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Die Freude war groß, als der Mann (Nicolas Cage) an den Strand an der Küste Australiens fuhr. Dort war er als Kind aufgewachsen, bis seine Familie in die USA auswanderte. Nun ist er zurück, will mit seinem Sohn (Finn Little) surfen gehen und diese wertvolle Erfahrung teilen. Doch daraus wird nichts, inzwischen haben dort die von Scully (Julian McMahon) angeführten BayBoys das Sagen. Und die lassen niemanden ins Wasser, der nicht in der Umgebung wohnt. Dass der Mann von hier stammt und kurz davor steht, sein altes Familienhaus zu kaufen, welches nur einen Steinwurf entfernt ist, lässt niemand als Argument gelten. Er soll verschwinden, sonst droht ihm Gewalt. Nur will er sich davon nicht abhalten lassen. Stoisch harrt er in seinem Luxuswagen auf dem Parkplatz aus, selbst als er anfängt, jegliche Kontrolle über die Situation zu verlieren …
Ein Mann kämpft gegen den Verlust
Seitdem Nicolas Cage seine Schulden abbezahlt hat, ist er nicht nur finanziell frei. Er kann sich zudem aussuchen, welche Filme er dreht. Und das macht sich bemerkbar: Anstatt wie am Fließband irgendwelche plumpen Direct-to-Video-Actionfilme abzudrehen, sucht er sich immer wieder interessante Projekte aus. Werke wie die selbstironische Komödie Massive Talent über eine fiktionalisierte Version seiner selbst, die surrealen Traumerscheinungen in Dream Scenario oder auch der Serienkiller-Thriller Longlegs gehören zu den spannendsten Beiträgen in seiner langen Karriere. Mit The Surfer kommt nun ein Werk hinzu, das an manchen Stellen zwar an die traurige Phase seiner Massenproduktionen erinnert, daraus aber etwas ganz Eigenes macht.
So handelt es sich um einen Film, bei dem anfangs einem Menschen Unrecht zugefügt wird. Daraus ergibt sich in den meisten Fällen ein Rachefeldzug, das Unrecht muss gesühnt werden. Stattdessen lässt sich der Protagonist alles gefallen. Natürlich protestiert er. Aber er zieht sich zurück, in einer Mischung aus Trotz und Verzweiflung. Schließlich hat er keinen Plan B. Der Kauf seines alten Familienhauses ist für ihn der einzige Lichtblick. Wenn er das schafft, wird alles gut. Also klammert er sich an das Symbol, während alles den Bach runtergeht. Seine Ehe ist bereits gescheitert, die Beziehung zum Sohn ist schwierig. The Surfer erzählt die Geschichte eines Mannes, der es auf den ersten Blick geschafft hat mit dem teuren Wagen, dem Anzug, der wertvollen Uhr, und der doch irgendwie nichts hat – und selbst das noch verliert.
Tragisch, bizarr, sehenswert
Das klingt tragisch, ist es auch. Die Grundgeschichte hätte sich für ein Drama geeignet. Stattdessen hat Regisseur Lorcan Finnegan, der zuvor schon in Without Name, Vivarium – Das Haus ihrer (Alp)Träume und Nocebo seine Vorliebe für seltsame Genrebeiträge demonstriert hat, aus dem Stoff einen Psychothriller gemacht. Je mehr Zeit der namenlose Protagonist auf dem Parkplatz wartet und auf seine Chance hofft, umso stärker verschwimmen die Grenzen zwischen der Realität und der Vorstellungskraft. Von Anfang an wirkt der Mann labil, nicht ganz bei sich. Durch die zunehmende Dehydrierung kommen Visionen hinzu, die zwischen schrecklich und lustig wechseln – und gern auch mal bizarr. Sehr viel Handlung hat The Surfer dabei nicht. Auch beim Schauplatz gibt es wenig Abwechslung: Ein Großteil der Geschichte spielt auf dem Parkplatz, manchmal geht es auch an den Strand.
Das wird manchen zu wenig sein. Nicht wenige Zuschauer und Zuschauerinnen werden das Ergebnis langweilig finden. Oder auch anstrengend: Die kontinuierlichen Demütigungen durch die abscheulichen Menschen sind schwer zu ertragen. Und doch ist der Thriller, der 2024 in Cannes Weltpremiere hatte, sehr sehenswert. Die eigentümliche Atmosphäre, wenn sonnendurchflutete Strandidylle und hypnotische Synthieklänge zusammenkommen., ist nicht von dieser Welt. Man darf auch viel über den Film nachdenken, wenn er gesellschaftliche Themen anspricht und dabei die Identität dekonstruiert wird. Wichtig dabei ist ein Obdachloser (Nicholas Cassim), der auf dem Parkplatz lebt und dessen Schicksal mit dem des Protagonisten verschwimmt. Auch Gegenwart und Vergangenheit sind kaum noch voneinander zu trennen. Zusammengehalten wird The Surfer wenig überraschend durch Cage, der hier tragische Gestalt und Irrer in einem ist, eine Identifikationsfigur, die doch auch immer fremd bleibt.
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