Das Kult-Duo Wallace & Gromit ist zurück! Lange haben Fans darauf warten müssen, dass sich die aus mehreren Filmen bekannten Knetmasse-Figuren wieder in ein neues Abenteuer stürzen. Jetzt ist es so weit: In Vergeltung mit Flügeln bekommen es der exzentrische Erfinder und sein treuer Hund mit einem verrückt gewordenen Roboter-Gartenzwerg zu tun. Aber auch der aus dem preisgekrönten Kurzfilm Die Techno-Hose bekannte Pinguin Feathers McGraw, der sich als Hahn verkleidet, um seine Verbrechen zu begehen, ist wieder mit von der Partie. Anlässlich des Starts am 3. Januar 2025 auf Netflix unterhalten wir uns mit den beiden Regisseuren Nick Park und Merlin Crossingham. Im Interview verraten sie uns, wie es war, wieder mit den beiden Figuren zu arbeiten, was sich seither geändert hat und wie sie selbst zur Technik stehen.
Könnt ihr uns etwas über die Entwicklung von Wallace & Gromit: Vergeltung mit Flügeln erzählen? Wie hat alles angefangen? Wie kamt ihr auf die Idee, tatsächlich einen neuen Wallace & Gromit-Film zu machen?
Nick Park: Es reicht Jahre zurück, tatsächlich bis in die Zeit von Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen. Wir hatten damals die Idee, einen 30-minütigen Kurzfilm zu machen, in dem Wallace einen intelligenten Gartenzwerg erfindet, der Gromit im Garten helfen könnte. Alles gut gemeint und alles, und es geht unweigerlich schief. Wir haben im Laufe der Jahre immer wieder daran gearbeitet und hatten viele lustige Ideen. Aber es wurde uns klar, dass etwas fehlte. Wir konnten nicht ganz herausfinden, warum es schief geht. Wir brauchten einen Bösewicht, der dahinter steckt. Jahre später kamen wir auf die Idee, dass dies eine perfekte Chance für Feathers McGraw ist, zurückzukehren. Das war also ein ziemlich später Einfall. Es war nicht so, dass wir versucht hätten, eine Geschichte zu schreiben, um ihn reinzubringen. Er erwies sich als großartige Antwort auf ein Problem mit einer Geschichte. Und als dann Merlin und Mark Burton, der Drehbuchautor, hinzukamen, kamen wir zu dem Schluss, dass es viel praktikabler wäre, es so zu machen. Zunächst hatten wir geplant, zwei 30-minütige Episoden zu machen. Am Ende waren sich alle einig, dass wir diese Episoden in einen abendfüllenden Spielfilm umwandeln, weil die Geschichte viel mehr Potenzial hatte, sobald Feathers McGraw mitspielte.

In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Filmen über Technologien, bei denen etwas schief geht, gerade im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz. Hat euch das irgendwie beeinflusst? Oder war es nur ein Zufall, dass euer Film jetzt zeitgleich mit den anderen Filmen herauskommt?
Merlin Crossingham: Nun, ich denke, Mark Burton war daran sehr interessiert. Ich nehme an, dass es viele andere Filme darüber gibt, weil es in unserem Leben so wichtig ist. Technologie ist überall um uns herum und wir sind überhaupt nicht gegen Technologie. Wir feiern tatsächlich Technologie. Aber ich denke, es ist gesund, Fragen zu stellen, und ich denke, als Filmemacher stellt jeder Fragen über das Leben. Und bei uns ist es eigentlich nicht anders.
Nick Park: Ja, und Technologie eignet sich in vielerlei Hinsicht für Comedy. Wir alle haben Computer und Smartphones und so clever sie auch sind, da geht ständig etwas schief. Und da wir uns so sehr auf sie verlassen, können wir allerlei Geschichten darüber erzählen.
