Der Polarfuchs ist in Naturdokumentationen kein Dauergast, aber sicher auch kein Unbekannter. In Polarfüchse – Bewährungsprobe in der Arktis von Marie-Hélène Baconnet standen diese Tiere offensichtlich im Mittelpunkt, in Frozen Planet – Eisige Welten II waren sie zeitweise ebenfalls mit von der Partie. Mit Nordens Ark – die Letzten ihrer Art gibt es im Rahmen der Reihe Welt der Tiere einen deutschen Beitrag über die Bemühungen, gefährdete Tierarten zu schützen, darunter auch den Polarfuchs. Der Film zeigt auf, wie der Polarfuchs trotz seiner beeindruckenden Anpassungsfähigkeit an extreme Kälte und Nahrungsmangel unter dem Klimawandel und der schwindenden Eiswelt leidet. Das Porträt beleuchtet sowohl die Herausforderungen, denen die Tiere in der Wildnis gegenüberstehen, als auch die Rolle von Schutzprogrammen und Zoos bei der Erhaltung dieser faszinierenden Art. So wurde der Polarfuchs (neben Amurtiger oder Schneeleopard) zum Symbol für die Fragilität eines Ökosystems und die Dringlichkeit des globalen Naturschutzes.
Zwischen Spiel- und Dokumentarfilm
Das war 2007. 2023 wird der Polarfuchs erneut durch die steigenden Temperaturen aus seiner Heimat vertrieben – zumindest im neuesten Spielfilm von Guillaume Maidatchevsky, der erst jetzt seinen Weg in deutsche Kinos findet: Im Nordwesten Kanadas führt der Klimawandel zu Nahrungsknappheit für das Polarfuchspaar Kina und Yuk. Während die werdende Mutter im Bau wartet, muss Yuk sich immer weiter davon entfernen, um seine Familie mit Fressen zu versorgen. Als er eines Tages auf einer Eisscholle landet und sich unfreiwillig vom Festland entfernt, bleibt Kina vergeblich wartend zurück. Irgendwann muss sie nicht nur ihr Zuhause, sondern das ganze Revier verlassen – schließlich animieren die sich verändernden Umstände den Rotfuchs dazu, in das Gebiet einzufallen. Als größeres und stärkeres Tier stellt er eine zu große Konkurrenz für sie dar. Die beiden vertriebenen Tiere sehen sich nun jeder einem ganz eigenen Abenteuer ausgesetzt …
Maidatchevsky, der für mittlerweile vier Spielfilme verantwortlich zeichnet, hat eindeutig einen Hang zu Tiergeschichten. Ailos Reise von 2018 und nun eben Die Abenteuer von Kina & Yuk verdeutlichen aber vor allem eines: Der Mann ist ein verkappter Dokumentarfilmer. Während Ailos Reise de facto eine Doku ist, ganz egal wie sehr er ihn als Spielfilm für Kinder vermarkten möchte, stehen bei Die Abenteuer von Kina & Yuk die narrativen und vor allem inszenierten Elemente tatsächlich deutlich prominenter im Vordergrund. Damit entfernt sich der Franzose aber auch von seinen eigentlichen Stärken.
Beeindruckende Bilder
Es ist gut möglich, dass es ihn mehr in den erzählerischen Bereich zieht, daran ist ja nichts Verwerfliches. Vergeudetes Potenzial ist vergeudetes Potenzial, aber es muss ja niemand von seinem Talent Gebrauch machen, wenn es ihm keinen Spaß bereitet. Wie schon in Ailos Reise werden die Tiere in Die Abenteuer von Kina & Yuk durch die Voiceover-Erzählung vermenschlicht. Mit dem Anführer eines Wolfsrudels gibt es sogar einen Bösewicht als Antagonisten, der Kina bis in eine von Menschen bewohnte Gegend verfolgt und ihr nach dem Leben trachtet. Für die jüngsten Zuschauer wird das bei den entsprechenden Szenen durchaus ein Gefühl der Bedrohung hervorrufen können, sogar ältere können sich hier der Immersion hingeben, auch wenn diesem Handlungsstrang keine richtige Auflösung vergönnt ist.
Was diesen Film noch viel mehr schwächt, ist der scheinbar zwanghafte Drang, unbedingt einen Spielfilm machen zu wollen. Die Bilder der Eislandschaften sind nach wie vor beeindruckend eingefangen, die eigentliche Geschichte hier ist aber ziemlich schwach. Kinder, welche wohl erneut das intendierte Publikum darstellen werden, dürften abgesehen von den emotionaleren Momenten, die der Film durchaus aufzuweisen hat, wohl kaum in der Lage sein, sich eine Woche nach der Sichtung an sonderlich viele Szenen zu erinnern. Einiges ist auch klar inszeniert, statt der Natur ihren Lauf zu lassen. Vielleicht bekommen wir ja irgendwann doch noch einen als solchen deklarierten Dokumentarfilm von Maidatchevsky. Bis dahin macht trotz der Kritik aber auch niemand unbedingt etwas falsch, einen seiner Spielfilme anzuschauen.
OT: „Kina et Yuk, renards de la banquise“
Land: Frankreich, Italien, Kanada
Jahr: 2023
Regie: Guillaume Maidatchevsky
Drehbuch: Guillaume Maidatchevsky, Guillaume Lonergan, Michaël Souhaité, Guillaume Maidatchevsky
Musik: Julien Jaouen
Kamera: Daniel Meyer
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