Dämonisierung von Frauen im Mittelalter bis zur heutigen Stigmatisierung psychisch belasteter Mütter gespannt. Besonders beklemmend ist die tragische Geschichte von Daksha Emson, einer Psychiaterin, die unter postnatalen Wahnvorstellungen litt und sich und ihrem Neugeborenen schließlich das Leben nahm …
Der Film gewinnt an Tiefgang, wenn Sankey nicht nur ihre eigene Stimme erhebt, sondern auch anderen Frauen Raum gibt, ihre Geschichten zu erzählen. Diese intimen Schilderungen veranschaulichen, wie isolierend und schmerzhaft postnatale Depressionen sein können – ein Thema, das allzu oft hinter geschlossenen Türen bleibt. Sankey schlägt dabei eine Brücke zur Geschichte der Hexenverfolgungen: Waren es einst Visionen des Teufels, die Frauen zum Geständnis zwangen, so sind es heute die unsichtbaren Fesseln gesellschaftlicher Erwartungen, die Mütter in die Verzweiflung treiben.
Zwischen Unausgewogenheit und Aufrichtigkeit
Was den Film jedoch schwächt, ist eine gewisse thematische Unausgewogenheit. Die Verknüpfung zwischen historischen Hexendarstellungen und modernen psychischen Erkrankungen gelingt Sankey zwar stellenweise, doch bleibt die Verbindung oft zu vage. Die Analyse historischer Quellen wirkt oberflächlich, und der Wechsel zwischen filmgeschichtlicher Betrachtung und persönlicher Offenbarung lässt den Film teils inkohärent erscheinen.
Witches ist dann am stärksten, wenn er sich auf reale, moderne Schicksale konzentriert und die Kämpfe von Frauen beleuchtet, die sich nach der Geburt plötzlich mit erschütternden Gedanken und Ängsten konfrontiert sehen. Sankeys dokumentarische Aufrichtigkeit wirkt erfrischend und notwendig – sie normalisiert psychische Krisen und schafft Bewusstsein für Themen, die sonst im Dunkeln bleiben.
OT: „Witches“
Land: UK
Jahr: 2024
Regie: Elizabeth Sankey
Musik: Jeremy Warmsley
Kamera: Chloë Thomson
Mitwirkende: Elizabeth Sankey, Sophia Di Martino, Vatherine Cho, David Emson, Trudi Seneviratne
Tribeca Film Festival 2024
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