Als Al (Paul Bettany) und Rose Young (Kelly Reilly) 1945 das Haus beziehen, hat es bereits eine lange Vorgeschichte und bewegte Vergangenheit. Doch das junge Paar will davon nichts wissen. Vielmehr will es all das hinter sich lassen, will den Schrecken des Zweiten Weltkriegs vergessen und ein neues Leben beginnen. Sie gründen eine Familie, drei Kinder werden sie am Ende haben. Eines davon, Richard (Tom Hanks), wird später selbst einmal in dem Haus leben, gemeinsam mit seiner Frau Margaret (Robin Wright). Sie werden glückliche Tage dort verbringen, aber auch weniger glückliche. So wie die meisten Menschen, die im Lauf der Jahrhunderte an diesem Ort leben, der zu einem Zeuge der Veränderung wird …
Ein Ort als Zeuge der Zeit
In den 1980ern und 1990ern zählte Robert Zemeckis zu den ganz Großen in Hollywood. Ob die Zeitreise-Trilogie Zurück in die Zukunft, der Live-Action-Animationsmix Falsches Spiel mit Roger Rabbit oder das Langzeitporträt Forrest Gump, das war schon ein sehr beeindruckender Lauf. In den letzten Jahren läuft er diesen einstigen Erfolgen aber hinterher. Erfolglos: Seine Werke floppen, die einen mehr, die anderen weniger. Auch die Kritiken fallen bescheiden aus. Die Zeit, in der ein neuer Film des US-Amerikaners ein Event war, die liegt lange zurück. Bei Here gibt es immerhin wieder ein bisschen Aufmerksamkeit. Das liegt zum einen an der Besetzung, wenn mit Tom Hanks und Robin Wright das Traumpaar aus Forrest Gump wieder vor die Kamera tritt. Aber auch die digitalen Eingriffe, welche das Ensemble je nach Szene älter oder jünger machten, brachten vorab Publicity – wenn auch nicht immer die beste.
Es gibt dabei noch einen anderen Faktor, der an den obigen mit sechs Oscars ausgezeichneten Blockbuster erinnert. Beide Filme sind ein Spiegel der US-amerikanischen Gesellschaft und versuchen sich daran, die neuere Geschichte der Vereinigten Staaten durch einen spezifischen Blickwinkel darzustellen. Der Clou: Während es bei dem inzwischen 30 Jahre alten Hit der titelgebende Protagonist war, um den herum sich alles verändert, da ist es in Here ein Haus. Richard McGuire, auf dessen Graphic Novel der Film basiert, nimmt einen Ort, um damit den Wandel des Landes zu veranschaulichen. Zemeckis spannt dabei einen besonders großen Bogen, fängt bei den Dinosauriern an, geht über eine Zeit, in der indigene Völker das Land bewohnten, endet in der Gegenwart, die Corona-Pandemie wird zum Hintergrund der Moderne. Der Ort bleibt gleich, die Menschen werden ausgetauscht.
Interessantes Konzept
Diese Entwicklung wird aber nicht chronologisch abgearbeitet. Stattdessen springt Zemeckis munter durch die Zeit, erzählt mal ein bisschen von einer Familie, wechselt zur nächsten, nur um dann doch wieder in die Vergangenheit zurückzukehren. Die Perspektive ist hingegen starr. Wie in einem Theaterstück ist der Schauplatz von Here fest. Bei einigen der älteren Einblicke steht das Haus noch nicht, wodurch es zumindest in der Hinsicht ein bisschen Abwechslung gibt. Bei den später einsetzenden Szenen tut sich hingegen beim Fundament nicht viel, nur die wechselnde Inneneinrichtung verdeutlicht den Lauf der Zeit. Das wird manchen zu wenig sein, die Regungslosigkeit irritiert. Und doch ist der Einfall interessant, zeigt auch sehr schön den Kontrast auf. Was für das Individuum wichtig und groß ist, wird im Kontext der Jahrzehnte und Jahrhunderte zu einer Fußnote. Das Leben geht weiter, selbst wenn es ganz anders aussieht.
Leider traute man sich bei Here aber nicht, das Konzept wirklich konsequent durchzuziehen. Anstatt diese Momentaufnahmen gleichberechtigt gegenüberzustellen, werden dann doch die Youngs zu den Hauptfiguren gemacht. Der Film geht dann von Makrobeobachtung zur Mikrovariante über. Auch das ist streckenweise sehenswert, wenn kurze Szenen von ganz menschlichen Schicksalen berichten, vom Altern, von Konflikten, die ausgetragen werden. Gerade auch das Platzen von Träumen spielt dabei eine große Rolle. Beruflich wie privat haben sie sich das alles ganz anders vorgestellt. Da sind Momente des Glücks dabei, aber auch solche der Enttäuschung und der Verbitterung – wie das Leben eben so spielt. Zuweilen neigt Zemeckis dabei etwas zur Sentimentalität, wo mehr Zurückhaltung besser gewesen wäre. Aber auch wenn der Film in der Summe nicht ganz rund ist, die Comic-Adaption ist ein wohltuend eigenwilliges Werk, das mehr zu bieten hat, als die zahlreichen schlechten Kritiken vermuten lassen.
OT: „Here“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Eric Roth, Robert Zemeckis
Vorlage: Richard McGuire
Musik: Alan Silvestri
Kamera: Don Burgess
Besetzung: Tom Hanks, Robin Wright, Paul Bettany, Kelly Reilly, Michelle Dockery, Gwilym Lee, Ophelia Lovibond, David Fynn
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