Pepe
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Pepe
„Pepe“ // Deutschland-Start: 10. Januar 2025 (MUBI)

Inhalt / Kritik

Vor vielen Jahren kamen die Eltern von Pepe, einem Flusspferd, nach Kolumbien. Sie waren zwei von vielen Tieren, die im Privatzoo des Drogenbarons Pablo Escobar ihren Platz fanden und mit viel Aufwand von Afrika nach Südamerika geschafft wurden. Wiederum einige Jahre später ist das Drogenimperium Escobars zerfallen und Pepe von seiner Herde nach einem Kampf ums Revier verstoßen worden. Als Monster von den einheimischen Fischern angesehen, wird er gejagt und letztlich getötet. Aus dem Jenseits erzählt Pepe nun seine Geschichte, doch so richtig schlau wird auch das Flusspferd nicht aus dem, was ihm während seines Lebens widerfahren ist. Fragmentarisch ist die Erinnerung und mit vielen Fragen versehen, vor allem, wo er eigentlich gelandet ist, warum man ihn als Monster ansah und nach dem Grund, der schließlich zu seinem Tod führte. Pepes Geschichte ist zugleich eine Suche nach diesen Antworten.

Eine denkbare Identität

Die filmischen Arbeiten des Regisseurs und Intellektuellen Nelson Carlo de los Santos Arias sind in der reichen Tradition der lateinamerikanischen Literatur und Kunst verwurzelt. In Filmen wie Cocote oder Santa Teresa & Otras Historias verwebt er erzählerisch wie auch ästhetisch verschiedene Einflüsse, Ebenen und Genres, sodass auch eine neueste Arbeit Pepe Elemente des Spielfilms enthielt sowie dokumentarische Sequenzen. Die Geschichte des Flusspferdes Pepe wird zu einer allegorischen Erzählung über Identität und das Narrativ einer Kultur, einer Verbindung zwischen Postkolonialismus und Mythologisierung.

In den 1980ern wurden im Namen Pablo Escobars Flusspferde und viele andere Wildtiere von Afrika nach Kolumbien gebracht, wo sie als Attraktionen in seinem Privatzoo dienen sollten. Nach dem Tod des Drogenbarons 1993, dessen Bilder zu Beginn von Pepe dem Zuschauer ins Gedächtnis gerufen werden, waren die Tiere sich selbst überlassen, wobei die Flusspferde mit der Zeit zu einer echten Plage für die Kolumbianer wurden. Die Veränderung der Wahrnehmung, von einer Attraktion, die zum Status Escobars beitrug, hin zu einem Monster, das Fischer und Farmer verschreckte, ist Teil des Monologs des Flusspferdes, den es aus dem Jenseits heraus spricht. Der von Schauspieler Jhon Narváez vorgetragene Text dient im Verlauf des Films zwar als Überleitung zwischen einzelnen Stationen, der eigenen Biografie sowie der Geschichte der Eltern, zwischen Namibia und Kolumbien, doch eine erzählerische Orientierung sollte man als Zuschauer nicht erwarten.

Einem filmischen Essay ähnlich sind es die Fragen, die Pepe beschäftigen und die einer Antwort bedürfen, an denen sich der Film narrativ orientiert. Pepe ist dabei ein mürrischer und an vielen Stellen auch sehr humoristischer Erzähler, selbst an Stellen, die dem Zuschauer eigentlich recht traurig oder brutal vorkommen, wie beispielsweise die Aufnahmen zum Umgang mit den Flusspferden nach dem Tode Escobars. Die eigene Identität als Konstante oder als strukturgebendes Element ist bei Pepe nicht gegeben, was die fragmentarische Struktur erklärt, die den Reiz aber auch die Herausforderung dieses Filmes ausmacht.

Die große Unsicherheit

Immer wieder bricht Pepe jedoch auch mit dieser Vorgehensweise und weicht auf nachgestellte Szenen oder Spielfilmszenen aus. So begleiten wie beispielsweise eine deutsche Reisegruppe in Südafrika, deren Reiseführer die Geschichte eines Einheimischen korrigiert. Die Bedeutung der Flusspferde für seine kulturelle Identität wird belächelt und als Affirmation der eigenen Überlegenheit gewertet, doch sobald es ernst wird, als der Afrikaner auf einmal davon berichtet, wie die Flusspferde Menschen angriffen, wird er zum Schweigen aufgefordert. Es sind solche Momente, die Arias nutzt, um mehr als deutlich auf die Intention bzw. die Bedeutung seines Filmes hinzuweisen, in dem Identität fremdbestimmt ist, ein kulturelles Narrativ kontrolliert wird und eine auf Konstanten basierende Biografie nicht mehr möglich ist.

Selbst die audiovisuelle Machart von Pepe, bei dem Szenen ineinander übergehen, Bilder verfremdet werden oder man als Zuschauer bisweilen nur mit dem Ton der dem Dialog einer Szene zurückgelassen wird, verweist auf die Unsicherheit beim Erzählen eines Lebens. Somit passt ein Filme wie Pepe thematisch zu aktuellen Werken wie Togoland Projektionen oder Dahomey, wobei kritisch anzumerken sei, dass Arias’ Film immer wieder auf der Stelle tritt und seine Laufzeit von über zwei Stunden nicht vollends rechtfertigt.

Credits

OT: „Pepe“
Land: Deutschland, Frankreich, Namibia, Dominikanische Republik
Jahr: 2024
Regie: Nelson Carlo de los Santos Arias
Drehbuch: Nelson Carlo de los Santos Arias
Musik: Nelson Carlo de los Santos Arias
Kamera: Nelson Carlo de los Santos Arias, Camillo Soratti, Roman Lechapelier

Bilder

Trailer

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Pepe
fazit
„Pepe“ ist ein Spielfilm mit einigen dokumentarischen Elementen, in dem es um das Fehlen einer klar definierten Identität geht. Nelson Carlo de los Santos Arias erzählt die Geschichte eines Flusspferdes als Allegorie auf Menschen und Kulturen, deren Narrativ verdreht, verändert oder gar falsifiziert wurde. Das ist ein starkes und von der Idee her interessantes Projekt, tritt aber erzählerisch immer wieder auf der Stelle.
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