Im Leben von Xu Lingling (Lu Xingchen) gibt es nicht viel, um das sie sich Sorgen macht. Die Streitigkeiten ihrer Eltern blendet sie schon lange aus und verbringt die Tage und Nächte lieber bei ihrem Freund oder in einem der vielen Nachtclubs, in denen sie hin und wieder auch arbeitet. Als sie während eines Auftritts jedoch zusammenbricht und einige Stunden später im Krankenhaus aufwacht, ahnt sie, dass sich ihr Leben von nun an verändern wird. Sie leidet an einer Nierenkrankheit und da sie und ihre Eltern kein Geld für eine Spenderniere haben, muss sie regelmäßig zur Dialyse kommen, was die junge Frau sehr deprimiert. Hinzu kommt noch ein weiterer Schicksalsschlag, der sie noch mehr zurückwirft. Dennoch will sie ihre Träume auf keinen Fall aufgeben und beschließt, zusammen mit ihrer besten Freundin Tan Na (Xueqin Li) und ihrem Schulfreund Zhao (Bingrui Chao) einen Ausflug zu machen. Die Reise der drei wird für sie alle zu einer Konfrontation mit ihren Problemen, Lebenslügen und zugleich die Möglichkeit eines Neuanfangs.
Nach vorne schauen
Carefree Days ist nach Wisdom Tooth die zweite Regiearbeit von Schauspieler Liang Ming und war zuletzt im Programm des Chinesischen Filmfests München vertreten. Wie in Wisdom Tooth geht es auch in seiner zweiten Film um die Generation junger Erwachsener, ihre Sorgen und Nöte sowie ihre Zukunft in einer Kultur, in der das Leben immer härter und erbarmungsloser zu werden scheint. Ming verbindet dabei Aspekte des Familien- und Beziehungsdramas mit einer sozialen Realismus, wie man ihn von vielen seiner Regisseurkollegen aus China kennt. Carefree Days ist ein solider Film, der nicht zuletzt dank seines Ensembles punkten kann, doch er leidet auch an Punkten wie einem nicht immer stimmigen Rhythmus und einem Hang zum Melodram, bei dem die sozialkritischen Aspekte der Handlung etwas untergehen.
Für die jungen Protagonisten in Mings bisherigen Arbeiten sind die „sorgenfreien Tage“ schon lange vorbei. In Wisdom Tooth sind es die Armut und der Status innerhalb der Gesellschaft, die Hindernisse im Leben der Charaktere darstellen und es ihnen schlichtweg unmöglich machen, frei zu wählen oder sich gar frei zu bewegen. Carefree Days folgt einer ähnlichen Prämisse, wobei für Lingling ihre Gesundheit einen Aspekt darstellt, der ihren Hunger aufs Leben bremst. Ihre Umgebung, die Straßen und Gassen ihrer Heimatstadt sowie die kleine Wohnung, die sie sich mit ihren Eltern teilt, sind Beispiele für ein Leben, dessen Grenzen genau definiert sind. Die Jugend sucht nach Möglichkeiten, sich loszusagen und eine Alternative zum Leben der Eltern zu finden, doch die Flucht endet nach einer durchzechten Nacht wieder in jenen engen, leicht heruntergekommenen Wohnungen, deren Anblick sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Im zweiten Teil des Filmes schafft die Protagonistin eine Flucht davor, was den Film auch in ästhetischer Hinsicht öffnet, doch es bleibt immer in der Schwebe, ob dies auch nur temporär ist oder nur die Pause vor einem neuen persönlichen Abgrund ist. Erzählerisch macht es sich Ming jedoch etwas zu einfach und setzt mehr auf Dramatik anstatt jene Hintergründe dieser Figuren zu beleuchten.
Ohne Sorgen
Carefree Days bleibt leider an der Oberfläche, während die Schauspieler sich durchaus Mühe geben, ihren Figuren Substanz zu verleihen. Dies gilt vor allem für Xingchen Lyu, die in der Hauptrolle als Ling eine berührende Darstellung einer jungen Frau gibt, deren Lust auf das Leben und die Sehnsucht nach Liebe trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit ungebändigt ist. Zugleich ist sie, wie ihre Freunde, die Vertreterin einer Generation, die sich sicher ist, ihr Leben nicht auf denselben Prinzipien wie ihre Eltern aufzubauen, aber eben auch noch keine Basis für ihre Zukunft geschaffen hat. Die Flucht nach vorne, in diesem Falle der Ausflug, ist die Möglichkeit einer Selbstfindung, ebenso wie ein Ausweg aus einem bedrückenden Alltag. Das ist gut gespielt, aber thematisch und erzählerisch allzu berechenbar, vor allem, weil es gerade im chinesischen Kino viele solcher Geschichten gibt.
OT: „Xiao yao you“
Land: China
Jahr: 2023
Regie: Ming Liang
Drehbuch: Ming Liang
Musik: B6
Kamera: Wang Meng
Besetzung: Lyu Xingchen , Xueqin Li, Bingrui Zhao, Congxi Li, Liya Ai
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