Als im November 1959 eine vierköpfige Familie von Einbrechern brutal ermordet wird, beschäftigt der Fall die Menschen im ganzen Land. Und damit auch Truman Capote (Philip Seymour Hoffman). Mehrere Romane hat der Autor bereits verfasst, sein neuer soll den Mordfall behandeln. Ihm schwebt dafür ein Tatsachenroman vor, der nah an der Geschichte bleibt. Zu diesem Zweck reist Capote mit seiner Kindheitsfreundin Nelle Harper Lee (Catherine Keener) an den Ort des Verbrechens, wo er seine Recherchen beginnen will. Das allein reicht ihm aber nicht, er will auch den Tätern näherkommen. Und so beginnt er, sich mit Perry Smith (Clifton Collins Jr.) und Dick Hickock (Mark Pellegrino) zu treffen, den beiden geständigen Mördern, um mehr über sie herauszufinden. Wer sind sie? Warum haben sie die Tat begangen? Was ist an dem Tag wirklich geschehen? Doch je mehr Zeit er mit ihnen verbringt, umso mehr kommt er an seine eigenen Grenzen …
Ein Autor sucht das Verbrechen
Die Menschen sind geradezu verrückt nach Verbrechen, True-Crime-Produktionen – ob nun als Doku, fiktionalisiert oder auch als Podcast – haben nach wie vor Hochkonjunktur. Ständig kommen neue Titel heraus, die alte Kriminalfälle aufbereiten. Und doch ist diese Faszination nicht neu, schon früher haben die Leute solche Geschichten mit großem Interesse verfolgt, verspürten Nervenkitzel, wollten all die grausigen Details wissen. Truman Capote brachte dies eine Menge Ruhm ein. Sicher, schon vorher feierte der Autor Erfolge, etwa mit Frühstück bei Tiffany. Doch es ist sein 1965 veröffentlichter, zweifach verfilmter Tatsachenroman Kaltblütig, der ihn unsterblich machte. Und eben diesen nimmt der Film Capote zum Mittelpunkt und begleitet den US-Amerikaner während seiner jahrelangen Vorbereitungen und Recherchen.
Dass Biopics gern um die bekanntesten Werke herum gestrickt werden, kommt vor, ist letztendlich keine Seltenheit. Bei dem Film hier ging es aber weniger darum, von der Popularität der Vorlage zu profitieren. Vielmehr nimmt er diese zum Anlass, um den Autor vorzustellen. Tatsächlich nimmt das eigentliche Verbrechen einen überraschend geringen Raum in Capote ein. Zwischenzeitlich vergisst man fast, worum es eigentlich geht, erst sehr spät wird einer der Täter darüber reden. Dabei spielt gerade die Verbindung des Autors zu den Mördern eine große Rolle. Im Laufe der Jahre und der vielen Gespräche baut sich eine Beziehung auf, die gar nicht so genau zu definieren ist. Wo endet das berufliche Interesse, beginnt das private? Was genau sucht der Autor, wenn er sich mit den Männern unterhält und dabei insbesondere Smith näherkommt?
Nüchtern und faszinierend
Damit verbunden sind ganz grundsätzliche Fragen über künstlerische wie auch journalistische Arbeit. Beispielsweise kann man darüber diskutieren, wie eng jemand seinem Thema sein muss, sollte und darf. Speziell Werke über das Leid anderer sind zudem zwangsläufig mit einer Form des Voyeurismus verbunden. Aber auch Überlegungen, ob Capote die Mörder einfach nur ausnutzt, drängen sich auf. Der Film formuliert diese Fragen aber nie aus. Er überlässt es dem Publikum, eigene Gedanken anzustrengen und Schlüsse zu suchen. Allgemein ist Regisseur Bennett Miller (Die Kunst zu gewinnen – Moneyball, Foxcatcher) zurückhaltend, betrachtet das Geschehen nüchtern und aus einer gewissen Distanz heraus. Capote ist kein Werk, das auf große Emotionalisierung aus ist, ein entscheidender Unterschied zu vielen True-Crime-Dokus, die ungeniert manipulieren.
Und doch ist der Film fesselnd. Das liegt zum einem an dem Thema. Es liegt aber auch an dem Protagonisten, der mit seiner exaltierten Art und den diversen Manierismen vielleicht nicht sehr sympathisch ist. Zu Beginn können viele der Leute, denen er begegnet, auch nichts mit ihm anfangen. Faszinierend ist der Künstler aber, der so großes Interesse an Menschen hat und deren Bewunderung sucht und doch fremd unter ihnen wirkt. Der hierfür mit einem Oscar gewürdigte Philip Seymour Hoffman spielt seine Rolle mit viel Ambivalenz. Capote zeigt das auf, zeigt aber auch auf, wie sich die jahrelange Arbeit auf ihn auswirkt. Tatsächlich wird die Beschäftigung mit den Männern und ihrer Tat ihn maßgeblich beeinflussen. Kaltblütig wurde der letzte vollendete Roman des Autors, der später seiner Alkohol- und Drogensucht erlag.
OT: „Capote“
Land: USA
Jahr: 2005
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: Dan Futterman
Vorlage: Gerald Clarke
Musik: Mychael Danna
Kamera: Brett Van Dyke
Besetzung: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Clifton Collins Jr., Chris Cooper, Bob Balaban, Bruce Greenwood, Mark Pellegrino
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 2006 | Bester Film | nominiert | |
Beste Regie | Bennett Miller | nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Philip Seymour Hoffman | Sieg | ||
Beste Nebendarstellerin | Catherine Keener | nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Dan Futterman | nominiert | ||
BAFTA | 2006 | Bester Film | nominiert | |
Beste Regie | Bennett Miller | nominiert | ||
Bester Hauptdarsteller | Philip Seymour Hoffman | Sieg | ||
Beste Nebendarstellerin | Catherine Keener | nominiert | ||
Bestes adaptiertes Drehbuch | Dan Futterman | nominiert | ||
Berlinale | 2006 | Goldener Bär | nominiert | |
Golden Globes | 2006 | Bester Hauptdarsteller (Drama) | Philip Seymour Hoffman | Sieg |
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