Pfau – Bin ich echt? erzählt die Geschichte einer Agentur, die ungewöhnliche Dienste anbietet: Die Angestellten können beauftragt werden, sich als beliebige Menschen auszugeben, etwa als Partner oder als Sohn. Einer dieser Angestellten ist Matthias, der die Kunst der Anpassung und Verwandlung perfektioniert hat, dabei aber zunehmend sich selbst verloren hat, worunter auch seine Beziehung leidet. Anlässlich des Kinostarts am 20. Februar 2025 haben wir uns mit Hauptdarsteller Albrecht Schuch getroffen. Im Interview sprechen wir über die Arbeit an dem Film, versteckte Emotionen und die Suche nach sich selbst.
Was hat Sie an Pfau – Bin ich echt? gereizt? Warum wollten Sie den Film drehen?
Als ich das Drehbuch gelesen habe, wusste ich, dass ich den Film gern selbst als Zuschauer sehen würde im Kino. So ein Film würde mir gefallen, weil dieser auch österreichisch gefärbte Humor gemixt wurde mit einem skandinavischen wie von Ruben Östlund oder einem griechischen à la Yorgos Lanthimos. In diese Richtung ging das für mich in seiner tragischen Komödie. Ich mochte diese Art von Humor, die auch Elemente einer Farce enthält, sehr. Das traf absolut meinen Geschmack. Auf so etwas habe ich die ganze Zeit gewartet.
Und warum haben Sie dann mitgespielt, anstatt nur zuzusehen?
Ich habe beim Casting festgestellt, dass ich keine Ahnung habe, wie ich eine solche Figur spielen soll, wie ich einem Menschen auf den Grund gehen und ihn darstellen kann, der offensichtlich keinen Bezug zu seinen eigenen Gefühlen hat. Am Anfang dachte ich, da wäre nichts, bis ich gemerkt habe, dass da schon etwas ist – es ist nur wahnsinnig verborgen, wahnsinnig versteckt, wahnsinnig unterdrückt. Er geht seinen Gefühlen aus dem Weg. Diese Konfliktvermeidung kennt glaube ich jeder, in unterschiedlicher Ausprägung. Bei Matthias ist das in einer höchstmöglichen Form der Fall. Er ist ein People Pleaser vor dem Herrn, dem sein Beruf behilflich war, das noch zu verstärken. Bloß keine Unruhe, bloß keinen Makel. Denn dafür ist in seinem makellosen Umfeld, wo die Menschen einen bestimmen Schein wahren wollen, kein Platz. Das fand ich sehr spannend, wusste aber zunächst nicht, wie sich das schauspielerisch umsetzen lässt. Sonst haben meine Figuren immer einen sehr klaren Konflikt und eine sehr klare Haltung. Das war also die Herausforderung.
Und wie haben Sie es geschafft, ihn doch noch zu finden?
Bernhard Wenger wusste in seiner Personalunion aus Regie und Drehbuch einfach, wovon er spricht. Das war so minutiös erdacht und gemeißelt, dass er für mich zum besten Sparring Partner wurde. Wir haben viele Gespräche geführt und uns abgeglichen, wodurch ich dann das Vertrauen entwickelt habe, dass wir von demselben sprechen.
Matthias ist jemand, der die ganze jemand anderes spielt und sich dabei selbst verloren hat. Wie sehr können Sie sich damit identifizieren, da Sie selbst immer wieder jemand anderes spielen?
Mein Beruf bedeutet vor allem das Herstellen von Emotionen. Manchmal fällt es einem dennoch schwer, Zugriff zu den eigenen Emotionen zu haben. Das passiert vor allem, wenn man nicht gut nachbereitet. Ich habe irgendwann begriffen, dass du eine Rolle nicht nur vorbereiten, sondern auch nachbereiten musst. Sonst bleiben Fussel hängen. Emotionen, die zu Stimmungen führen, die nichts mit den Eigenen zu tun haben, die sich aber über die eigene drüberlegen und vorgaukeln, es seien die eigenen. Dessen muss ich mir bewusstwerden, um die Emotionen wieder auseinander zu flechten.
