Sechs Richtige – Glück ist nichts für Anfänger erzählt in vier Episoden von Menschen, die bei der Lotterie groß gewonnen haben. Also alles gut? Nicht so ganz. Denn auch wenn die sich daraus ergebenden Chancen groß sind, sind doch auch viele Herausforderungen und Risiken damit verbunden – und jede Menge Chaos. Am 30. Januar 2025 startet die schwarze Komödie bei uns in den Kinos. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns mit den beiden Regisseuren und Drehbuchautoren Maxime Govare und Romain Choay darüber zu unterhalten.
Könntet ihr uns etwas über die Entwicklung des Films erzählen? Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen?
Maxime Govare: Wir wollten mit der Idee der menschlichen Natur spielen. Denn in Komödien geht es immer darum, mit der menschlichen Natur zu spielen, und wir wollten unbedingt zeigen, dass die Menschen nicht die sind, für die sie sich halten. Wir waren auf der Suche nach etwas, das ihr Schicksal oder ihr ganzes Leben innerhalb weniger Minuten verändert. Und dann wurde uns klar, dass ein Lottogewinn eigentlich das Einzige ist, worauf niemand vorbereitet ist. Es ist, als würde ein Meteorit in dein Leben einschlagen. Dies war eine großartige Möglichkeit, mit mehreren Charakteren zu spielen.
Romain Choay: Wir wollten unbedingt einen Film über mehrere Lottogewinner machen, denn wenn man einen Film über einen einzigen Lottogewinner macht, wird daraus eine Geschichte über diesen Charakter und wo er ist und so weiter. Und es ging uns wirklich um das Gewinnen an sich und zu sagen, dass Geld Menschen nicht verändert, sondern vielmehr offenbart, wer sie sind. Deshalb dachten wir, dass es am besten wäre, einen Konzeptfilm mit verschiedenen Protagonisten zu machen.
Als ich den Film sah, fühlte ich mich an eine frühere französische Komödie aus den 60er Jahren namens Fünf Glückspilze erinnert. Wurdet ihr dadurch beeinflusst?
Maxime Govare: Nein, ich schäme mich riesig, aber ich kenne den Film gar nicht. Worum geht es?
Es ist ein Anthologiefilm mit fünf Geschichten über Menschen, die etwas gewinnen, und es geht in jedem Fall schief
Maxime Govare: Wow. Das klingt wirklich ähnlich. Wir hatten viele Interviews in Frankreich und niemand hat jemals darüber gesprochen. Du bist der Erste, der es jemals erwähnt.
Romain Choay: Und du hast völlig Recht. Ich schaue mir das gerade parallel an. Das gibt es viele Ähnlichkeiten, sogar das Poster mit den Gesichtern der Schauspieler, die als Rouletterad angeordnet sind. Hut ab, du hast uns in unserem eigenen Film übertroffen. Wie kommt es, dass nie jemand den Film uns gegenüber erwähnt hat? Und das bei der Besetzung! Du hast Mireille Darc. Du hast Louis de Funès, der wie unsere Freiheitsstatue der Komödie ist.
Maxime Govare: Nicht einmal im Internet hat das jemand erwähnt. Wir haben viele Rezensionen gelesen und dies ist das erste Mal, dass ich davon gehört habe. Aber diesen Film werden wir uns auf jeden Fall ansehen.
Aber lasst uns über euren Film reden. Warum habt ihr euch für eine schwarze Komödie entschieden? Ihr hätte bei dem Thema zum Beispiel ein Drama machen können.
Maxime Govare: Weil das unsere Art Humor ist. Romain und ich, und sogar der Produzent, wir haben wirklich diesen sehr schwarzen Humor. Wir haben lange nach einem Film gesucht, der diese Art von Humor aufnehmen kann. Das Thema Glück wird immer mit einer sehr sanften, lustigen und gut fühlbaren Komödie behandelt, und wir wollten etwas anderes machen. Die Referenz für diesen Film war Wild Tales. Uns gefiel dieser düstere, zynische Ton sehr und wir hatten etwas Ähnliches angestrebt.
