In der japanischen Kultur haben Katzen eine besondere Bedeutung. Dies beginnt bei den mittlerweile international bekannten Katzencafes bis hin zu Maneki-neko, der allseits bekannten winkenden Glückskatze, und endet bei Hello Kitty und Doraemon. Diese Phänomene und Figuren streifen aber lediglich die Oberfläche dieses Bestandteils der japanischen Kulturgeschichte, von der man noch heute an vielen Schreinen und Tempeln einen Eindruck erhält. Katzen sind weit mehr als Haustiere und die Begleiter des Menschen, denn sie gelten als Beschützer und Glücksbringer, weshalb es als gutes Omen angesehen wird, wenn man sie gerade an heiligen Stellen wie einem Shinto-Schrein antrifft. In der kleinen Hafenstadt Ushimado in der Präfektur Okyama ist ein solcher Schrein zu finden, der aufgrund der Vielzahl der Katzen, die um ihn herum zu finden sind, in Japan und weit über die Landesgrenzen hinaus als „Katzenschrein“ bekannt ist. In seinem Dokumentarfilm Die Katzen von Gokogu-Schrein zeigt Regisseur Kazuhiro Soda (Inland Sea, Oyster Factory), wie die Tiere und die Menschen zusammen leben, welche Rolle sie im Mikrokosmos der Bewohner Ushimados einnehmen und was sie uns über die japanischen Gesellschaft als solche verraten können.
Bereits in seiner Dokumentation Peace spielten Katzen eine wichtige Rolle, doch in Die Katzen am Gokogu-Schrein geht Soda noch einen Schritt weiter. Sein Film folgt dabei den Regeln für das Drehen einer Dokumentation, die sich Soda selbst auferlegt hat. Vorher recherchierte er nicht, führte selbst die Kamera und nutzte weder Musik noch andere Mittel, um den Film, wie er es beschreibt, zu verändern. Die Katzen vom Gokogu-Schrein folgt daher einem naturalistischen Ansatz, der durch die Beobachtung des Banalen Wahrheiten über Menschen, Orte und die Gesellschaft abbildet, wobei auch der Zuschauer natürlich mit wachem Auge alles beobachten muss. Manche Momente sind dabei besonders berührend, andere wieder sehr traurig oder gar grausam, doch alles ist inbegriffen in einem Film, der sich vom Tempo der Welt leiten lässt, die er beobachtet.
Beobachtender Film Nr.10
Eine Gruppe von Fischern trifft sich, wie jeden Tag, an einem Parkplatz in der Nähe des Schreins und direkt am Meer. Dort können sie gemütlich angeln, wie einer von ihnen Soda versichert, und nach einer Weile schnell wieder in ihr Auto steigen und den Heimweg antreten. Ein Nachteil, an den sie Angler sich aber schon längst gewöhnt haben, sind die Katzen, die vom Schrein zu ihnen herunter auf den Parkplatz kommen und geduldig darauf warten, dass der ein oder andere Leckerbissen für sie abfällt, den sie dann entweder selbst fressen oder zu ihren Katzenjungen bringen. Wie viele Momente in Die Katzen vom Gokogu-Schrein sind auch diese Augenblicke zunächst eine Art Postkarten-Idylle oder verdächtig nahe an jenen lustigen Katzenvideos, die man auf Videoplattformen im Internet findet. Man kann Sodas Film natürlich auf dieser Ebene betrachten und wird diesen als einen etwas zu lang geratenen, immer wieder sehr drolligen Film wahrnehmen. Dies ist aber nur die Oberfläche, denn in der Beobachtung liegt nicht nur das inszenatorische Prinzip des Regisseurs, sondern auch der Schlüssel, der zu einer anderen, tieferen Wahrheit vordringt, die sich in diesen Bildern offenbart, wenn man sie nur wirken lässt.
Soda zeigt ein ganzes Jahr im Leben der Tiere und der Bewohner des Hafenstädtchens und zeigt auf, wie ihre beiden Existenzen unweigerlich miteinander verbunden sind. Wir sehen, wie ein Team von Helfern die Katzen einfängt, damit ein paar von ihnen vom Tierarzt durchgecheckt werden können, während andere sich um die Pflanzen rund um den Tempel kümmern. Es ist für alle von ihnen eine zusätzliche Arbeit, für die sie keinen Lohn erhalten, aber für die sie sehr viel Zeit opfern. Eine der Helferinnen hat ein schlechtes Gewissen, ob die Tiere ihr noch trauen werden, nachdem sie sie eingefangen hat, und ein älterer Herr wiederum betont gegenüber Soda, dass er eigentlich keine Tiere möge, die Katzen des Schreins hingegen mit Respekt behandle. Mit der Zeit merkt man, wie die Bilder und die Momente, die der Regisseur einfängt, sich zu einem kulturellen und gesellschaftlichen Narrativ über Veränderung und Tradition vereinen, zu einem Plädoyer für die Entschleunigung des Lebens und dem Innehalten.
OT: „Gogoku no neko“
Land: Japan
Jahr: 2024
Regie: Kazuhiro Soda
Kamera: Kazuhiro Soda
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