Sandmädchen
© Mark Michel/worklight media productions

Sandmädchen

„Sandmädchen“ // Deutschland-Start: 18. Oktober 2018 (Kino)

 

Inhalt / Kritik 

Sandmädchen von Mark Michel handelt von Veronika Raila – einem Menschen mit Autismus und schwerer körperlicher Behinderung. Sprechen, laufen oder singen ist ihr aufgrund dessen nicht möglich, auch ist sie auf die ständige Pflege und Fürsorge ihrer Familie, hauptsächlich ihrer Mutter, angewiesen. Zwar stellt das Gefangensein im eigenen Körper für sie eine enorme mentale Belastung dar, doch in ihrem Inneren spielt sich eine einzigartige Erfahrungswelt ab, die sie mithilfe einer Tastatur nach außen trägt: in detailreichen, bildhaften Gesprächen mit dem Regisseur oder in der Universität, an der sie Literatur und Theologie studiert.

Intensive Sensibilität

Weder Veronika noch ihre Familie lassen sich ihren Weg aufgrund von Vorurteilen vorbestimmen. Kurz nach der Geburt wurde ihr von den Ärzten attestiert, „kein Gehirn“ zu haben. Doch auch wenn es einige Jahre dauerte, bis ihr Umfeld zu Veronika und sie zu ihrem Umfeld durchdringen konnte, entwickelten sie eine Methode, mit der Veronika nicht nur kommunizieren, sondern sich auch kreativ ausleben kann: Ihre Mutter stützt ihre Hand beim Tippen auf einer Tastatur oder beim Malen, lässt sich dabei von ihr leiten. Die Gefühlswelt, die Veronika dadurch beschreiben kann, ist unfassbar vielschichtig, ihre Wahrnehmungen und Empfindungen der Außenwelt detailreich und einleuchtend. Mit der Zeit entwickelt Veronika eine Vorliebe für Literatur, vor allem von Autoren wie Kafka oder Heine, was sich in ihrem poetischen Sprachgebrauch sichtbar macht.

In Sandmädchen werden dokumentarische Alltagsszenen mit Veronikas Gedanken gespickt, während meditative, lichtdurchflutete Naturaufnahmen bestmöglich versuchen, die Komplexität ihrer Gefühle zu visualisieren. Die hypersensible junge Frau spürt jegliche Veränderung ihrer Umwelt intensiv, sei es die Temperatur, den Kleidungsstoff auf ihrer Haut oder das Licht, das ihr in die Augen scheint. Manchmal beschreibt sie dies als schön, wie wenn sie mit ihrer Mutter schwimmen geht, doch oftmals stellt dies auch eine für sie nur schwer zu ertragende Qual dar.

Zerbrechlich wie Sand

Die Machart des Films fasziniert durch helle Farben, höchstansehnliche Kameraeinstellungen, immer wieder eingeblendete, von Veronika getippte Textpassagen und auf ihre Gesichtsregungen fokussierte Nahaufnahmen. Der titelgebende Sand besitzt eine wichtige visuelle und metaphorische Funktion: Die Sandanimationen der Künstlerin Anne Loeper, die den Sand wiederholt mal verschiebt, mal hinstreut, mal wegnimmt, sollen das zerbrechliche Innerste Veronikas porträtieren, das sich ständig verändert, zerfällt und abermals von neuem aufbaut. Manchmal vergisst man deswegen fast, dass Sandmädchen ein Dokumentarfilm ist und kein essayistischer Spielfilm. Weitestgehend entscheidet sich der Film auch dazu, keine Musik zu verwenden, wodurch eine sehr natürliche Geräuschkulisse für sich spricht. Dies hätte der Regisseur sogar über die ganze Spielzeit von 84 Minuten so belassen können. All diese Elemente machen die Begegnung mit Veronika zu einer sehr informativen und intimen, aber nie invasiven, Erfahrung.

Credits

OT: „Sandmädchen“
Land: Deutschland
Jahr: 2017
Regie: Mark Michel
Drehbuch: Mark Michel, Veronika Raila
Musik: Christian Schunke
Kamera: Ines Thomsen
Mitwirkende: Veronika Raila

Bilder

Trailer

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Sandmädchen
fazit
„Sandmädchen“ schafft es mit Bravour, auf enorm feinfühlige Weise nicht nur über eine Person mit Behinderungen zu sprechen, sondern mit ihr. Was am wichtigsten ist: Der Film lässt Veronika selbst sprechen. Dadurch verbildlicht er eine oftmals missverstandene und übersehene Lebensrealität und trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen. Rührend, greifbar, künstlerisch sowie pädagogisch wertvoll.
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