Die Überraschung ist groß bei Ruy Duarte de Carvalho (João Pedro Vaz), als er erfährt, dass sein verstorbener Vater Dokumente hinterlassen haben soll, die irgendwo in der Namib-Wüste versteckt sind. Dokumente, die einen großen Wert haben, heißt es doch, dass sie den Weg zu einem Schatz weisen. Aber stimmt das auch? Und wenn ja, wie soll er an diese Papiere kommen? Ein Versuch wäre es auf jeden Fall wert. Und so beschließen der 60-Jährige und sein Freund und Koch Jonas Trindade (David Caracol), durch Angola zu reisen und die Unterlagen zu suchen. Dabei lernen sie den Einheimischen Severo da Silva (Carlos Agualusa) kennen und erfahren eine Menge über das Land, die Leute und die wechselhafte Geschichte Angolas …
Nur vordergründig ein Abenteuer
Donnerstagabend gibt es bei arte traditionell Serien zu sehen. Viele davon sind recht düster gehalten. So wurde kürzlich die Romanadaption Evil auf diesem Sendeplatz ausgestrahlt, bei der es unter anderem um Brutalität in einem Internat sowie in einer Familie ging. Davor gab es den True-Crime-Beitrag Der Code des Killers über die Anstrengungen der Polizei, den Mörder und Vergewaltiger einer Jugendlichen zu finden. Richtig harter Stoff also. Aber das mit den Abgründen ist kein Muss, dann und wann finden sich auch ganz andere Serien im Programm. Zu diesen darf man auch die portugiesische Produktion Die Papiere des Engländers zählen, bei der das Publikum zwei Männern folgen darf, die nach verschollenen Dokumenten und einem Schatz suchen. Ganz ohne Gewalt, Tote oder irgendwelche seelischen Abgründe.
Das braucht es auch nicht, die Serie ist auch ohne spannend. Dabei sollte man aber nicht mit falschen Erwartungen den Fernseher einschalten. Vordergründig handelt es sich bei Die Papiere des Engländers natürlich schon um ein Abenteuer, wenn zwei Männer durchs Land reisen und nach einem versteckten Schatz suchen. Und doch kann man sich darüber streiten, ob das hier wirklich ein Genrevertreter ist. Hier geht es weniger darum, irgendwelche großen Gefahren zu überwinden. Die zwei turnen auch nicht durch alte Ruinen, um dort irgendwelche Inschriften zu begutachten. Wenn sie durch die Gegend reisen, geraten sie nicht in brenzlige Situationen. Es ist nicht einmal so, dass der Schatz wirklich von Bedeutung ist. Natürlich wird er hier zum Anlass für die Reise, ist aber über weite Strecken ein bloßer MacGuffin, ein Mittel zum Zweck.
Nachdenkliches Drama
Stattdessen befasst sich die Serie, die auf der Lebensgeschichte von Ruy Duarte de Carvalho basiert, in erster Linie mit dem Land Angola. Wenn die beiden Protagonisten umherstreifen, erfahren sie mehr über den afrikanischen Staat, der mehrere Jahrzehnte lang eine portugiesische Kolonie war. Zwar liegt deren Ende bald 50 Jahre zurück. Doch die Auswirkungen sind noch immer zu spüren, zumindest im Jahr 1999, in dem Die Papiere des Engländers spielt. Die Suche nach den verschwundenen Papieren geht mit einer Art Zeitreise einher, wenn es um die Veränderungen in dem Land geht. Aber eben auch um die Menschen, die dort leben, ihre Kultur, die Ansichten und Hoffnungen, die sie mit sich tragen.
Statt eines Abenteuers ist das hier daher ein nachdenkliches Drama, bei dem es sehr persönlich zugeht. Die Suche nach dem Schatz, sie ist auch eine Suche nach Identität – sowohl für die Einheimischen wie auch die europäischen. Das kann spannend sein, zumindest für ein Publikum, das sich entweder für das Land interessiert oder auch für existenzielle Fragen. Hinzu kommen die Aufnahmen von dort, auch das macht Die Papiere des Engländers sehenswert. Aber es handelt sich eben um ein recht ruhiges Werk, auf das man sich einlassen können muss. Wer das nicht kann, wird sich hier vermutlich langweilen. Eine klassische Schatzsuche ist das nicht, auch wenn das Szenario einen das erwarten lässt.
OT: „Os Papéis do Inglês“
IT: „The Englishman’s Papers“
Land: Portugal
Jahr: 2024
Regie: Sérgio Graciano
Drehbuch: José Eduardo Agualusa
Vorlage: Ruy Duarte de Carvalho
Kamera: Mário Castanheira
Besetzung: João Pedro Vaz, David Caracol, Domingos Joaquim Pedro, Carlos Agualusa, Délcio Rodrigues
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