Das Klezmer Projekt
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Das Klezmer Projekt

„Das Klezmer Projekt“ // Deutschland-Start: 30. Mai 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der argentinische Hochzeitskameramann Leandro Koch lernt bei einer Trauung die Klarinettistin Paloma Schachmann kennen – und verliebt sich so in sie, dass er vorgibt, einen Dokumentarfilm über jiddische Klezmer-Musik zu drehen, um mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Diese kleine Lüge lässt den bislang eher nicht traditionsbewussten Leandro immer tiefer in die jiddische Kultur eindringen: Angefangen bei seiner Oma (Rebeca Yanover), die in Bessarabien, der heutigen Republik Moldau, aufwuchs, bis hin zu einem Roadtrip nach Österreich, Rumänien und in die Ukraine, erforscht und erfragt er weitere Details dieser profanen jüdischen Musikform und bringt es dank dem Produzenten Lukas Valenta Rinner zu einer Förderung durch den ORF. Parallel zum Geschehen wird eine alte jiddische Geschichte, die sich um die Liebe zwischen dem Totengräber Yankel und der Rabbinertochter Taibele dreht, von der Erzählerin (Perla Sneh) vorgelesen.

Musikalische Spurensuche

Was denn nun genau Klezmer (aus dem Jiddischen: „Gefäß des Liedes“) ist, erfährt man bis zum Schluss nicht wirklich. Eine nähere Internet-Recherche sagt: Es ist eine jiddische Volksmusiktradition, die vor allem auf Hochzeiten vorherrschend ist, hauptsächlich instrumental gespielt wird und eher heiter klingt. Klarinettistin Paloma gehört eben solch einem Ensemble an, zieht auf einer Hochzeit Leandros Aufmerksamkeit auf sich und fungiert seitdem eher passiv; der Fokus liegt klar auf Leandro, der mit seiner Lüge wirklich all in geht und keine Kosten und Mühen scheut, mehr über dieses Stück Kultur zu erfahren, selbst nachdem er Paloma nähergekommen ist. Dabei geht es auch nicht rein um Klezmer, denn über die Filmlaufzeit von knapp zwei Stunden werden viele weitere jiddische Begriffe und Informationen eingestreut, die dann ebenso nicht weiter erläutert werden. Also bringt man entweder schon Vorkenntnisse mit, oder pausiert den Film immer mal wieder, um mehr über diese Begrifflichkeiten zu ergooglen, was durchaus lehrreich sein kann.

Eine große Rolle für den Übergang zwischen Tradition und Moderne spielt die Erzählstimme, die sich als „Satan“ präsentiert und über den Film hinweg die parallel zur Romanze zwischen Paloma und Leandro verlaufende Story über Yankel und Taibele mit einfließen lässt. Ein erfrischendes, oftmals die vierte Wand durchbrechendes Voiceover, das geschickt über jiddische Bräuche und Verhaltensweisen berichtet, ohne jemals belehrend zu wirken oder das aktuelle Geschehen zu stören. Generell nimmt Das Klezmer Projekt die Zuschauenden mit auf eine Reise durch ein nischig anmutendes Interesse, hat dabei durchweg einen dokumentarischen Touch, der von intimeren Momenten und heiteren Situationen aufgelockert wird, selbst wenn es um schwere Schicksale geht, ohne diese ins Lächerliche zu ziehen.

Herzlich, warm und vielschichtig

Das Klezmer Projekt ist vor allem eins: zutiefst menschlich. Dass visuell nicht immer alles perfekt durchgestylt ist und der ein oder andere nicht ganz so spannende Shot auftaucht, bringt eine weitere Ebene des Selbstgemachten in einen Film, der äußerst gelungen verschiedene Elemente miteinander verwebt: Kultur, Vergangenheit, Gegenwart, Realität, Fiktion, Romanze und Roadtrip. Für manche eine Mammutaufgabe, bei den argentinischen Filmschaffenden Schachmann und Koch wirkt es aber sehr natürlich und authentisch. Ästhetisch hat diese Ode an das jiddische Leben auch einiges zu bieten, wie z.B. den wimmelbildartigen Anfang, pulsierende Nachtclubszenen oder farbenfrohe Aufnahmen osteuropäischer Dörfer, während Momente mit der Erzählerin wie ein polierter Fernsehbeitrag aussehen. Trotz der Absurdität der Prämisse wird ein Bewusstsein für eine bedrohte Kultur geschaffen, die dank schöner musikalischer Einlagen und den Erinnerungen älterer Menschen lebendig bleibt. Auf realistische und bodenständige Weise geht es auf zu einer hoffnungsvollen, melancholisch mäandernden Spurensuche, die gegen Ende allerdings etwas redundant wird. Charmant bleibt Das Klezmer Projekt dabei allemal.

Credits

OT: „Adentro mío estoy bailando“
Land: Österreich, Argentinien
Jahr: 2023
Regie: Leandro Koch, Paloma Schachmann
Drehbuch: Leandro Koch, Paloma Schachmann
Musik: Paloma Schachmann, Nahuel Palenque
Kamera: Roman Kasseroler, Leandro Koch
Besetzung: Leandro Koch, Paloma Schachmann, Perla Sneh, Lukas Valenta Rinner, Rebeca Yanover, Bob Cohen

Bilder

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2023

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Das Klezmer Projekt
fazit
Das Spielfilmdebut von Paloma Schachmann und Leandro Koch überzeugt mit einer innovativen, hybriden Herangehensweise an die Welt jiddischer Traditionen, die in Vergessenheit zu geraten drohen. Voller Wärme und Leichtigkeit verliert „Das Klezmer Projekt“ einen auch in langatmigeren Passagen zwar nicht, hätte jedoch mit einer knackigeren Struktur und einem höheren Informationsgehalt noch besser sein können.
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