Die Ferien des Monsieur Hulot Les Vacances de Monsieur Hulot
Szenenbild aus Jacques Tatis "Die Ferien des Monsieur Hulot" (© STUDIOCANAL)

Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst

„Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst“ // Deutschland-Start: 26. Februar 2024

Inhalt / Kritik

Das 20. Jahrhundert hat eine Reihe großer Komödianten hervorgebracht, die Filmgeschichte geschrieben haben. Die meisten davon kamen aus dem englischsprachigen Raum, seien es Charles Chaplin, Buster Keaton, Oliver Hardy und Stan Laurel oder auch die Marx Brothers. Doch im Pantheon der bedeutendsten Komik-Talente findet sich auch ein französischer Name wieder, der auf seine Weise die Menschen zum Lachen brachte: Jacques Tati. Im Vergleich zu anderen Kollegen, die Dutzende, teils Hunderte von Kurz- und Langfilmen drehten, ist das Gesamtwerk Tatis überschaubar. Gerade einmal sechs Spielfilme stellte er fertig, dazu kommen einige wenige Kurzfilme und Auftritte als Schauspieler in den Werken anderer. Es ist auch nicht so, als hätte er mit diesen Titeln die Massen auf eine ähnliche Weise erobert, wie es einige der obigen Leute getan hatten. Und doch zählen einige davon als bedeutende Klassiker, Mein Onkel (1958) oder Playtime – Tatis herrliche Zeiten (1967) tauchen immer wieder auf Bestenlisten auf.

Hochspannend und lehrreich

Insofern hat der Regisseur zweifelsfrei Biografien verdient, die sich mit seinem Werk auseinandersetzen. Siehe Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst. Eigentlich ist das Buch schon älter: Der britische Literaturwissenschaftler David Bellos, der unter anderem auch zu Honoré de Balzac und Georges Perec publiziert hat, veröffentlichte in seiner Heimat Jacques Tati. His Life and Art bereits 1999. Hierzulande musste man ein Vierteljahrhundert warten, bis eine leicht überarbeitete deutsche Fassung erschien. Aber besser spät als nie, zumal die Filme Tatis auch zeitlos sind. Zum Teil zumindest. Klar sind sie auch Produkte der Zeit, in der Jacques Tati tätig war. Wenn er in seinen Filmen zeigte, wie Menschen sich mit der modernen Technik schwertun, hat sich die Technik selbst natürlich stark gewandelt in den folgenden Jahrzehnten. Das Prinzip ist aber gleich geblieben.

Bellos erhellt diese Prinzipien, indem er immer wieder einzelne Szenen der Filme hervorhebt, sie beschreibt und Besonderheiten hervorhebt. Das ist teilweise hochspannend und lehrt einem die Klassiker noch einmal mit anderen Augen zu sehen. Vieles von dem, was einem nicht bewusst war, etwa der spielerische Umgang mit Geräuschen, wird auf diese Weise begreifbar. Was immer so beiläufig wirkte, war in Wahrheit die Arbeit eines Perfektionisten, der oft Jahre an etwas werkelte und damit sich und andere in den Ruin trieb. Ein kleiner Nachteil ist jedoch, dass man trotz der detaillierten Beschreibungen nicht viel von den Analysen hat, wenn man die entsprechenden Szenen nicht sieht. Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst hat damit zu kämpfen, ein visuelles Medium, das ohne Worte funktionierte, in Worte packen zu müssen – was notgedrungen Grenzen hat.

Ein Mann voller Ambivalenz

Dabei ist das Buch auch mehr als eine Analyse der Filme, selbst wenn diese umfangreich sind. Bellos hat auch sehr viel über das Leben Tatis zu verraten. Dieses war nicht ganz so lustig, wie es einen seine Filme glauben lassen. Ob es das schwierige Verhältnis zum Vater war, finanzielle Probleme, gesundheitliche Einschränkungen und ganz viele berufliche Rückschläge, zu kämpfen hatte der Franzose immer wieder. Und auch anderweitig räumt Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst mit einem Fehlurteil auf. Auch wenn Monsieur Hulot, der freundliche Mann im Regenmantel, oft als Alter Ego Tatis angesehen wird: Der Filmemacher war selbst nicht unbedingt freundlich. Vielmehr wird er als schwierig beschrieben, als jähzornig, eitel und nachtragend. Teilweise muss die Arbeit mit ihm so furchtbar gewesen sein, dass man sich fragen darf, wie überhaupt ein Film fertig werden konnte. Von den persönlichen Verfehlungen, unter denen seine Familie zu leiden hatte, ganz zu schweigen. Auch in der Hinsicht bringt einen das Buch dazu, den Meister anders zu sehen.

Auf rund 500 Seiten beschreibt Bellos, der für seine Biografie zahlreiche Menschen befragte, einen faszinierenden Künstler, teilt Anekdoten und gewährt Blicke hinter die Kulissen. Teilweise lässt er diese schweifen und bringt uns die Welt drumherum näher. Das können mal technische Veränderungen im Bereich des Films sein, aber auch solche, welche die Gesellschaft betreffen. Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst wird auf diese Weise auch zu einem Porträt Frankreich in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein gewisses Interesse wird dabei natürlich vorausgesetzt, sich umfassender mit dem Thema zu beschäftigen. Ansonsten können die ausschweifenden Erklärungen überfordern. Wer sich auf diese besondere Reise einlässt, wird hier aber sehr gut mit Informationen versorgt, darf mal staunen, mal schmunzeln – und bekommt durch die Lektüre Lust, die Filme noch einmal anzuschauen.

Credits

OT: „Jacques Tati. His Life and Art“
Land: UK
Jahr: 1999
Text: David Bellos

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Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst
fazit
„Jacques Tati: Sein Leben und seine Kunst“ befasst sich mit dem legendären französischen Regisseur, zeigt den filmischen Perfektionisten ebenso wie den schwierigen Menschen. Das wird zuweilen etwas ausufernd, ist aber sehr spannend und lässt einen die Klassiker noch einmal mit anderen Augen sehen.
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