The Courageous Les Courageux
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The Courageous

The Courageous Les Courageux
„The Courageous“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Die alleinerziehende Jule (Ophélia Kolb) ist nicht gerade das Paradebeispiel für eine perfekte Mutter – zumindest auf den ersten Blick. Als sie ihre Kinder Claire (Jasmine Kalisz Saurer), Loïc (Paul Besnier) und Sami (Arthur Devaux) mit einer einzigen Limonade und dem Versprechen „Bin in fünf Minuten zurück“ sitzen lässt, sehen sich die drei nach einer gewissen Wartezeit gezwungen, den langen und nicht ungefährlichen Heimweg alleine und zu Fuß anzutreten. Doch trotz Jules fragwürdiger Entscheidungen wird schnell klar: Diese Familie hält zusammen. Die Kinder verteidigen ihre Mutter in der Schule mit einer Loyalität, die man fast rührend nennen könnte. Aber Jule ist nicht ehrlich zu ihnen – weder über ihre prekäre Lebenssituation noch über die Illusion eines Hauskaufs, der offensichtlich zum Scheitern verurteilt ist.

Ein Blick hinter die Fassade

In ihrem Spielfilmdebüt Les Courageux entwirft die schweizerisch-amerikanische Regisseurin Jasmin Gordon ein realistisches und zugleich bedrückendes Bild einer Familie, die in der Schweiz, einem der reichsten Länder der Welt, unterhalb des Existenzminimums lebt. Dabei verzichtet der Film auf Erklärungen mit dem Holzhammer. Wo ist der Vater? Was hat Jule in die Situation gebracht, in der sie sich befindet? Der Film gibt darauf keine klaren Antworten. Stattdessen setzt er auf subtile Hinweise: Gesprächsfetzen, beiläufige Bilder oder Andeutungen laden das Publikum dazu ein, sich die Hintergründe selbst zu erschließen. Besonders in der ersten Hälfte bleibt vieles im Dunkeln, da der Fokus auf den Kindern liegt. Jules Abwesenheiten bleiben unerklärt, und das Publikum muss sich selbst zusammenreimen, womit sie ihre Zeit verbringt.

Erst im weiteren Verlauf rückt Jule stärker in den Mittelpunkt, und wir sehen ihre verzweifelten Versuche, eine den gesellschaftlichen Normen entsprechende Existenz (wieder)aufzubauen. Wenn Jule schließlich zu drastischen Mitteln greift, möchte man ihr am liebsten zurufen: „Lass es sein!“ Doch so sehr man sie für ihre Lügen und impulsiven Entscheidungen verurteilen kann, sie bleibt eine zutiefst menschliche Figur. Ihr Umgang mit ihren Kindern – voller Wärme, Humor und Liebe – macht sie trotz allem sympathisch. Sie kämpft, scheitert, lügt und strauchelt, aber alles in dem Versuch, ihren Kindern ein Stück heile Welt zu erhalten. Besonders Claire, die älteste Tochter, erkennt zunehmend die Brüche in dieser Fassade. Sie übernimmt Verantwortung, passt auf ihre jüngeren Brüder auf und versucht, ihrer Mutter bei ihren Problemen zu helfen – dabei ist sie selbst doch noch ein Kind. Umso schöner sind die wenigen Momente, in denen Claire einfach sie selbst sein darf, unbeschwert und frei von den Sorgen, die eigentlich nicht auf ihren Schultern lasten sollten.

Ein starkes Ensemble in einer bedrückenden Welt

Die Besetzung des Films könnte nicht besser sein. Ophélia Kolb überzeugt als Jule, die zwischen verzweifeltem Überlebenswillen und der ständigen Angst, alles zu verlieren, hin- und hergerissen ist. Ihre nervöse Energie wird perfekt von Andi Widmers Handkameraführung eingefangen, die dem Film eine nahezu dokumentarische Authentizität verleiht. Aber auch die jungen Darsteller Jasmine Kalisz Saurer, Paul Besnier und Arthur Devaux glänzen in ihren Rollen als ungleiche, aber eng verbundene Geschwister. Ihre Chemie wirkt so echt, dass man fast vergissen kann, dass es sich um Schauspiel handelt.

Les Courageux, der 2024 beim Toronto International Film Festival Premiere feierte und beim Zurich Film Festival 2024 den ZFF Critics Award und den Preis der Zürcher Kirchen gewann, ist nun als einziger französischsprachiger Beitrag im Wettbewerb des Max Ophüls Preis vertreten. Er ist dabei mehr als ein bewegendes Sozialdrama. Der Film fordert das Publikum heraus, die eigene Sichtweise zu hinterfragen: Was macht eine gute Mutter oder einen guten Vater aus? Ist Liebe allein genug? Oder wiegt der Versuch, die Realität zu verschleiern, schwerer als die Absicht, zu schützen? Jasmin Gordon liefert keine einfachen Antworten. Vieles bleibt bewusst unklar, und genau darin liegt die Stärke des Films.

Credits

OT: „Les Courageux“
Land: Schweiz
Jahr: 2024
Regie: Jasmin Gordon
Drehbuch: Julien Bouissoux, Jasmin Gordon
Musik: Mirjam Skay
Kamera: Andi Widmer
Besetzung: Ophélia Kolb, Jasmine Kalisz Saurer, Paul Besnier, Arthur Deveaux, Sabine Timoteo

Trailer

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The Courageous
fazit
„Les Courageux“ ist ein intensives, emotional forderndes Drama, das durch seine nuancierten Figuren und die beeindruckende Darstellung der inneren Kämpfe einer Mutter besticht. Der Film ist ein stark gespieltes, gesellschaftlich relevantes Werk, das durch seine Authentizität und emotionale Tiefe überzeugt und durch einige bewusst offen gelassene Fragen dazu einlädt, über Themen wie Elternschaft, Verantwortung und soziale Ungerechtigkeit nachzudenken.
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