Ein klitzekleines Weihnachtswunder nimmt uns mit in den kleinen Ort Wellington-by-Sea, bei dem die Vorbereitungen auf Weihnachten auf Hochtouren laufen. Dabei ahnen sie noch nicht, dass dieses Jahr alles etwas anders laufen wird. Während der Junge Danny als einziger in der Schule ist und den Tag mit seiner strengen Lehrerin verbringen muss, genießen die anderen Kinder sturmfreie Bude, weil die Eltern durch den vielen Schnee nicht nach Hause kommen. Und selbst der Weihnachtsmann muss umdisponieren, weil das alles nicht nach Plan läuft. Wir haben uns zum Start des humorvollen Animationsfilms am 4. Dezember 2024 auf Netflix mit Regisseur Simon Otto unterhalten. Im Interview verrät er uns, wie es zu dem Abenteuer kam, wie er selbst zu Weihnachten steht und welche Herausforderungen er bei seinem Regiedebüt meistern musste.
Wie bist du zu Ein klitzekleines Weihnachtswunder gekommen? Es ist ja schon ein großer Sprung von einem Drachenfilm zu einem Weihnachtsfilm
Das habe ich mich am Anfang auch gefragt. Will ich wirklich einen Weihnachtsfilm machen? Aber ich hatte vorher schon mit dem Studio Locksmith Animation zu tun, sie haben Ron läuft schief gemacht. Wir hatten mehrfach über Projekte gesprochen. Sie kamen zu mir mit dem Kinderbuch The Empty Stocking von Richard Curtis. Ich kannte ihn natürlich als erfolgreichen Drehbuchautor, wusste aber nichts von dem Buch. Dabei hat er sogar mehrere für diese Reihe geschrieben. Locksmith Animation hatten die Idee, daraus einen abendfüllenden Animationsfilm zu machen. Ich habe mich daraufhin mit Richard unterhalten und wir haben uns sofort gut verstanden. Für mich war dann auch schnell klar, dass ich das machen wollte. Sein Regiedebüt zu geben mit einem Drehbuch, das Richard Curtis geschrieben hat, wer kann dazu schon Nein sagen? Mir hat auch gefallen, dass Ein klitzekleines Weihnachtswunder keine klassische Heldengeschichte ist mit einem Bösewicht. Es gibt auch keine einzelne Hauptfigur, sondern mehrere Handlungsstränge, die miteinander verbunden sind.
Was machte diese Bücher so besonders, dass ihr der Ansicht wart, daraus könne man einen Film machen?
Ich hatte bei dem Projekt zwei Sorgen. Zum einen habe ich mich gefragt, ob ich den Filmen von Richard Curtis gerecht werden kann. Denn ich wollte natürlich mithalten mit den ganzen tollen Filmen, die er geschrieben hat. Die zweite Sorge war: Wie erzähle ich eine große kinoreife Geschichte, die auf kleinen Geschichten basiert? Jedes dieser Bücher hat eine super Idee, die ganz spannend war. Die erste erzählt von Zwillingen, die vom Weihnachtsmann verwechselt werden. Dann haben wir die Geschichte von einem Bub, der die Nachricht nicht bekommen hat, dass die Schule geschlossen ist wegen dem Schneesturm. Bei der dritten geht es um die Frage, wie Kinder Weihnachten feiern würden, wenn die Eltern nicht da wären. Alle diese Ideen waren zwar klein, aber sie hatten etwas ganz Besonderes. Und wir wollten all diese Ideen zusammenbringen in eine große Geschichte. Dafür mussten wir die einzelnen Geschichten aber ausbauen.
Und wie lange hat es dann gedauert, bis aus diesen drei Büchern ein ganzes Drehbuch entstand?
Ich würde sagen, es war ungefähr ein Jahr, bis wir ein Buch zusammenhatten, mit dem wir wirklich arbeiten konnten. Insgesamt haben wir viereinhalb Jahre an dem Film gearbeitet, was ziemlich schnell ist für einen Original-Animationsfilm.
War Curtis dann auch beim Film selbst involviert, nachdem das Drehbuch fertig war?
Er hat schon lange gesagt, dass er nicht wieder Regie führen will, sondern sich auf das Schreiben konzentrieren möchte. Das hat auch super geklappt. Aber ich wollte ihn trotzdem so nah wie möglich beim Projekt dabeihaben, weil ich wusste, wie viel Kreativität, Humor und Filmverständnis dahintersteckt. Das war wie eine Gratis-Filmschule, mit ihm zusammenzuarbeiten. Deswegen habe ich ihn bis zum Ende ins Projekt mit einbezogen. Für ihn war das auch spannend, weil er dadurch viel über die Arbeit an einem Animationsfilm lernen konnte. Bei Animationsfilmen arbeitest du nicht nur mit einem Drehbuch, sondern auch Storyboards. Wir schneiden einen Film quasi zusammen, bevor wir ihn drehen.
In dem Film wird viel darüber gesprochen, was Weihnachten den Figuren bedeutet, was er allgemein bedeutet. Was bedeutet Weihnachten dir?