Romain Choay: Ich denke, es hat auch etwas mit der Zeit zu tun, in der wir leben. Wir leben in einer sehr wohlmeinenden kulturellen Zeit, in der man über bestimmte Menschen nichts Schlechtes sagen kann und manche so tun, als gäbe es gute und schlechte Menschen. Aber wir alle wissen: Das ist Blödsinn. Und wir wollten das wirklich nicht auf eine dumme Art und Weise artikulieren, nicht auf eine gemeine Art und Weise, sondern auf eine lustige Art und Weise. Es kam mir so vor, als ob das der beste Weg wäre, einen zum Lachen zu bringen, sich wegen des Lachens schuldig zu fühlen und trotzdem zu lachen. Denn wenn man jemanden zum Lachen bringt, umgeht man dieses pseudomoralische Zentrum. Es ist sehr schwer, zurückzugehen, denn jetzt, wo du gelacht hast, bist du ein Teil davon.
Wie seid ihr auf die vier verschiedenen Geschichten gekommen? Hattet ihr eine Geschichte, die am Anfang stand, und habt dann nach etwas anderem gesucht?
Maxime Govare: Wir hatten tatsächlich etwa zehn davon, und dann haben wir versucht zu verstehen, wo der Schwerpunkt der ganzen Sache lag. Und dann wurde uns klar, dass es sich um die Terrorgeschichte handelte. Deshalb wollten wir diese Geschichte unbedingt nutzen. Aber es war klar, dass wir den Film nicht mit dieser Geschichte beginnen und damit auch nicht enden konnten. Wir mussten es in der Mitte verstecken, denn es ist wirklich der Kern dieses schwarzen Humors. Und dann haben wir alles darauf basierend aufgebaut. Für den Anfang wählten wir die Geschichte aus, die die meisten Menschen im Alltag berührte, die Geschichte, mit der sich das Publikum am meisten identifizieren konnte. Und danach werden wir immer surrealistischer, weil das Publikum nun das Konzept verstanden hat. Außerdem hatten wir immer Angst, dass man bei diesen Geschichten nie weiß, wann die letzte ist. Deshalb haben wir uns entschieden, eine Erweiterung der ersten Geschichte zu erstellen und den Film damit abzuschließen. Wenn diese Leute unbewusst auf die Leinwand zurückkehren, weiß jeder, dass dies die letzte Geschichte ist. Das war uns wichtig. Wenn du einen Marathon läufst, musst du auch wissen, wann die Ziellinie ist.
Euer Film heißt übersetzt „Glückliche Gewinner“, was natürlich nicht ganz stimmt, denn am Ende hat niemand Glück. Aber würdet ihr generell sagen, dass es ein Segen oder ein Fluch ist, in so kurzer Zeit so viel Geld zu verdienen?
Maxime Govare: Nun, wir kannten diesen Schauspieler, mit dem wir zusammengearbeitet haben, nicht bei diesem Film, sondern einem anderen Film, und seine Frau gewann im Lotto, als sie jünger war. Die Sache ist, sie spielte mit ihren beiden besten Freundinnen. Jede kaufte mit ihrem Geld ein Ticket, aber sie war die Einzige, die gewann. Danach wollte sie jeder ihrer Freundinnen ein Auto schenken. Aber die wurden wütend, weil sie wollten, dass das Geld zu gleichen Teilen aufgeteilt wird, anstatt nur einen Teil zu bekommen. Sie hatten aber nie irgendwelche Regeln besprochen und die Gewinnerin wollte das nicht so teilen, weil es ja ihr Ticket war. Am Ende bekam sie vielleicht anderthalb Millionen, verlor dafür aber ihre beiden besten Freundinnen.
Was sich offensichtlich nicht gelohnt hat. Oder doch?
Maxime Govare: Das müsstest du sie fragen. Ich persönlich würde ja für 10.000 Euro Romain verkaufen. Aber im Ernst, die Hälfte der Menschen geht nach einem solchen Gewinn nach fünf Jahren bankrott. Menschen lassen sich scheiden, weil jetzt alles möglich ist. Also ist es wahrscheinlich eher ein Fluch als ein Segen. Aber ich habe noch nie im Lotto gewonnen, deshalb kann ich es das nicht genau sagen.
Romain Choay: Ich denke, der Film versucht zu sagen, dass wenn man ein schlechter Mensch ist und 10 Millionen gewinnt, man auch mit 10 Millionen ein schlechter Mensch sein wird. Wenn du ein guter Mensch bist, bist du auch mit 10 Millionen noch ein guter Mensch. Es kommt also darauf an.
Was würdet ihr tun, wenn ihr so viel Geld verdienen oder gewinnen würdet?