Bei Wallace sehen wir ständig irgendeine Art von Technologie, bei der man denkt: „Okay, das ist vielleicht etwas zu viel für den Alltag.“ Wart ihr jemals in einer ähnlichen Situation, in der ihr euch so gefühlt habt?
Nick Park: Ja, ziemlich oft sogar. Wenn du in deinem Auto eingesperrt bist und sich die Tür nicht öffnen lässt. Oder wenn die die Elektronik an der Heizung mal wieder nicht will. Die Zentralheizung ist jetzt alles ganz smart, eine App, die sich um alles kümmern soll. Aber wenn das Internet nicht geht und deine App nicht mehr funktioniert, fragst du dich: Was war an der alten Vorgehensweise falsch?
Und jetzt umgekehrt: Wenn ihr eine dieser verrückten Ideen von Wallace auswählen könntet, eine seiner sehr unkonventionellen Erfindungen, was würdet ihr gerne in eurem wirklichen Leben haben?
Nick Park: Ich hätte gerne eine Weckmaschine. Etwas, damit ich pünktlich zur Arbeit komme. Das ist etwas, was ich wirklich brauche.
Merlin Crossingham: Ich hätte nichts gegen eine Rakete. Ich würden gern mal die Galaxie erkunden.
Der letzte Film von Wallace und Gromit ist schon sehr lange her. Wie war es, zu diesen Charakteren zurückzukehren?
Nick Park: Es ist wunderbar. Ich meine, sie sind wie eine Familie, wir haben sie beide über die Jahre gut kennengelernt, nicht wahr?
Merlin Crossingham: Sie sind wie alte Freunde. Für Nick und mich sind sie nie verschwunden. Wir arbeiten jeden Tag mit ihnen zusammen. Die eigentliche Aufgabe war, die Crew und die anderen Leute im Studio irgendwie zu begeistern und in die Wallace & Gromit-Welt zurückzubringen. Das war wunderbar einfach und ein sehr vertrautes Gebiet. Die Begeisterung war groß. Wir hatten einige Leute, die damals bei Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen mit uns zusammengearbeitet hatten, die das Studio verließen, und als sie hörten, dass wir einen neuen Wallace & Gromit machen, kamen sie zurück, um wieder mit ihnen zu arbeiten. Aber wir hatten auch neue und junge Leute, die sehr talentiert sind. Es war also eine schöne Mischung.
Nick Park: Es gibt so viel Zuneigung, nicht wahr? Wallace und Gromit haben diese besondere Beziehung. Du kannst sie in jede beliebige Situation versetzen und am Ende kommt etwas Komisches heraus. Es ist eine sehr einfache Komik. Natürlich gibt es diese körperlichen Herausforderungen, denen sie ausgesetzt sind, und so weiter. Aber am Ende kommt es auf ihre Beziehung an und darauf, wie Gromit auf die Dinge reagiert, die Wallace tut.
Eure Filme leben davon, dass sich die beiden in ihren Persönlichkeiten so stark unterscheiden. Wenn ihr euch entscheiden müsstet, mit wem könnt ihr euch mehr identifizieren?
Merlin Crossingham: Ich bin sicher, dass ich manchmal ein bisschen wie Wallace bin, aber ich würde gerne glauben, dass ich eher wie Gromit bin.
Nick Park: Wir alle haben unseren inneren Wallace und unseren inneren Gromit.
Merlin Crossingham: Wahrscheinlich funktionieren sie deshalb auch so gut.
Nick Park: Ich denke, dass ich mich wahrscheinlich mehr mit Gromit identifizieren kann. Aber ich bin auch Wallace, wenn ich Ideen habe, die etwas ausgefallen, oft lächerlich und maßlos sind. Es wird oft gesagt, dass mein Vater das alles beeinflusst hat, und das stimmt. Aber ich denke, das liegt daran, dass er voller verrückter Ideen war, als er Dinge im Schuppen herstellte. Und meine Mutter fragte immer: „Was macht der da?“ und verdrehte die Augen. Wallace und Gromit haben eine ähnliche Dynamik. Gromit möchte sich mit seinem besten Freund niederlassen, ein ruhiges Leben führen und die Dinge tun, die er gerne tut. Doch Wallace ist eine Quelle des Chaos, die ständig Unruhe stiftet.
