William Lee (Daniel Craig) lebt in den 1950ern in Mexiko-Stadt. Dort genießt der ausgewanderte US-Amerikaner das Leben, nimmt regelmäßig Drogen und Alkohol, verbringt seine Zeit mit jüngeren Männern. Als er dabei eines Tages Eugene Allerton (Drew Starkey) über den Weg läuft, ist es um ihn geschehen. Er fühlt sich zu dem ehemaligen Soldaten hingezogen und tut alles dafür, um von ihm beachtet zu werden. Damit hat er tatsächlich Erfolg, zumindest bis zu einem gewissen Grad. So treffen sie sich regelmäßig, gehen auch zusammen ins Bett. Doch Allerton bleibt dabei immer auf Distanz, will sich nicht völlig auf den Mann in den mittleren Jahren einlassen. In seiner Verzweiflung schlägt Lee vor, dass die zwei gemeinsam eine Reise nach Südamerika antreten. Nach einigem Zögern willigt das Objekt der Begierde ein, sehr viel einfacher wird das Verhältnis dadurch aber nicht …
Die tragische Sehnsucht nach Liebe
Mit besonderen Beziehungen zwischen Männern kennt sich Luca Guadagnino aus. So feierte der italienische Regisseur seinen Durchbruch mit Call Me by Your Name, bei dem ein Jugendlicher aus vermögendem Haus und ein Student sich ineinander verlieben. Zuletzt lief sein Film Challengers – Rivalen im Kino, das von der Rivalität zweier Tennisspieler handelte – Liebesdreieck und Homoerotik inklusive. Mit Queer wird es nun noch einmal expliziter. Der Titel verrät bereits vorab, in welche Richtung das geht. Schon früh gibt es eine erste sexuelle Begegnung des Protagonisten mit einem jüngeren Mann. Der gesamte Rest des Dramas wird von dem Verhältnis der beiden Hauptfiguren handeln, wird auch entsprechende Liebesszenen zeigen, wenn es Lee doch mal wieder schafft, Allerton rumzukriegen.
Das ist gar nicht so oft, wie man vielleicht erwarten könnte. Und sehr viel seltener, als es Lee gern hätte. Tatsächlich handelt der Film von einer Beziehung, von der man nie so genau sagen kann, ob es denn eine ist. Zwar zeigt sich Allerton nicht uninteressiert, lässt seine ältere Bekanntschaft aber nie so ganz an sich heran. Auf Augenhöhe findet das nicht gerade statt, der Protagonist erniedrigt sich immer wieder bei dem Versuch, doch noch an seinen jungen Landsmann heranzukommen. Das mag man dann peinlich finden, wie sich der Auswanderer an jemanden heranschmeißt, der nicht dasselbe empfindet. Oder traurig. Queer ist im Grunde ein sehr tragischer Film über einen Mann, der einem anderen hinterherjagt, der sich einem Exzess nach dem anderen hingibt, getrieben von einer Sehnsucht, die dann doch nicht erfüllt wird. Zumindest nicht so, wie er das gern hätte.
Surreal, schwül, sehenswert
Und doch ist die Adaption eines semiautobiografischen Romans von William S. Burroughs (Naked Lunch) nicht allein trüb. Da sind immer wieder unterhaltsame, geradezu lustige Szenen dabei, wenn die Figuren in komische Situationen geraten. Das gilt beispielsweise für eine spätere Passage, bei der die beiden im Dschungel unterwegs sind, auf der Suche nach einer besonderen Pflanze. Queer wird dabei zuweilen auch sehr surreal, wenn Guadagnino immer wieder Visionen einbaut, in denen sich der Protagonist verliert. Manches ist mit recht einfachen Symbolen verbunden, anderes dafür abgefahren. Zu sehen gibt es auf jeden Fall eine Menge. Das gilt aber für den Film allgemein. Gerade die heruntergekommenen Settings in Mexiko machen schon einiges her und tragen zu der Atmosphäre des Films dabei, die zwischen bedrückt, schwül und ausgelassen schwankt.
Und dann wäre da noch die Besetzung. Das Drama, das bei den Filmfestspielen von Venedig 2024 Weltpremiere hatte, wird von der schauspielerischen Leistung getragen. Gerade Daniel Craig, der nach dem Ende der Bond-Ära seine Spielfreude entdeckt hat, findet hier eine seiner besten Rollen. Charismatisch, ein bisschen nervig, großzügig und doch auch egozentrisch wird das Alter Ego des Autors zu einer schillernden Gestalt, die trotz der Eigenheiten immer wieder Identifikationsfläche bietet. Vor allem der vergebliche Kampf um die Liebe, der sich durch Queer zieht, in Verbindung mit Themen wie Älterwerden und Krankheit, machen Lee zu einem Menschen, in dem man sich auch wiederfinden kann. Der sonderbare Mix der Tonalitäten und das Nebeneinander von Naturalistischem und Surrealem ist natürlich gewöhnungsbedürftig, machen die Romanadaption aber auch zu einem der spannenderen Werke der letzten Monate.
OT: „Queer“
Land: Italien, USA
Jahr: 2024
Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: Justin Kuritzkes
Vorlage: William S. Burroughs
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Kamera: Sayombhu Mukdeeprom
Besetzung: Daniel Craig, Drew Starkey, Jason Schwartzman, Henrique Zaga, Lesley Manville
Venedig 2024
Toronto International Film Festival 2024
Zurich Film Festival 2024
Around the World in 14 Films 2024
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