Der Tod seiner Ehefrau hat den Rabbiner ziemlich aus der Bahn geworfen. Nicht nur, dass er schauen muss, wie er seinen Alltag ohne diese meistert. Er muss sich auch allein um seine kleine Tochter Zlabya kümmern. Damit diese Gesellschaft hat, besorgt er ihr einen kleinen Kater, auf diese Weise wäre sie weniger allein. Dabei ahnt er noch nicht, was er damit anstellen wird. Schließlich hat dieses Tier seinen eigenen Kopf. Vor allem hat es eine ganz besondere Gabe: Nachdem es einen sprechenden Papagei verputzt hat, ist die Katze plötzlich selbst der menschlichen Sprache mächtig. Das nutzt diese auch kräftig, zum Leidwesen des Rabbiners, der sich seither mit dem naseweisen Vieh herumärgert. Gleichzeitig wird das neue Familienmitglied zu einem treuen Freund der Tochter, selbst als diese schon erwachsen ist …
Reise in die Vergangenheit
Joann Sfar hat im Laufe seiner Karriere natürlich die unterschiedlichsten Comics gezeichnet und geschrieben. Da war beispielsweise das charmante Kinderabenteuer Desmodus der Vampir geht zur Schule um einen jungen Vampir, der sich danach sehnt, ein ganz normales Leben zu führen. Das wenig kindertaugliche Klezmer wiederum erzählte von einer wild zusammengewürfelten Musiktruppe. Der vermutlich bekannteste Titel ist aber bis heute Die Katze des Rabbiners. 2004 hat der Franzose die erst Geschichte um das vorlaute Tier veröffentlicht, noch immer arbeitet er an neuen Abenteuern. Oder manchmal auch an alten Abenteuern. Zumindest im vierten Sammelband tritt Sfar gleich zweimal eine Reise in die Vergangenheit an und erzählt von Ereignissen, die weit vor denen stattgefunden haben, von denen in den bisherigen Bänden die Rede war.
Für Fans besonders interessant ist dabei Die Königin Sabbat. Darin geht es darum, wie die Katze Teil des Haushalts wurde. Große neue Erkenntnisse sollte man davon aber nicht erwarten. Dass das namenlose Tier einen Papagei gefressen hat und dadurch das Sprechen lernte, ist von Anfang an bekannt gewesen. Neu ist bei Die Katze des Rabbiners lediglich, dass wir mehr von der Trauer erfahren, welche Vater und Tochter seit dem Tod der Mutter durchleben mussten. Die Geschichte setzt kurze Zeit nach diesem an und zeigt, wie der Vater sich schwer damit tut, dem Mädchen die neue Realität begreiflich zu machen. Diese stärkere Emotionalität wird aber nicht bis zum Schluss beibehalten. Stattdessen gibt es das, wofür wir die Katze und damit auch die Comic-Reihe lieben, wenn die Samtpfote unflätiges Zeug von sich gibt, schamlos lügt, besitzergreifend wird – aber auch interessante Diskussionen anstößt, wenn sie als außenstehendes Wesen das sonderbare Verhalten der Menschen und ihre nicht immer einleuchtende Religion zu verstehen versucht.
Komisch und erhellend
Bei Geht zurück nach Hause! nimmt die kultige Katze einen geringeren Raum ein. Sie ist zwar ebenfalls dabei und sich für keinen abschätzigen Kommentar gut. Stärker als die erste Geschichte geht es diesmal aber um die Gesellschaft sowie historische Aspekte. Auch dieses Mal gibt es einen Rückblick, wenn Zlabya ihrem verblüfften und misstrauischen Mann von einer früheren romantischen Begegnung erzählt. Dabei geht es aber nicht um die Beziehung an sich. Vielmehr nimmt Die Katze des Rabbiners das zum Anlass, um wieder von dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung zu erzählen und wie diese in verschiedenen Ländern behandelt wird. Aufhänger ist eine Reise nach Israel, was mit diversen kuriosen Erfahrungen einhergeht, einer Reihe von schlechten auch.
Und doch ist der Comic wie schon bei den vorherigen Bänden nicht einfach wehleidig oder klagend, sondern mit viel Humor verbunden. Sfar macht sich gern mal über seine Figuren lustig, arbeitet mit Überzeichnungen, um zugleich große Themen anzusprechen. Das macht Die Katze des Rabbiners auch zwei Jahrzehnte nach dem Start lesenswert, wenn man sich hier gleichzeitig gut unterhalten fühlt und doch Einblicke in eine fremde Welt und eine vergangene Zeit erhält. Die Optik hat sich dabei in all der Zeit nicht wirklich verändert. Noch immer gibt es ausdrucksstarke Zeichnungen mit vielen Details, die gern auch mal etwas skizzenhaft und schräg wirken, mit Panels, die mal strikt sind, mal etwas unförmig. So wie der Comic insgesamt gern mal Regeln missachtet und sein eigenes Ding durchzieht. Normen sind nun einmal dafür da, hinterfragt zu werden – ob nun durch die Katze oder Sfar.
OT: „Le Chat du rabbin“
Text: Joann Sfar
Zeichnungen: Joann Sfar
Land: Frankreich
Jahr: 2019/2020
Amazon (Comic „Die Katze des Rabbiners – Sammelband 4“)
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)