Merlin Crossingham: In unserem Fall ist es auch ein bisschen so. Ich wollte nur ein ruhiges Leben und Nick sagte: „Wollen wir zusammen einen Film machen?“
Nick, du arbeitest jetzt seit mehr als 30 Jahren an Wallace & Gromit. Sowohl in der Außenwelt als auch in der Filmbranche hat sich inzwischen viel verändert. Wenn du auf die ersten Titel zurückblickst und sie mit eurem neuen Film vergleichst, was hat sich in Bezug auf die Produktion dieser Filme geändert?
Nick Park: Vor 30 Jahren war die Animation vor allem in Großbritannien, aber auch an vielen anderen Orten außerhalb Hollywoods eine reine Heimindustrie. Bei den Kurzfilmen war alles sehr handgemacht. Wir haben versucht, das beizubehalten und den Eindruck zu erwecken, dass alles vielleicht nicht von einer Person, aber zumindest von einer festen Gruppe gemacht wurde. Um einen Langfilm zu drehen, braucht es aber einen etwas industrielleren Maßstab . Wir mussten mit den verschiedensten Dingen improvisieren. Technik ist ein großer Teil davon. Aber wir haben versucht, die Grundlagen der Stop-Motion-Technik beizubehalten. Den Kern unseres Ethos bilden handgemachte Animationen.
Merlin Crossingham: Das Handwerk. Die menschliche Seite davon. Wir stellen sicher, dass wir uns nicht hinter der Tatsache verstecken, dass es handgefertigt ist. Auch wenn wir jetzt, wie Nick sagte, die neueste digitale Produktionstechnologie verwenden, handelt es sich im Kern immer noch um ein handgefertigtes Projekt. Und das ist wirklich wichtig. Es spiegelt gewissermaßen auch die Geschichte im Film wider. Technologie ist großartig, aber die menschliche Note ist wichtiger.
Könntet uns ein Beispiel dafür geben, wie sich die Technologie verändert hat?
Nick Park: Seit Auf Leben und Brot drehen wir digital. Statt großer 35-Millimeter-Filmkameras gibt es bei uns Digitalkameras. Das hilft uns bei bestimmten Dingen. Wenn beispielsweise ein Bild von der Wand fällt, ist die Aufnahme nicht zerstört. Du kannst das anschließend reparieren. Es gibt viele verschiedene Sicherheitsnetze, die sehr hilfreich sind. Außerdem gibt es Szenen, die heute viel schneller erledigt werden können
Merlin Crossingham: Wenn wir die neuesten digitalen visuellen Effekte verwenden, ist es das Wichtigste, dass sie sich für die Welt angemessen und richtig anfühlen. Das ist nicht immer einfach zu machen.
Wenn man auf Filmfestivals geht, sieht man immer noch viele Stop-Motion-Filme. Dieses Jahr hatten wir Savages, wir hatten Memoir of a Snail, wir hatten Living Large. Aber diese Filme werden größtenteils in Europa gedreht, während es kaum welche aus den USA gibt. Habt ihr das Gefühl, dass dies eine Art kulturelles Phänomen ist?
Merlin Crossingham: Tatsächlich war ich erst neulich bei Laika. Sie sind so etwas wie das US-Äquivalent von Aardman. Und selbst in Großbritannien gibt es abgesehen von Werbespots und Fernsehserien für Kinder kaum große Stop-Motion-Produktionen. Aber du hast recht, in Europa ist die Szene ziemlich lebendig und sehr unabhängig und sehr vielfältig. Deshalb hoffe ich einfach, dass alle weiterhin ihre Filme machen, denn das ist auch für uns sehr wertvoll. Wir profitieren davon, dass Animatoren in anderen Studios arbeiten können und andere Erfahrungen machen, wenn sie zu uns kommen.