Maxime Govare: Wahrscheinlich davon den nächsten Film bezahlen. Wir versuchen nämlich gerade, einen zu finanzieren. Vielleicht wäre das sehr dumm, es wieder in Filme zu stecken. Aber es wäre auch irgendwie cool.
Romain Choay: Ja, ich mache einen auf Coppola. Ich denke, das ist ziemlich genau das, was er mit Megalopolis gemacht hat.
Maxime Govare: Richtig, wenn wir das Geld gewinnen, machen wir Megalopolis 2.
Ihr habt bereits erwähnt, dass ihr euren Job nicht machen könnt, ohne Geld zu haben. Jeder braucht Geld. Dies gilt insbesondere dann, wenn du einen Film machst, denn es kostet viel Geld, einen Film zu machen. Wie beeinflusst es eure Arbeit als Kreative, auf Geld angewiesen zu sein?
Maxime Govare: Während wir schreiben, versuche ich, nie darüber nachzudenken, was es später heißt, Regie zu führen. Wir wollen nicht berücksichtigen, ob es schwierig sein wird, etwas zu drehen, ob es schmerzhaft sein wird. Für mich ist das der beste Job der Welt, aber er kostet viel Zeit, Energie und Zweifel. Wir sprechen immer mit Journalisten, wenn wir tatsächlich einen Film verkaufen möchten, aber seit vielen Jahren gibt es Filme, die wir nicht finanzieren können, die abgesetzt wurden oder nicht funktionierten oder was auch immer. Es braucht also viel Vertrauen. Wir versuchen immer, das optimistische Ergebnis zu sehen. Es ist in Ordnung, einen Film für Geld zu machen. Aber an dem Tag, an dem du anfängst, es für Geld zu tun, kostet alles mehr Mühe, und ich glaube nicht, dass man sehr gute Sachen macht.
Romain Choay: Ich denke, dass es ein zweischneidiges Schwert ist. Ein Romanautor kann genau das schreiben, was er will, und er druckt es aus, er gibt es direkt an das Publikum weiter, und sie lesen es, und zwar eins zu eins. Wir müssen hingegen viel Geld aufbringen, um all diese Leute einzustellen, und hoffen, dass wir trotz der Einschränkungen, die uns bevorstehen, die ursprüngliche Idee so getreu umsetzen können, wie wir wollen Aber gleichzeitig glaube ich nicht, dass der Film unbedingt besser wäre, wenn wir unendlich viel Geld hätten. Es sind meist die Momente der Einschränkung, in denen man wirklich gewagte, tolle Ideen findet. Es ist also gleichzeitig gut und schlecht.
Aber selbst ein Romanautor muss möglicherweise an das Publikum denken, wenn er sein Buch verkaufen und seinen Lebensunterhalt verdienen möchte.
Romain Choay: Auf jeden Fall, aber bei Filmen wird es komplizierter. Wir brauchen 100 Leute in verschiedenen Phasen, die daran arbeiten. So wird es wie ein Dorf. Vorher habe ich Werbung gemacht und das war sehr ähnlich. Wenn ich ein Steak auf einem Teller zeigen wollte, brauchten wir dafür 35 Leute. Es gibt die Kamerasysteme, die Leute für die Beleuchtung, den Mann, der den Teller besorgt, den Mann, der das Steak kocht und so weiter. Ebenso kostet es viel Geld, gute Filme zu machen. Aber das ist auch gut so, denn es macht Lust, etwas extrem Gutes zu schreiben, sodass es sich lohnt.
In eurem Film lernen die Charaktere, zumindest einige von ihnen, etwas über sich selbst, während sie so viel Geld verdienen. Was habt ihr durch diesen Film gelernt?
Maxime Govare: Ich habe gelernt, dass ich mir Fünf Glückspilze ansehen muss. Darüber hinaus haben wir gelernt, dass wir, wenn wir den Film nochmal drehen würden, meiner Meinung nach 10 % mutiger wären.
Romain Choay: Das war das erste Mal, dass ich bei einem Film Regie geführt habe, allein deshalb habe ich viel gelernt. Aber ich denke, wenn ich eines mitnehmen kann, dann ist es, dass, wenn man in dem Moment des Drehs etwas fühlt, es normalerweise das ist, was im Schnitt zu sehen ist.
Vielen Dank für das Gespräch!