So richtig aufregend ist das Leben von Ann (Joanna Arnow) ja nicht gerade. Zumindest sie selbst ist davon ziemlich gelangweilt, und das wirklich in jeder Hinsicht. Ob es nun ihre Beziehung zu Allen (Scott Cohen) ist oder die Arbeit in einem kleinen mittelständischen Unternehmen – nichts geht voran. Sie wird auch nicht wirklich wahrgenommen, was sie immer mal wieder irritiert. Es ist, als wäre sie gar nicht da. Und so steht für sie fest, dass sie etwas unternehmen und aktiver werden muss. Also beginnt sie, nebenher noch andere Männer zu treffen, die so wie Allen Teil der BDSM-Szene sind. Aber auch damit tut sie sich schwer, irgendwie will da nicht der Richtige dabei sein …
BDSM-Sex aus Langeweile
Viele Menschen kommen irgendwann an dem Punkt in ihrem Leben an, an dem sie denken: Ist das schon alles? Habe ich nicht mehr verdient als das? Dieses Gefühl ist so universell, dass regelmäßig Filme gedreht werden, die einen solchen potenziellen Wendepunkt thematisieren. In den letzten Jahren hat es beispielsweise eine Reihe von Titeln gegeben, in denen Figuren jenseits der 70 sich noch einmal neu finden und kennenlernen. Britt-Marie war hier und Tanz ins Leben waren Beispiele dafür. Dort waren es jeweils Seniorinnen, die erkennen mussten, dass ihre Männer sie betrogen, was immer ein guter Anlass ist, um alles zu überdenken. Aber es braucht gar nicht einen solchen Katalysator, damit die Charaktere in Krisen rutschen, wie die Geschichten um Männer in der Midlife-Crisis demonstrieren.
Eine ganz eigene Version einer solchen Krise findet das Publikum auch in Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist. Auch wenn der Titel das einen vermuten lassen könnte, geht es hier nicht um jemanden, der Torschlusspanik hat. Dafür ist Ann zu jung, sie ist gerade mal in den 30ern. Einen Katalysator für die Selbstzweifel gibt es nicht, es ist eher eine Folge von Ereignissen – und Nicht-Ereignissen –, welche die Protagonistin dazu veranlassen, den Trott hinter sich zu lassen. Während bei den obigen Beispielen die Frauen eine neue Aufgabe suchten und sich deshalb als Fußballtrainerin bzw. Tänzerin versuchten, da bleibt Ann prinzipiell nah bei dem, was sie schon kennt. Sie sucht auch weiterhin Männer mit besonderen sexuellen Vorlieben, bei denen sie an ihre Grenzen gehen und sich selbst erfahren kann.
Skurril statt erotisch
Das klingt verrucht, nach einem Tabubruch gar. Wo andere Filme, die sich um solche BDSM-Spiele drehten, daraus aber einen Nervenkitzel abzuleiten versuchten, da ist Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist deutlich nüchterner. Und komischer. Einige Momente, in denen Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Joanna Arnow entsprechende Szenen zeigt, fallen durch ihre mangelnde Emotionalität auf. Geradezu monoton ist es, wenn aus der Grenzüberschreitung eine Routine geworden ist. Andere Momente sind eher kurios. Wer sich prickelnde Erotik erhofft, braucht das hier hingegen erst gar nicht anzuschauen. Wobei nicht ganz klar wird, ob die Filmemacherin sich damit tatsächlich über die Szene und die Bedürfnisse lustig machen will oder ob das vielmehr allgemein Ausdruck ihres trockenen Humors ist, vor dem hier niemand sicher ist.
Das wird nicht allen gefallen. Die Komödie, die 2023 bei der Directors‘ Fortnight in Cannes Premiere hatte und anschließend auf mehreren anderen Festivals zu sehen war, verwendet schon eine recht spezielle Komik. Und auch wenn das Gefühl festzustecken ein sehr universelles ist, ganz einfach ist es nicht, sich in der Protagonistin wiederzufinden. Zwischendurch wird es auch ein wenig zäh, obwohl der Film mit einer Laufzeit von nicht einmal 90 Minuten eigentlich recht kurz ist. Dafür wird es zum Ende hin ganz schön, wenn Ann bei der Suche doch noch Glück hat. Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist wird dabei dann zwar schon etwas konventioneller, was manche enttäuschen könnte. Insgesamt ist der Film aber auf eine sympathische Weise skurril, wenn er inmitten des Alltags das Leben sucht und dabei den einen oder anderen Umweg macht.
OT: „The Feeling That the Time for Doing Something Has Passed“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Joanna Arnow
Drehbuch: Joanna Arnow
Kamera: Barton Cortright
Besetzung: Joanna Arnow, Scott Cohen, Alysia Reiner, Parish Bradley
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