Für mich ist Weihnachten der Moment im Jahr, wo wir zusammenkommen als Familie und endlich einmal ein bisschen Zeit haben. Du stellst dann lauter Pläne auf, wann ihr gemeinsam singt, wann es Geschenke gibt, und hast so viele Erwartungen, wie das läuft. Und oft läuft es dann gar nicht so, woraus meistens die besonderen Weihnachtsmomente entstehen. Und die schönsten Momente an Weihnachten sind die, an die wir nie denken. Das sind die Momente, wenn wir alles aufgegessen haben, alle Geschenke ausgepackt sind und wir auf dem Sofa sitzen und einfach nur zusammen sind. Wir hatten im Film eine Dialogzeile, dass du vielleicht 80 Weihnachten in deinem Leben hast, wenn du Glück hast, und dass du das Beste aus all diesen Weihnachten machen solltest. Das fand ich als Gedanken sehr schön. Wir realisieren oft nicht, wie kurz unser Leben ist und wie wertvoll solche Momente sind, die wir miteinander verbringen können.
Weihnachtsfilme gibt es natürlich ohne Ende, jedes Jahr werden unzählige neue produziert. Was macht für dich einen guten Weihnachtsfilm aus?
Ein Weihnachtsfilm muss für mich lustig sein, aber auch emotional. Er muss in mir wirklich etwas auslösen. Ich will mich dabei aufs Sofa kuscheln und abschalten können. Ein guter Weihnachtsfilm funktioniert für mich auf all diesen Ebenen. Es gehören aber auch Schnee, Lichter und die Familiendynamik dazu.
Viele Filmgenres haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Wie sieht es beim Weihnachtsfilm aus?
Das kann ich gar nicht so beantworten, da ich kein wirklicher Experte bei Weihnachtsfilmen bin. Was mich bei der Vorbereitung auf Ein klitzekleines Weihnachtswunder mehr beschäftigt hat, waren die anderen Filme von Richard Curtis. Mir war es wichtig zu verstehen, was sie ausmacht und was sein Geheimrezept ist. Wie kann ich die Geschichte inszenieren, damit der Film wirklich in seinen Katalog passt? Ich habe mich auch schnell davon distanziert, einen reinen Weihnachtsfilm zu machen. Für mich ist es die Geschichte einer Gemeinschaft, die zusammenkommen muss. Das war für mich das Interessante am Film. Es hätte auch ein anderer Anlass sein können, um diese Geschichte zu erzählen.
Eines der Themen, das ihr ansprecht, ist die Unterscheidung in gut und böse. Der Weihnachtsmann muss das ja, um zu sehen, wer Geschenke bekommt. Wie würdest du selbst gut und böse definieren?
Das ist ein Punkt, wo sich auch unser Weihnachtsmann nicht ganz sicher ist. Uns war es wichtig zu zeigen, dass die Absicht entscheidend ist. Warum tue ich etwas? Was will ich damit erreichen? Taten selbst können sehr unterschiedlich interpretiert werden und auch falsch verstanden werden. Die Lehrerin zum Beispiel erscheint ganz streng zu sein und überrascht dich am Ende. Gut und böse ist eine ganz komplizierte Sache und ich finde es schön, wenn wir zeigen, dass man sich in Menschen täuschen kann und es sich lohnt, einmal genauer hinzuschauen und zuzuhören.
Als wir uns das letzte Mal über Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt unterhalten haben, haben wir auch über deine Lieblingsfigur gesprochen. Wie sieht es bei Ein klitzekleines Weihnachtswunder aus? Hast du da eine?
Meine Lieblingsfigur ist die, mit der ich mich am meisten identifizieren kann. Und das ist der kleine Danny. Ich musste meine Familie von LA nach London übersiedeln für diesen Film. Mein Sohn war damals 12 Jahre alt, als ich ihn aus seiner Schule nehmen musste. Das war nicht einfach für ihn, sich dort zurechtzufinden und Freunde zu finden. Von dieser Entwicklung steckt ganz viel in der Figur drinnen. Aber auch das Dilemma, das ich selbst gespürt habe. Auf der einen Seite musste ich für die Arbeit nach London und habe mich sehr auf dieses Projekt gefreut. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass ich meinem Sohn Schaden zufüge. Aber das Gegenteil ist eingetreten, er ist unglaublich gewachsen durch diese Erfahrung. Und das ist genau die Geschichte von Danny.
Wir haben uns außerdem beim letzten Mal darüber unterhalten, wie schwierig es war, Drachen zu animieren, weil es keine direkte Vorlage gab. Dieses Mal gibt es fast nur Menschen. Warst du damit nicht unterfordert?
Nein, das nicht. Uns war es wichtig, dass diese Menschen realistisch dargestellt sind. Natürlich ist manches übertrieben, du hast da schon auch Karikaturen. Du musst es aber schaffen, dass sich das Publikum in ihnen wiederfindet und etwas aus dem eigenen Leben erkennt. Das Besondere bei uns ist eben, dass wir so viele Figuren haben, ein richtiges Ensemble. Und wir wollten, dass sich die einzelnen Figuren ganz klar unterscheiden. Das fand ich spannend. Wenn du dich nicht auf eine konzentrieren kannst, sondern ganz viele darstellen musst, fängst du an, sie miteinander zu vergleichen und zu schauen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Die wahre Kunst ist, eine Geschichte zu erzählen, mit denen du die Menschen erreichst – egal, ob du nun einen Animationsfilm oder einen Realfilm drehst.
Vielen Dank für das Gespräch!
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