Um ihrer Tochter eine Schulbildung zu ermöglichen, ist die alleinerziehende Mutter Li Qingcao (Xin-ran Tao) bereit, viele Opfer zu bringen. Jedoch steht ihr die chinesische Bürokratie im Weg, die sie und ihr Kind in eine Bürgerklasse einstuft, die es ihr schier unmöglich macht, überhaupt in die engere Auswahl bei den Schulen genommen zu werden, welche sich in der Nähe ihrer kleinen Wohnung befinden. So muss die junge Frau am Tag weiter zu Schulen und Behörden gehen, während sie abends einen kleinen Imbiss betreibt. Unterdessen übernimmt der Polizist Han Yan (Bingrui Zhao) die Ermittlungen in einem mysteriösen Mordfall, als auf einer Baustelle die Überreste eines Menschen gefunden werden, der vor vielen Jahren mit einer Axt ermordet wurde. Die Nachforschungen sind nicht leicht, nicht nur wegen der wenigen Spuren, sondern auch, weil der Fall Erinnerungen an ein tragisches Ereignis während der Schulzeit Hans wachruft, in das Li ebenfalls verwickelt war.
Spuren eines Verbrechens
Dalu Gou ist das Pseudonym des chinesischen Regisseurs Hu Jia, der 2017 mit seinem Spielfilm The Taste of Betel Nut im Programm der Berlinale vertreten war. Während es in diesem noch um die Kluft zwischen unterschiedlichen Generationen innerhalb der chinesischen Gesellschaft ging, porträtiert er in Within soziale Ungerechtigkeit in seiner Heimat. Der Film, der aktuell im Programm des Chinesischen Filmfests München zu sehen ist, greift dabei auf das Phänomen der „left-over children“ oder „left behind children“ auf, also jener Kinder, die in den ländlichen Regionen zur Schule gehen und meist bei ihren Großeltern leben, während ihre Eltern in den Großstädten arbeiten. Hierzu verknüpft Jia zwei Erzählstränge zu einer Geschichte um ein Geheimnis, um Schweigen und eine Vergangenheit, die viele der Figuren gerne vergessen würden.
Während des Abrisses einer alten Schule, die der Erschließung des Gebietes durch den Tourismus weichen muss, kommt es zu dem grausamen Fund. Auch wenn der Mord schon lange her ist, können die Bauarbeiten (wie auch der Zuschauer) erahnen, was sich für ein brutales Verbrechen hier wohl ereignet haben mag und das nun, viele Jahre später, aufgeklärt werden soll. Bis es dazu kommt, verfolgen wir die Geschichte Li Qingcaos und die Han Yans, und es erschließt sich lange nicht, wie die beiden Handlungen nun miteinander verbunden sind. Jia/Guo lässt sich generell sehr viel Zeit zeigt die Lebensrealitäten der beiden Hauptfiguren und ihre Welt zunächst, bevor er dazu übergeht, auf Verbindungen hinzuweisen.
Besonders in der ersten Hälfte von Within ist das ganz schön zäh, besonders durch den etwas umständlichen Schnitt, sodass man lange denkt, die Regie und das Drehbuch konnten sich nicht so recht entscheiden, welchen Ton sie für ihre Geschichte nun anstimmen sollten. Gerade die Ermittlungen des Polizisten erscheinen sehr abgehakt, weswegen sich bestimmte Handlungen oder Ereignisse nicht unbedingt erschließen. Auch die Themen, die Within darstellen will, ergeben sich erst in der zweiten Hälfte, die dramaturgisch und erzählerisch wesentlich stimmiger geraten ist.
Stadt und Land
Mehr und mehr wird nämlich deutlich, auf welchen Ungerechtigkeiten innerhalb der chinesischen Gesellschaft, die Ereignisse in Within beruhen. Man erkennt, dass es für Xin-ran Taos Figur nicht nur allein um einen Schulplatz geht, denn in erster Linie ist es der Traum, ihre Tochter soll nicht dasselbe Schicksal erfahren wie sie. Bingrui Zhaos Charakter und ihrer sind zwei, die ihre Vergangenheit schon lange vergraben haben und sich emotional davor hüten, diese wieder auszugraben und genauer zu erforschen. Vergangenheit und Realität, Tradition und der Traum vom Neuanfang spiegeln sich im Kontrast von Stadt und Land wider, auf den Guos Film zunächst etwas diffus und später immer wieder überdeutlich zurückkommt. Spätestens wenn die Kindheit der zwei Hauptfiguren beleuchtet wird, betont Guo nicht nur allein die Ungerechtigkeit von Lebensumständen, denn darüber hinaus zeigt er Schutz- und Hilflosigkeit auf eindrücklich Art und Weise.
OT: „Jia Feng Zhi Jian“
Land: China
Jahr: 2023
Regie: Dalu Guo
Drehbuch: Dalu Guo
Kamera: Jerry Hsu
Musik: Liu Cong
Besetzung: Xin-ran Tao, Bingrui Zhao, Yiwen Wang
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