In einem Tierpark lernen sich die aus Serbien stammenden Irena (Simone Simon) und der US-amerikanische Ingenieur Oliver (Kent Smith) kennen. Die beiden sind schon bald ein Paar, auch wenn Irena ihrem Geliebten wenig über sich selbst, ihre Vergangenheit in Europa oder ihre Familie sagt. Auch hält sie ihn auf Distanz, denn sie fürchtet, dass sie, sobald sie ihren Gefühlen nachgibt, sich in eine Raubkatze verwandeln wird, die Oliver und anderen Menschen Schaden zufügen könnte. Oliver glaubt nicht an die Geschichte, die er als Aberglauben abtut, respektiert jedoch die Wünsche seiner Frau, die er schon bald bei Dr. Louis Judd (Tom Conway) in Behandlung gibt, der sie von ihrem Irrglauben kurieren soll. Ihre Ehe stabilisieren tut dies auch nicht, es macht vieles sogar nur noch schlimmer und als Olivers zunächst harmlose Flirts mit seiner Kollegin Alice (Jane Randolph) ernster werden, meinen sie von einem mysteriösen Wesen verfolgt zu werden.
Der Schatten der alten Welt
Als Produzent und Drehbuchautor Val Lewton Regisseur Jacques Tourneur das Angebot machte, seinen nächsten Film bei RKO Pictures zu drehen, wurde dies der Beginn einer der interessantesten Kollaborationen der 1940er Jahre und darüber hinaus. Die Vorgaben, die Tourneur zu erfüllen hatte, waren wenige und leicht zu bewerkstelligen, und darüber hinaus hatte er größtenteils freie Hand über die Projekte, so lange sie ein bestimmtes Budget und eine bestimmte Laufzeit nicht überschritten. Als Erstes inszenierte er Katzenmenschen, basierend auf der Lewtons Kurzgeschichte The Bagheeta, der vor allem beim Publikum sehr gut ankam und auch bei vielen Kritikern einen positiven Eindruck hinterließ. Aus heutiger Sicht ist der Einfluss von Katzenmenschen unumstritten, auch über das Horrorgenre hinaus, denn Tourneur gelingt weit mehr als ein ästhetisch ansprechender Unterhaltungsfilm, denn der Film ist zugleich eine Geschichte über die Schwierigkeit eines neuen Anfangs und den Gegensatz zwischen der neuen und der alten Welt.
Katzenmenschen ist im Kern eine Geschichte über die Einsamkeit in einer fremden Kultur und der Zwänge, die man sich auflegt, um sich anzupassen. Irena ist eine von vielen Menschen, die die alte Welt hinter sich gelassen haben und einen Neuanfang in Amerika wagen, nicht nur mit einer neuen Bleibe und einer neuen Arbeit, sondern mit einer neuen Identität. Der Preis, den sie dafür zahlt, ist eine immense Einsamkeit, die man schon in den ersten Minuten des Filmes bemerkt, wenn sie – wie jeden Tag – zum Käfig des Panthers im Tiergarten des Parks geht. Wie dieses wilde Tier sticht die aus der Menge heraus, wegen ihres Akzents, wegen ihres Wesens oder wegen ihrer Umgangsformen, die so gar nicht denen jener Frauen entsprechen, die diese „neue Welt“ ihre Heimat nennen dürfen.
Immer wieder kehren wir zu diesem Bild und diesem Gegensatz zurück, denn jeder Versuch, jemand anders zu werden und sich anzupassen, wird sofort sanktioniert, selbst die Hochzeit Irenas mit Oliver. Tourneur zeigt den Kampf eines Menschen, der ankommen möchte, es aber nicht kann, aufgrund äußerer Einflüsse und wegen eines Schuldkomplexes, weil man die eigene Herkunft verrät. Die Tragik Irenas ist, dass sie, in dem Moment, wenn sie bereit ist, den ultimativen Schritt zu gehen und zu jemand anderem zu werden, ein Verrat erfolgt, der eine andere Transformation zur Folge haben könnte.
Wahn oder Wirklichkeit?
Neben Lewtons Kurzgeschichte ist auch der Einfluss von Rainer Maria Rilkes Gedicht Der Panther nicht von der Hand zu weisen. Simone Simons Irena blickt immer wieder herüber zu der Wildkatze – ein Spiegel ihres inneren Konflikts und zugleich ihrer Gemütslage. Beide sind schön, aber eingesperrt in einem Käfig, dem die nicht entkommen können (oder wollen) und der zu ihrem Zuhause geworden ist. Simon spielt eine tragische Figur, deren Probleme jeder nachempfinden kann, der versucht Halt in einem fremden Umfeld zu finden, aber lediglich auf Ablehnung und Unverständnis stößt und dessen Anderssein daher stets im Vordergrund steht. Abgesehen von der effektiven Inszenierung der spannenden Szenen, besonders im Finale von Katzenmenschen, heben Aspekte wie die Lichtgebung, die Kameraperspektive und die Musik die Isolation der Heldin hervor sowie ihren Konflikt, aus dem es kein Entkommen gibt. Tourneur ist einer der wenigen Filmemacher, der aus den teils sehr rigiden Vorgaben für seinen Film das Maximum herausholen konnte und eine Geschichte erzählt, die nicht nur als Unterhaltung funktioniert, sondern darüber hinaus eine thematisch und psychologisch komplexe Handlung erzählt.
OT: „Cat People“
Land: USA
Jahr: 1942
Regie: Jacques Tourneur
Drehbuch: DeWitt Bodeen
Vorlage: Val Lewton
Musik: Roy Webb
Kamera: Nicholas Musaraca
Besetzung: Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jane Randolph, Jack Holt
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