La Cocina
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La Cocina – Der Geschmack des Lebens

La Cocina
„La Cocina – Der Geschmack des Lebens“ // Deutschland-Start: 16. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eine riesige Touristenküche am Times Square mitten in New York: 3000 Gäste werden hier an einem guten Tag durchgeschleust. Trotzdem ist „The Grill“ für die junge Mexikanerin Estela (Anna Diaz) ein Sehnsuchtsort. Eine Bekannte aus ihrem Heimatort hat der Emigrantin geraten, sich an deren Sohn Pedro (Raúl Briones) zu halten, der hier seit drei Jahren am Herd steht. Koch Pedro soll Estela einen Job verschaffen, der als gut bezahlt gilt – zumal für illegale Einwanderer, die zahlreich hier stranden. Der gefürchtete „Grill“-Inhaber Rashid (Oded Fehr) verspricht zwar jedem, ihm legale Papiere zu verschaffen. Doch für Pedro hat sich in dieser Hinsicht seit drei Jahren nichts getan. Unter anderem deshalb wird die weiße Kellnerin Julia (Rooney Mara), mit der Pedro eine Affäre hat, wohl keine feste Beziehung mit ihm eingehen. Der soziale Unterschied ist einfach zu groß, auch wenn Julia ebenfalls ein prekäres Leben führt, und auch wenn sie von Pedro schwanger ist. Hinzu kommt: Pedro wird verdächtigt, 800 Dollar aus der Kasse genommen zu haben.

Erbärmlicher Fraß

Eines sollte man gleich vorweg klarstellen: In diesem Film wird nicht das Essen gefeiert, und schon gar nicht der Genuss. Die Kunst des Kochens ist ein Fremdwort in der Massenabfertigung. Der ästhetisch anspruchsvolle Schwarz-Weiß-Film zeigt keine Gnade mit dem erbärmlichen Fraß, der hier zum Leidwesen der durchaus talentierten Köche zubereitet wird. Der Blick hinter die Kulissen fällt unschön aus, trotz der Meisterleistung von Kameramann Juan Pablo Ramírez. Der Einfallsreichtum seiner Blickwinkel, Fahrten und Rahmungen gilt nicht der geleisteten Arbeit und ihren Produkten, nicht dem Schweiß, dem Blut und den Tränen. Er gilt den Menschen und ihren Sehnsüchten nach einem besseren Leben.

Zwar hat man ihrer Tätigkeit jeden schöpferischen Wert genommen und sie zu Rädchen einer gigantischen Maschine degradiert. Aber der Film und seine Bilder geben ihnen ihre Würde zurück, in jeder Einstellung, jedem Handgriff, jeder Großaufnahme. Die Kunst der Bilder dient dabei keinem Selbstzweck. Sie dient der Einsicht in eine Ebene jenseits der Fließband-Wirklichkeit. Hier, in den Körpern und Gesichtern, kommen die widersprüchlichen, über die düstere Realität hinausschießenden Bedürfnisse, Wünsche, Träume zu ihrem Recht, die die Arbeitssklaven sonst an der Garderobe abgeben müssen.

Der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios (Ein Polizei-Film, 2021) arbeitete als Student selbst als Tellerwäscher und Kellner, nicht in New York, aber in London. Wie er in seinem Regiekommentar schreibt, las er in dieser Zeit erstmals Arnold Weskers Stück The Kitchen, auf dem das Drehbuch lose basiert und das 1961 von James Hill schon einmal verfilmt wurde. Die Gleichzeitigkeit von realem Erleben und literarischer Betrachtung habe ihm damals das Durchstehen des anstrengenden Jobs erleichtert, berichtet der Regisseur. Da ist es nur konsequent, dass er den Charakteren im Film eine ähnliche Erfahrung zukommen lässt, eine Verfremdung dieses Mal nicht durch das Theater, sondern durch die Filmkunst. So zum Beispiel, wenn sich der unerträgliche Druck, der auf dem gesamten Küchenpersonal lastet, in einer Kaskade von Schimpfwörtern entlädt. Das ist in La Cocina – Der Geschmack des Lebens keine hässliche Szene, sondern eine befreiende. Schnell geschnittene Großaufnahmen in brillantem Schwarz-Weiß zeigen das Lachen, die Fröhlichkeit und die Erleichterung über ein Ventil zum Dampfablassen.

Mikrokosmos der Gesellschaft

Wie der deutsche Untertitel bereits verrät, geht es in diesem Küchenfilm, völlig anders als zum Beispiel in Geliebte Köchin (2023) von Trần Anh Hùng, nicht ums Kochen, sondern um ein Restaurant als Mikrokosmos der heutigen Gesellschaft. Wer darf sich von wem bedienen lassen? Wo verläuft das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen, zwischen Amerikanern und Immigranten? Von welchem Leben träumen die Abgehängten, die sich mit miesen Jobs über Wasser halten müssen? Um solche Fragen kreist der Film in seinen stilleren Momenten. Das Bedächtige, manchmal Philosophische, kann er sich leisten, weil er die Spannung in zwei sich kreuzenden Handlungssträngen hochhält. Erstens: Wer hat das Geld aus der Kasse geklaut? Zweitens: Schafft es Pedro, Julia von einer Abtreibung abzuhalten?

Als weiterer Elektrisierungsfaktor dient die Charakterzeichnung des impulsiven Pedro selbst. Als tickende Zeitbombe bezeichnet ihn eine Kollegin einmal treffend. Da ahnen wir längst, dass dieser Sprengstoff auf zwei Beinen irgendwann einmal explodieren wird. Zuvor aber zünden Alonso Ruizpalacios und sein Kameramann Juan Pablo Ramírez noch ein filmästhetisches Feuerwerk. In einer langen, ungeschnittenen Szene lassen sie uns das Chaos der hektischen Großküche quasi in Echtzeit und am eigenen Leib miterleben. Geschmeidig bewegt sich die Kamera im Raum, folgt mal diesem, mal jener, während die Bestellungen wie Kommandos durch den Raum donnern und sich aus einem kaputten Hahn die Soße von ausgelaufenem Cola zentimeterhoch über den Boden ergießt. Zumindest in diesen Minuten liefert der Film dann doch noch das Drama, um das Küchenfilme wie etwa Bella Martha (2001) von Sandra Nettelbeck nicht herumkommen. Aber nur, um die Virtuosität der Vorbilder noch zu toppen.

Credits

OT: „La Cocina“
Land: USA, Mexiko
Jahr: 2024
Regie: Alonso Ruizpalacios
Drehbuch: Alonso Ruizpalacios
Vorlage: Arnold Wesker
Musik: Tomás Barreiro
Kamera: Juan Pablo Ramírez
Besetzung: Rooney Mara, Raúl Briones, Anna Diaz, Oded Fehr, John Pyper-Ferguson, Laura Gómez, James Waterston, Spenser Granese

Bilder

Trailer

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La Cocina – Der Geschmack des Lebens
fazit
„La Cocina – Der Geschmack des Lebens“ zeigt das Konfliktgewirr einer Großküche als mikrokosmisches Spiegelbild der modernen Gesellschaft. Regisseur Alonso Ruizpalacios gibt den hier Schuftenden ihre Würde durch die Kraft betörender Schwarz-Weiß-Bilder zurück. Er lässt sie als Menschen mit widersprüchlichen Träumen und Sehnsüchten aufscheinen, die mehr verdient haben als die Hektik und den Kommandoton auszehrender Herrschaftsverhältnisse.
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