Nachdem seine Ex-Partnerin durch einen rätselhaften Sturz vom Balkon gestorben ist, steht Odinn Hafsteinsson (Johannes Haukur Johannesson) vor einer doppelten Herausforderung: Er muss sich allein um seine 13-jährige Tochter Rún (Olöf Halla Johannesdottir) kümmern und gleichzeitig beruflich einen belastenden Fall lösen. In der Jugendstrafanstalt Krókur starben in den 1980er-Jahren zwei Insassen unter mysteriösen Umständen, und von der damaligen Haushaltshilfe Aldís (Elín Hall) fehlt seitdem jede Spur. Während Odinn den Fall aufrollt, führen die Spuren immer wieder zu verstörenden Verbindungen zwischen den damaligen Ereignissen und dem Tod seiner Ex-Partnerin.
Zwei Geschichten, eine düstere Atmosphäre
Regisseur Erlingur Thoroddsen (Rift), der hier den Roman Seelen im Eis der isländischen Bestseller-Autorin Yrsa Sigurdardottir adaptiert hat, verwebt zwei Zeitebenen zu einem atmosphärischen Mystery-Thriller, der tief in die Abgründe menschlichen Verhaltens eintaucht. Cold – Tod im Eis erzählt seine Geschichte nämlich in zwei Erzählsträngen, die sich erst langsam annähern. In der Vergangenheit begegnen wir einem Jugendheim, in dem das christlich scheinende Leiterpaar Lilja (Selma Björnsdóttir) und Veigar (Björn Stefánsson) mit erschreckender Kälte und Grausamkeit regiert. In der Gegenwart kämpft Odinn nicht nur mit seiner Rolle als Vater und den psychischen Folgen, den der Verlust der Mutter bei seiner Tochter hinterlassen hat, sondern muss auch die schmerzhaften Enthüllungen des Falles verarbeiten.
Der Wechsel zwischen den Zeitebenen funktioniert dank kluger Schnitte und sorgfältiger Inszenierung. Eine Parallelmontage, in der Aldís und Odinn denselben Raum mit 40 Jahren Unterschied durchsuchen, gehört zu den stärksten Momenten des Films. Doch während die in der Vergangenheit spielenden Szenen durch Spannung und emotionalen Druck überzeugen, ziehen sich die Handlungen der Gegenwartsebene stellenweise in die Länge.
Unheimliche Elemente wie klappernde Fenster, klopfende Türen und gespenstische Schatten durchziehen den Film, doch sie dienen weniger dem Horror als der Darstellung innerer Konflikte. Rún sieht ihre verstorbene Mutter in Träumen und Visionen, was sowohl auf übernatürliche Ursachen als auch auf ihre psychischen Belastungen hinweisen könnte. Thoroddsen deutet bewusst an, lässt die Interpretation aber offen. Diese Symbolik ist reizvoll, nimmt dem Film jedoch an einigen Stellen den Schrecken, da das Übernatürliche zu offensichtlich als Metapher für mentale Probleme erkennbar ist.
Nordic Noir in Reinform
Cold – Tod im Eis ist ein typischer Vertreter des Nordic Noir: langsam erzählt, von psychologischer Tiefe geprägt und mit einer unbarmherzigen Kälte. Der Film zeigt eine Gesellschaft, in der Erwachsene ihre Macht oft missbrauchen und Kinder mit Gewalt und Vernachlässigung groß werden. Diese thematische Schwere wird durch eine stimmige Bildsprache und eine melancholische Inszenierung verstärkt. Gleichzeitig bleibt der Film in seiner unaufgeregten Erzählweise etwas zu beschaulich und traut sich nicht, die Grenze zwischen Realität und Übernatürlichem wirklich zu überschreiten.
Dazu tragen die Schauspielerleistungen den Film, wobei die Darstellerinnen klar herausstechen. Elín Hall als Aldís beeindruckt mit einer emotional aufgeladenen und nuancierten Performance, die ihrer Figur Tiefe verleiht und sie zur tragischen Heldin der Rückblenden macht. Auch Selma Björnsdóttir und Halldóra Geirhardsdóttir überzeugen mit starken Nebenrollen, die das moralische Spektrum des Films erweitern. Im Vergleich dazu bleibt Hauptdarsteller Johannesson als Odinn erstaunlich blass. Obwohl er durch internationale Serien wie Succession und Vikings: Valhalla bekannt ist, gelingt es ihm nicht, den inneren Konflikt seiner Figur vollständig greifbar zu machen, was besonders in den emotionalen Höhepunkten des Films auffällt.
OT: „Kuldi“
Land: Island
Jahr: 2023
Regie: Erlingur Thoroddsen
Drehbuch: Erlingur Thoroddsen
Vorlage: Yrsa Sigurdardottir
Musik: Einar Sv. Tryggvason
Kamera: Brecht Goyvaerts
Besetzung: Johannes Haukur Johannesson, Elin Hall, Selma Björnsdottir, Mikael Kaaber, Halldora Geirhardsdottir, Sara Dögg Asgeirsdottir, Olöf Halla Johannesdottir, Björn Stefansson
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