Laura Palmer (Mary Elizabeth Winstead) arbeitet als Managerin im Medienkonglomerat von Sebastian Snail (Timothy Spall). Ihr Urteil entscheidet über die Annahme und den Fortbestand von Film- und Serienprojekten. Doch Laura strebt nach mehr. Im Konkurrenzkampf um eine Beförderung geht sie metaphorisch über Leichen: Sie blamiert ihre Konkurrentin, vernachlässigt ihre Familie und tut alles, um am Ende das zu bekommen, was sie will – und was sie ihrer Meinung nach verdient. Endlich scheint sie die Spitze ihrer Karriere erreicht zu haben. Sie wird von Sebastian Snail Senior persönlich befördert und in sein Refugium nach Alaska eingeflogen. Doch bereits auf dem Flug häufen sich Berichte über eine alarmierende Serie von Todesfällen unter den Reichen und Mächtigen. Erst allmählich wird Laura bewusst, dass ein tödlicher Virus im Umlauf ist, der ausschließlich die oberen 1 % der Gesellschaft trifft. Zu spät erkennt sie, dass sie selbst bereits ein Teil dieser elitären Gruppe ist.
Eat the Rich
Kapitalismuskritik scheint ein persönlicher Favorit von Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia zu sein. Nach zwei Kurzfilmen führte er Regie bei den Netflix-Filmen Der Schacht und Der Schacht 2. Beide Werke beschäftigen sich mit Kapitalismus, Klassensystemen und der Frage nach Umverteilung von Reichtum. Während seine Ideen in Der Schacht noch innovativ und interessant waren, bot Der Schacht 2 kaum Neues. Mit Rich Flu wechselt Gaztelu-Urrutia das Setting, bleibt jedoch inhaltlich beim Thema, diesmal kombiniert mit einer Welt nach einer globalen Pandemie.
Rich Flu beginnt als pointierte, satirische Komödie. Geld regiert die Welt, und die Welt der Reichen und Schönen strotzt vor falschem Glanz, Eifersucht, Gier, Hass und Egoismus. Reichtum kauft Macht, und die Kombination aus beidem macht die Mitglieder der Top 1 % de facto unantastbar. Die Grundidee von Rich Flu, dass sich diese Dynamik durch einen Virus ins Gegenteil verkehrt, ist durchaus spannend. Wenn Reichtum zu einer tödlichen Last wird, bleibt den Betroffenen nichts anderes übrig, als ihren Besitz so schnell wie möglich loszuwerden. Doch was passiert, wenn niemand diese plötzlich unerwünschte Bürde übernehmen will?
Bereits zu Beginn sabotiert der Film jedoch seine eigene – wenig subtile – „Eat the Rich“-Botschaft. Laura Palmers Chef, Sebastian Snail Sr., erkennt früh die wahre Natur des neuen Virus und nutzt seinen Wissensvorsprung sowie seine enormen finanziellen Mittel, um seinen Reichtum auf ahnungslose Mitarbeiter zu übertragen. Die metaphorische Rechnung zahlen also wieder einmal die anderen.
Von Kapitalismussatire zu Flüchtlingsdrama
Im letzten Drittel verändert sich Rich Flu sowohl inhaltlich als auch tonlich. Aus der satirischen Komödie wird ein Flüchtlingsdrama mit vertauschten Rollen. Während sich die Stimmung der europäischen Bevölkerung gegen die Oberschicht wendet, die verzweifelt versucht, ihren Besitz zu vernichten, plant Laura mit ihrer Familie die Flucht. Über das „Tor zu Europa“, die italienische Insel Lampedusa, wollen sie nach Afrika entkommen. Doch in einem provisorischen Flüchtlingslager angekommen, wird ihnen die Weiterreise verweigert. Die Begründung: „Die Seuche grassiert nur unter Weißen.“ An diesem Punkt ist längst etabliert, dass der Virus seine Ziele ausschließlich anhand des Vermögens auswählt. Er ist weder ansteckend, noch auf eine ethnische Gruppe beschränkt. Die Aussage ist daher nichts weiter als eine plumpe Umkehr rassistischer Stereotype, wie sie in Verbindung mit echten Epidemien wie Ebola häufig geäußert wurden. Galder Gaztelu-Urrutia hält dem Westen in der zweiten Hälfte seines Films einen moralischen Spiegel vor. Doch gerade diese Botschaft sorgt dafür, dass sich Rich Flu zunehmend in die Länge zieht und sich selbst zu ernst nimmt.
Darüber hinaus häufen sich zum Ende hin die Logiklücken. Die Idee eines omniszienten Virus ist zwar interessant, doch das Virus hält sich nicht an die eigenen Regeln: So scheinen beispielsweise die Nachkommen reicher Menschen in der zweiten Hälfte des Films plötzlich immun zu sein, obwohl sie durch Erbschaft ebenfalls vermögend und somit eigentlich gefährdet sein müssten.
OT: „Rich Flu“
Land: USA, Kolumbien, Spanien
Jahr: 2024
Regie: Galder Gaztelu-Urrutia
Drehbuch: David Desola, Galder Gaztelu-Urrutia, Pedro Rivero, Sam Steiner
Musik: Aránzazu Calleja
Kamera: Jon D. Domínguez
Besetzung: Mary Elizabeth Winstead, Lorraine Bracco, Timothy Spall, Rafe Spall, Jonah Hauer-King, César Domboy, Dixie Egerichx
Toronto International Film Festival 2024
Sitges 2024
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