In der ersten Hälfte der 2000er Jahre war Nintendo in eine tiefe Krise gerutscht. Zwar verkaufte sich der game Boy Advance sehr gut, das Handheld drohte aber, von der neuen Sony-Konkurrenz PlayStation Portable vom Markt gedrängt zu werden. Die stationäre Konsole GameCube setzte den Niedergang des Videospielherstellers fort, der Absturz in die Bedeutungslosigkeit stand bevor. Und so versuchte man etwas ganz Neues. Beim Nintendo DS baute man zwei Bildschirme ein, ein Mikrofon sowie einen Touchscreen. Warum, wusste anfangs niemand, es dauerte eine Weile, bis erste Titel erschienen, die das zu nutzen wussten – darunter das originelle Adventure Another Code: Doppelte Erinnerung. Bei der Wii gab es hingegen den Systemseller schlechthin im Pack: Wii Sports führte vor, wie sich Bewegungssensoren so einsetzen lassen, dass jeder das Konzept sofort verstand.
Sportsammlung für die ganze Familie
Genauer handelte es sich um eine Sammlung von fünf Sportarten: Tennis, Bowling, Boxen, Baseball und Golf. Das Besondere war, dass man nicht wie bei traditionellen Sportspielen Knöpfe drückte und Joysticks nahm. Zumindest nicht nur. Stattdessen wurde der Controller, der mehr wie eine Fernbedienung aussah, gewissermaßen zum Tennisschläger und anderen Sportutensilien. Wenn man diese bewegte, bewegte man auch den Schläger, so als würde man selbst auf dem Spielfeld stehen. Das Ergebnis war ein Partyspiel mit extrem niedriger Schwelle, da konnte endlich mal das Kind mit der Oma spielen. Nicht ohne Grund wurde Wii Sports zu einem gigantischen Erfolg, mehr als 80 Millionen Mal wurde es auch durch die Beigabe zur Konsole verkauft. Der Hype war so gigantisch, dass die Konkurrenz von Sony und Microsoft nachzog, sie alle jagten einem Publikum hinterher, das sonst eher nicht zum Controller gegriffen hätte.
Erfahrene Gamer reagierten darauf hingegen nicht zwangsweise positiv. Das dürfte auch daran liegen, dass anschließend Motion Control bei vielen Spielen geradezu zwanghaft eingebaut wurde, selbst da, wo es keinerlei Vorteile brachte. Manche bemängelten zudem, dass das Game so sehr auf einen spielefernen Markt zugeschnitten wurde, dass das Ergebnis zu oberflächlich wurde. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Vieles von dem, was man von Sportspielen erwarten würde, wie etwa Meisterschaften, fehlte. Dass bei Tennis die Figuren von alleine liefen, man sich also nicht strategisch positionieren kann, ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass Wii Sports ein sehr simples Spiel war, welches der Komplexität der Vorlagen nicht gerecht wurde. Man war einem Mario Party näher als einer Sportsimulation, obwohl man sich selbst durchaus sportlich betätigte.
Charmant, aber simpel
Hinzu kommt, dass die Technik noch nicht so ausgereift war, weshalb die Bewegungen eher imitiert wurden, anstatt 1:1 übersetzt zu werden. Dann und wann hatte man das Gefühl, dass die Fernbedienung quasi ohne einen spielt und sich etwas willkürlich verhält. Nintendo selbst sah noch Verbesserungspotenzial für das Konzept und brachte daher drei Jahre später Wii Sports Resorts heraus, den mächtig aufgemotzten Nachfolger. Dort gab es nicht nur 12 Sportarten, also mehr als doppelt so viel. Der neue Wii MotionPlus Controller war auch deutlich präziser, weshalb die Fortsetzung sicher das bessere Spiel ist.
Und doch ist es nach wie vor unterhaltsam, die erste Sammlung auszupacken und sich mit anderen zu messen. Natürlich ist Wii Sports nichts, was man Stunden am Stück spielen kann – allein schon, weil das körperlich anstrengend wird. Als Partyspiel hat das gleichermaßen einflussreiche wie disruptive Game aber nach wie vor Charme. Die primitive Optik, die nicht einmal versucht, irgendwie realistisch auszusehen, trägt zu diesem sogar bei. Die unförmigen Figuren, die man zwar sehr frei anpassen konnte, dennoch nie wirklich nach einem selbst aussahen, waren markant, irgendwie lustig und erinnerten an vergangene Zeiten, als Videospiele keine komplexen Mechanismen und aufwendigen Welten hatten, dafür irgendwie allen offenstanden.
OT: „Wii Sports“
Land: Japan
Jahr: 2006
Director: Keizo Ohta, Takayuki Shimamura, Yoshikazu Yamashita
Producer: Katsuya Eguchi, Kiyoshi Mizuki
Musik: Kazumi Totaka
Publisher: Nintendo
Entwickler: Nintendo EAD
Plattformen: Wii
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