Amon Maynard (Laurence Rupp) ist reich. Sehr reich sogar, als Investor und Unternehmer ist er zu einem großen Vermögen gekommen. Dieses nutzt er nicht nur, um sich und seiner Familie ein Leben in Saus und Braus zu finanzieren. Es hat ihn auch unantastbar gemacht, wie er immer wieder feststellt. Schließlich tötet er regelmäßig Menschen, ohne dass dies bislang Konsequenzen für ihn hatte. Seine Tochter Paula (Olivia Goschler) hat diese Weltsicht übernommen. Zur Mörderin ist sie noch nicht geworden. Aber auch sie hat verstanden, dass Regeln dazu da sind gebrochen zu werden, wenn man sich das leisten kann. Und das kann sie, wie der Rest der Familie …
Die Regeln der Reichen
Mit der Welt der Reichen und Mächtigen kennen sich Daniel Hoesl und Julia Niemann aus, das haben sie vor einigen mit ihrem Dokumentarfilm Davos bewiesen. Damals nahmen sie uns mit zu der gleichnamigen Schweizer Gemeinde, die als Luftkurort bekannt war, heute aber vor allem wegen des Weltwirtschaftsforums berühmt und berüchtigt ist. Der Film kontrastierte diese Welt mit der lokalen Bevölkerung, die sehr nahe und sehr fern zugleich ist. In ihrem Folgewerk Veni Vidi Vici nehmen uns die beiden erneut mit zu den Leuten, die in eigenen Sphären leben. Dieses Mal bleibt der Kontrast aber überwiegend aus. Dann und wann begegnen wir zwar schon noch Menschen, die nicht Teil des elitären Clubs sind. Wo diese aber bei dem obigen Beitrag viel Aufmerksamkeit erhielten, sind sie hier über weite Strecken nicht mehr als Hintergrunddeko. Wenn sie nicht gerade erschossen werden.
Dass die anderen nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten, liegt auch an der Perspektive. So wird das Geschehen oft von Paula kommentiert, der Tochter des Protagonisten. Und die hat ebenso wenig Interesse an den Menschen, die fehlende Empathie ist in dieser Familie erblich. Veni Vidi Vici macht insofern wenig Hoffnung darauf, dass sich etwas ändern wird. Die frühere Annahme, dass nachwachsende Generationen liberaler, linker, moralischer sind, wird derzeit in vielen Ländern in Frage gestellt. Der Film lässt erst keinen Zweifel daran, dass das hier nicht besser wird. Klar, beim Polo-Spiel zu betrügen, ist kaum mit einem eiskalten Mord zu vergleichen, da ist die Jugendliche noch ein ganzes Stück vom Vater entfernt. Und doch finden sich Parallelen, wenn sie derselben Lebensphilosophie folgen. Sie können sich alles erlauben, weil sie es einfach tun und niemand da ist, der sie aufhält. Nicht ohne Grund steht am Anfang das Zitat „The Point is, who will stop me?“ von Ayn Rand.
Der Schock der Gleichgültigkeit
Das ist dann auch der schockierende Part des Films. Dass Reiche sich alles herausnehmen und davon überzeugt sind, keine Konsequenzen für ihr Handeln zu erfahren, ist kein sonderlich origineller Einfall. Das entspricht vielmehr dem Klischee. In Veni Vidi Vici scheint sich aber auch niemand so wirklich dafür zu interessieren, dass da jemand Gott spielt. Man nimmt das in Kauf, zeigt eine Gleichgültigkeit, die sogar Amon selbst irritiert. Er genießt die Freiheit und hadert doch auch damit. Das ist prinzipiell interessant, wird aber von Hoesl, der auch das Drehbuch geschrieben hat, nicht weiter vertieft. Allgemein bleibt die Satire an der Oberfläche, sei es im Hinblick auf die Figuren oder die beschriebene Welt. Es ist auch nicht so, als würden die Ideen weiterentwickelt.
Das kann den Film frustrierend machen, für andere vielleicht auch langweilig. Und doch ist er deswegen auch sehenswert. Die österreichische Komödie, die auf dem Sundance Film Festival 2024 Premiere feierte und anschließend bei mehreren Festivals lief, provoziert gerade durch die Beiläufigkeit, mit der alles erzählt wird. Es gibt keine Läuterung, keine Eskalation, es geht einfach so weiter wie immer. Veni Vidi Vici zeigt eine Gesellschaft, in der die Ungerechtigkeit so sehr Teil des Systems ist, dass dies keine Reaktionen mehr hervorruft. Wo in Davos noch protestiert wird, reicht es beim Spielfilm nur für Schulterzucken. Die Schlussfolgerungen sind irgendwie noch erschreckender als die begangenen Morde. Trotz der idyllischen Settings und der freundlichen Farben darf es einem hier richtig unangenehm werden.
OT: „Veni Vidi Vici“
Land: Österreich
Jahr: 2024
Regie: Daniel Hoesl, Julia Niemann
Drehbuch: Daniel Hoesl
Musik: Manuel Riegler, Gerhard Daurer
Kamera: Gerald Kerkletz
Besetzung: Laurence Rupp, Ursina Lardi, Olivia Goschler, Kyra Kraus, Tamaki Uchida, Dominik Warta, Markus Schleinzer
Sundance Film Festival 2024
International Film Festival Rotterdam 2024
Filmfest München 2024
Fünf Seen Filmfestival 2024
Around the World in 14 Films 2024
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