Bislang hatte der Junge eigentlich immer fest an die Existenz des Weihnachtsmanns geglaubt. Doch inzwischen sind ihm Zweifel gekommen, der Glaube kommt ihm abhanden. Umso größer ist die Überraschung, als am Abend vor Weihnachten ein Zug direkt vor seinem Haus hält, von dem es heißt, er würde zum Weihnachtsmann am Nordpol fahren. Der Junge ist skeptisch, weiß nicht so wirklich, was er damit anfangen soll. Dennoch beschließt er, sich auf das Abenteuer einzulassen und an Bord zu gehen. Dort trifft er die unterschiedlichsten Kinder, die alle unterwegs aufgelesen wurden. Und es wird noch ein weiterer Junge eingeladen. Doch die Fahrt stellt sich mehrfach als schwierig heraus und die Kinder müssen all ihren Mut – und ihren Glauben – zusammennehmen, um ans Ziel zu kommen …
Kinderbuch-Adaption auf ungewohnten Wegen
Auch wenn Robert Zemeckis irgendwann das Glück verließ, seine Filme kommerziell und künstlerisch nicht mehr an seine Hits aus den 1980ern und 1990ern anknüpfen konnten, kann man dem Regisseur kaum zum Vorwurf machen, dass er es sich bequem machte. Ständig wechselte er die Genres, war auch gewillt, Experimente einzugehen. Da war etwa die schräge Tragikomödie Willkommen in Marwen (2019) über einen Mann, der ins Koma geprügelt wurde und Heilung durch die Beschäftigung mit Puppen fand. Zuletzt irritierte er durch die Comic-Adaption Here (2024), das mit einer starren Kamera von den unterschiedlichsten Menschen erzählte, die im Laufe der Jahrhunderte in einem Haus lebten. Und auch mit Der Polarexpress ging er 2004 ein Wagnis ein, das sich vielleicht nicht auszahlte, dabei aber auf jeden Fall faszinierend war.
Dabei war die Geschichte eigentlich bewährt. Genauer adaptierte er das 1985 veröffentlichte gleichnamige Kinderbuch von Chris Van Allsburg, der auch die Vorlage für die beliebten Jumanji Filme lieferte. Anstatt das Werk aber als regulären Realfilm zu drehen, wandte er sich der Computeranimation zu. Genauer wandte er die Technik des Motion Capture an, bei dem Menschen in spezielle Anzüge gesteckt werden und deren Bewegungen später animiert werden. Die Animation sind dann entsprechend auch von einer beeindruckenden Flüssigkeit, der Film ist deutlich realistischer, als es herkömmliche Animationsfilme sind. Das ist jedoch nicht immer von Vorteil. Ein bisschen unheimlich sind die Figuren in Der Polarexpress schon. Hinzu kommt das Problem, dass die Mimik nicht mithalten kann, einiges doch zu hölzern ist. Außerdem sieht der Film an vielen Stellen eher nach einem Computerspiel aus.
Großer Aufwand mit wenig Aussage
Dafür sind die Landschaften überwältigend. Vor allem die Abschnitte, wenn wir noch mit dem Zug unterwegs sind, können sich auch zwei Jahrzehnte später noch sehen lassen. Diese sind teils recht unheimlich gehalten, gerade wenn wir durch die Dunkelheit fahren und man das Gefühl hat, dass da draußen das Böse lauert. Der Polarexpress sieht dann immer so aus, als wäre er einem Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba – The Movie: Mugen Train näher als einem klassischen Kinderfilm. Und doch ist das atmosphärisch gut gelöst, hat oft etwas Traumartiges bis Surreales, wenn die Kinder seltsame Erfahrungen machen. Die Geschichte bewegt sich dabei jedoch nicht so wirklich voran, die Dynamik des Zugs, in dem ständig etwas geschieht, steht in keinem Verhältnis zu der des Inhalts.
Allgemein sollte man von Letzterem nicht viel erwarten. Nicht nur, dass die Geschichte so dünn ist, dass sie kaum ausreicht, um die anderthalb Stunden zu füllen. Sie hat auch keine wirkliche Aussage. Ein bisschen geht es dann zwar um klassische Tugenden wie Hilfsbereitschaft, was nie ganz verkehrt ist. Am Ende läuft es aber primär darauf hinaus, dass der Junge wieder Glauben fassen soll und dieser mit den Jahren automatisch weniger wird. Irgendwie ist es natürlich schon schön, wenn Der Polarexpress dem Publikum mit auf den Weg gibt, mit staunenden Augen durch die Welt zu laufen und offen zu sein. Wenn es aber nur darauf hinausläuft, dass es den Weihnachtsmann doch gibt, hält sich der Nutzen in Grenzen. Dennoch, das ursprünglich böse gefloppte, später stärker wertgeschätzte Animationsabenteuer hat seinen ganz eigenen Reiz und sticht aus der Masse an Weihnachtsfilmen hervor.
OT: „The Polar Express“
Land: USA
Jahr: 2004
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Robert Zemeckis, William Broyles Jr.
Vorlage: Chris Van Allsburg
Musik: Alan Silvestri
Kamera: Don Burgess, Robert Presley
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 2005 | Bestes Lied | Glen Ballard, Alan Silvestri // „Believe“ | nominiert |
Bester Ton | William B. Kaplan, Randy Thom, Tom Johnson, Dennis S. Sands | nominiert | ||
Bester Tonschnitt | Randy Thom, Dennis Leonard | nominiert | ||
Golden Globes | 2005 | Bestes Lied | Glen Ballard, Alan Silvestri // „Believe“ | nominiert |
Amazon (DVD „Der Polarexpress“)
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