Berlin, 1990: Seit der Wiedervereinigung herrscht Euphorie in der einstmals geteilten Stadt, alles scheint auf einmal möglich zu sein. Im Revue-Theater Palast trauert man hingegen vergangenen Zeiten hinterher, der Saal ist fast immer leer, das Publikum bleibt aus. Der Berliner Kultursenat will den Laden deshalb auch zumachen, der Betrieb rentiert sich einfach nicht. Der neu eingesetzte westdeutsche Intendant Gerd Kolberg (Benno Fürmann) etwa will das Etablissement ganz neu aufziehen. Anstatt weiterhin Tanzdarbietungen vorzuführen, will er die altehrwürdige Institution in ein Casino verwandeln. Ballettdirektorin Regina Feldmann (Jeanette Hain) ist wie andere auch entsetzt, will lieber an die alten Stärken anknüpfen. Und so lädt sie zum großen Vortanzen ein. Die Resonanz ist groß, unter den vielen hoffnungsvollen jungen Talenten sind auch die Geschwister Luise (Lary Müller) und Lukas Jansen (Lukas Brandl) sowie Karla Tanner (Taynara Silva-Wolf) …
Neue Figuren mit alten Schwächen
Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass das ZDF die Eventserie Der Palast ausstrahlte. Damals nahm uns der Sender mit in die späten 1980er und erzählte von zwei Zwillingsschwestern, die getrennt voneinander aufwachsen – eine im Westen, eine im Osten – und sich zufällig über den Weg laufen. Die Geschichte war natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen. Dennoch schaltete das Publikum brav ein, mehr als sechs Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen waren an den drei Sendetagen am Start. Darauf hofft man nun auch bei der zweiten Staffel. Diese spielt etwas später, ist dabei aber keine direkte Fortsetzung. So tauchen die beiden Schwestern und ihre jeweiligen Familien nicht mehr auf. Stattdessen rückt die Ballettdirektorin, letztes Mal nur eine Nebenfigur, in den Vordergrund.
Das ist sicher nicht die schlechteste Entscheidung. Zumindest funktioniert das Grundgerüst dieses Mal besser, man glaubt eher, was hier geschieht. Wobei die zweite Staffel von Der Palast nach wie vor keine besonders interessanten Figuren entworfen hat. Weder bei den Theaterangestellten noch dem Tanznachwuchs ist da jemand dabei, dem man unbedingt folgen müsste. Hinzu kommen gelegentliche Defizite bei der schauspielerischen Leistung. Da sind einerseits sehr bewährte Kräfte dabei, die routiniert auftreten. Andere mühen sich schon deutlich mehr ab, das wirkt nicht alles immer natürlich. Die diversen Dramen, die zuweilen etwas in die Seifenoper-Richtung gehen, braucht man ohnehin nicht gesehen haben. Wenn beispielsweise Feldmann irgendwann eine Affäre mit Lukas beginnt, hätte das durchaus ein Beitrag zu dem Thema sein können, dass auch Frauen ihre Position missbrauchen – siehe etwa Tár. Genutzt wird das nicht.
Solides Zeitporträt
Andere Punkte sind da schon besser gelungen. So zeigt Der Palast eine Gesellschaft im Umbruch und lässt mehrfach verschiedene Welten aufeinanderprallen. Der Kontrast aus West und Ost geht mit einem einher, dass die einen Geld verdienen wollen, die anderen sich als Kunstbetrieb verstehen. Die Sympathien liegen in solchen Fällen fast automatisch bei den Nicht-Kapitalisten. Die Wahrheit ist aber auch: Niemand will diese Shows mehr sehen, ein Comebackversuch endet in einem Debakel. Da dürfen allgemein Gedanken angebracht werden, wofür es ein solches Theater gibt und ob das noch zeitgemäß ist. Drumherum gibt es noch ein bisschen mehr Zeitkolorit, wenn von Hausbesetzern, Straßendemos und dem Umtausch von Ostmark gegen Westmark die Rede ist – Zwei zu eins lässt grüßen.
Das trägt dazu bei, dass die zweite Staffel insgesamt ein Fortschritt ist, trotz der besagten Schwächen. Dazu wird natürlich auch immer mal wieder getanzt. So richtig mitreißend ist das nicht, das Ganze ist doch eher Silvestergala als Tanzekstase. Wer solche aber gern sieht, bekommt hier einen hauch vergangenen Glamours, wenn sich die Tänzer und Tänzerinnen in knappe Kostüme mit viel Glitzer zwängen. Unbedingt gesehen haben muss man das nicht, Der Palast ist nicht das Event, das die Serie gern wäre. Man muss sich aber auch nicht über das Gezeigte ärgern, sollte man sich wirklich die sechs Folgen anschauen.
OT: „Der Palast“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Uli Edel
Drehbuch: Rodica Döhnert
Vorlage: Frank Tallis
Musik: Martin Lingnau, Ingmar Süberkrüb
Kamera: Hannes Hubach
Besetzung: Jeanette Hain, Lary Müller, Lukas Brandl, Taynara Silva-Wolf, Benno Fürmann, Marc Hosemann, Luisa-Céline Gaffron, Odine Johne, Jutta Wachowiak, Axel Werner, Ben Felipe, Luis Santiago Klier, Benjamin Sadler
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