Seit einer Weile schon sind Gwen (Sina Genschel) und Adam (Julius Nitschkoff) ein Paar, sind gemeinsam herumgereist und haben dabei die Zeit genossen. Jetzt heißt es jedoch, sich so langsam dem Ernst des Lebens zu stellen und eine Entscheidung zu treffen, wie es weitergehen soll. Gwen hat sich deshalb bei einer Pariser Uni beworben, um dort als Dozentin zu arbeiten. Adam, der bereits mehrere Studiengänge abgebrochen hat, spielt mit dem Gedanken, es mit der Fotografie zu versuchen. Doch es ist ein anderer Versuch, der das Paar durcheinanderbringt. Inspiriert von Adams Bruder Paul (Jannik Mühlenweg) beschließen sie, eine offene Beziehung zu führen und zu schauen, ob das etwas für sie ist. Während Paul so schnell der französischen Zirkusakrobatin Hélène (Ness Kalfon) näherkommt, trifft sich Gwen mit dem Studenten Sebastian (Paul Ahrens) …
Kann man Liebe teilen?
Ist Monogamie etwas Natürliches oder doch bloß ein soziales Konstrukt? An dieser Frage scheiden sich nach wie vor die Geister. Der Blick auf die Tierwelt hilft da auch nicht weiter: Während manche Arten ein Leben lang zusammenbleiben, wird bei anderen genommen, was gerade da ist. In Was du von mir sehen kannst wird dieses Thema angesprochen, dabei aber ein Bogen um allgemeine Fragen gemacht. Aus dem Verhalten der Figuren lässt sich nur bedingt etwas ableiten, wenn es vielmehr um individuelle Schicksale geht. Warum zum Beispiel die Beziehung von Paul offen sein kann oder zumindest für Außenstehende so aussieht, die von Adam daran aber zu zerbrechen droht, wird nicht abschließend erklärt. Vielleicht, weil man es auch nicht erklären kann.
Stattdessen zeigt Regisseurin und Drehbuchautorin Isabelle Caps-Kuhn, die nach mehreren Kurzfilmen hiermit ihr Langfilmdebüt gibt, ein Paar, das ganz allgemein noch nicht angekommen ist. Die zwei befinden sich in einem Zwischenstatus, als sie in Adams Heimatstadt stranden, haben ein bisschen geschaut und probiert, so richtig klar ist das aber alles noch nicht. In dieser Phase der Unsicherheit auch noch eine offene Beziehung testen zu wollen, kann man dann konsequent finden – oder fahrlässig. Wobei Was du von mir sehen kanns“ nicht darüber urteilt, keine Vorgaben macht, was zu tun ist. Das deutsche Fernsehdrama beschränkt sich darauf zu demonstrieren, wie diese Offenheit dem Paar nicht guttut. Zumindest nicht in dem Sinn, dass die beiden dadurch etwas finden. Sie stellen vielmehr nun sogar die Sachen in Frage, die bislang feststanden, verlieren dadurch völlig den Halt.
Nachdenklich und selbst offen
Das kann auch eine Chance sein. So bitter vieles von dem ist, was in dem Film geschieht, zwingt es die Figuren doch, sich zumindest diese Fragen zu stellen. Was bei Was du von mir sehen kannst, das nach mehreren Festivalteilnahme im Fernsehen seine Premiere feiert, ein wenig fehlt, ist das Konkrete. Ein bisschen schwammig ist es schon, wenn die beiden selbst nicht wissen, welche Schlüsse sie ziehen sollen. Eigentlich würde man erwarten, dass ein Drama mit einem solchen Szenario eine innere Entwicklung der Figuren aufzeigt. Diese findet aber nur minimal statt, während sie verzweifelt versuchen, doch noch die Beziehung zusammenzuhalten. Caps-Kuhn kombiniert Ende und Anfang einer Reise, die Schritte führen aber in keine klare Richtung. Da bleibt eher der Eindruck, dass sie noch einmal völlig von vorne anfangen müssen.
Manchen wird das zu wenig sein. Andere könnte stören, dass das Scheitern einer offenen Beziehung reaktionär ist. Und doch ist der Film sehenswert geworden. Ruhig erzählt und schön bebildert, zeigt er zwei Menschen, sie sich fragen müssen, was sie voneinander wollen, warum sie zusammen sind – und wer sie selbst sind. Selbst wer mit dem Konzept der Polygamie nichts anfangen kann, wird in Was du von mir sehen kannst Themen finden, die von einer universellen Natur sind. Die Balance aus Abhängigkeit und Selbständigkeit betrifft Paare immer, egal, wie die Beziehung gestaltet ist. Die Suche nach Sinn und Bestätigung beschäftigt ebenfalls die meisten. Am Ende ist man dann zwar vielleicht nicht wirklich schlauer geworden, manches an der Geschichte ist auch konstruiert. Stoff zum Nachdenken gibt es aber einigen.
OT: „Was du von mir sehen kannst“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Isabelle Caps-Kuhn
Drehbuch: Isabelle Caps-Kuhn
Musik: Andreas Skandy
Kamera: Konstantin Pape
Besetzung: Sina Genschel, Julius Nitschkoff, Ness Kalfon, Paul Ahrens, Iman Tekle, Jannik Mühlenweg, Annabelle Mandeng
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