Ich muss zugeben, dass ich Laika vergessen habe, weil ihr letzter Film so lange her ist.
Merlin Crossingham: Ja, ich weiß. Sie arbeiten schon seit Jahren an Wildwood und sind immer noch nicht fertig. Aber ich habe einen kleinen Blick darauf werfen können und kann dir versprechen, dass es großartig sein wird.
Nick Park: Es ist lustig, wie wir, als Toy Story vor 30 Jahren herauskam, dachten: „Oh Mann, das ist die Zukunft.“ Und wir fragten uns, wie lange wir unsere Filme noch machen könnten. Aber jetzt scheint es einen Aufschwung zu geben, weil es heute mehr Stop-Motion-Bewegungen gibt als vor 30 Jahren.
Ihr habt vorhin erwähnt, dass euer neuer Film eine Fortsetzung von Die Technohose aus dem Jahr 1993 ist. Habt ihr das Gefühl, dass es schwierig ist, ein neues Publikum zu gewinnen? Ist der Film für das Publikum von damals gedacht oder versucht ihr, ein neues anzulocken?
Nick Park: Wir würden gerne beides machen. Natürlich gibt es viele Leute, die Die Technohose kennen. Aber wir können nicht davon ausgehen, dass jeder den Film kennt. Deshalb mussten wir einen Weg finden, denjenigen entgegenzukommen, die ihn nicht kennen.
Merlin Crossingham: Es war ein großer Teil der Mission von Netflix, Wallace & Gromit einem neuen Publikum zugänglich zu machen, das noch nie einen Film von ihnen gesehen hat. Es ist ein Film, der den Menschen hoffentlich diese Charaktere näher bringt und sie dazu bringt, die alten zu entdecken. Gleichzeitig haben Wallace, Gromit und Nick eine sehr treue Fangemeinde und der Film muss auch für sie funktionieren. Darüber haben wir während der Dreharbeiten zum Film ausführlich gesprochen. Es muss in beide Richtungen funktionieren.
Eine Frage zu Ihrer Co-Regie beim Film. Wie sah das aus? Habt ihr bei verschiedenen Szenen Regie geführt oder habt ihr alles zusammen gemacht?
Nick Park: Als Mark und Merlin recht früh dazukamen, beschäftigten wir uns zu diesem Zeitpunkt noch mit der Geschichte und versuchten, die Dinge zu finalisieren und herauszufinden. Das heißt, wir waren beide am Storyboarding beteiligt. Manchmal haben wir die Szenen vertauscht, sodass wir beide alles kannten und sicherstellen konnten, dass die Geschichte wirklich funktioniert und alles zusammenpasst.
Merlin Crossingham: Was die eigentlichen Dreharbeiten angeht, war es dann doch so ziemlich 50:50, nicht wahr? Es war nicht so, dass ich die erste Hälfte des Films gemacht hätte und Nick die zweite Hälfte des Films. Wir fragten uns gegenseitig, ob es bestimmte Sequenzen gibt, bei denen einer von uns unbedingt Regie führen wollte. Es stellte sich heraus, dass es sich um alternative Sequenzen handelte, was sich praktisch den ganzen Film über hingezogen hat. Es war wirklich wichtig, dass wir am Morgen, als wir uns die Arbeit vom Vortag ansahen, über Dinge sprachen, die funktioniert hatten, Dinge, die nicht funktioniert hatten, Dinge, die anstanden, und Herausforderungen, vor denen wir standen. Es wäre für uns beide ziemlich einfach gewesen, in unterschiedliche Richtungen zu gehen und ganz unterschiedliche Filme zu machen. Aber dazu kam es nicht, weil wir in der Vorproduktion so hart zusammengearbeitet hatten. Ich habe das Gefühl, dass wir uns beide in kreativer Hinsicht auf derselben Reise befanden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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