Wie lange dauert das, bis eine Rolle verarbeitet ist?
Ganz unterschiedlich. Bei einem Reinhold aus Berlin Alexanderplatz und einem Uwe Mundlos aus NSU – Die Täter dauert es natürlich viel länger als bei einem Jens aus Die stillen Trabanten. Die Arbeit ist jedoch dieselbe.
Und wie schwierig war es, einen Matthias hinter sich zu lassen, der ja keine Emotionen ausdrückt?
Matthias hat ja durchaus Emotionen. Und ohne zu viel vorwegzunehmen: Er hat einen kathartischen Moment, wo er seinen eigenen Emotionen nicht mehr aus dem Weg gehen kann und beginnt, sich mit diesen auseinanderzusetzen, mit seinen Bedürfnissen. Vorher war er aber wirklich schwierig und ich habe jeden Tag versucht, ihn ein wenig hinter mir zu lassen, weil mich das so wahnsinnig gemacht hat. Ich bin dann etwa schwimmen gegangen oder zum ImPulsTanz Festival. Das ist dann das komplette Gegenprogramm zu Matthias, der seinen Impulsen gar nicht mehr folgt. Allein schon das Zuschauen war sehr heilsam.
Ganz allgemein: Wenn man ständig in die Rollen anderer schlüpft, hilft das einem, sich selbst zu finden, oder ist es eher ein Hindernis?
Für mich war es meistens das Gefühl einer bewusstseinserweiternden Erfahrung, weil es die Begegnung ist mit einem Menschen und seinen Gefühlen, Bedürfnissen, Abgründen und Vorlieben. Und ich habe mir dann jedes Mal die Frage gestellt: Wo sind die Gemeinsamkeiten? Das hilft total beim Wahrnehmen der eigenen Eigenschaften und des eigenen Bewusstseins, des eigenen Ich-Zustands. Dadurch lerne ich ernst, bestimmten Dingen einen Ausdruck und einen Namen zu geben. Ich setze mich mit Akzeptanz auseinander, mit Widersprüchlichkeiten in ein und demselben Körper. Jeder kennt das Gefühl, das eine tun zu wollen und dann doch etwas anderes zu tun – warum auch immer. Deswegen ist jede Begegnung mit einer Rolle erweiternd für mich.
Fördert das dann auch die Empathie, wenn man mit Widersprüchen und Sachen konfrontiert wird, die man nicht selbst ist?
Ich denke schon. Dieser Beruf hat meiner Meinung nach sehr viel mit Zuhören zu tun. Wer ist das? Warum macht er das? Ich muss mich da immer mit meinen Urteilen zurückhalten. Das ist wie im richtigen Leben: Wenn ich zu schnell urteile, ist das eine vertane Chance, eine Einigung zu finden. Eine vertane Chance, einen Wir-Zustand herzustellen. Zuhören und austauschen ist erweiternd und heilsam – und damit auch Empathie fördernd.
Sie haben schon die sehr unterschiedlichen Rollen angesprochen, die Sie gespielt haben. Gibt es denn noch eine, von der Sie sagen: „So etwas möchte ich einmal spielen.“?
Ich will unbedingt mal Siegfried spielen oder in einem klassischen Sportfilm und unbedingt in einem Actionfilm mitmachen. Mit Siegfried meinte ich übrigens Siegfried und Roy, das sollte ich vielleicht noch hinzufügen.
Und ich dachte schon, Sie meinten Siegfried aus der Nibelungensage.
Nein. Wobei, das wäre auch toll. So ein richtiger Mittelalterfilm mit Action und Reiten, darauf hätte ich auch Lust. Gerade drehe ich mit Idris Elba die Fortsetzung von Hijack und das macht mir extrem viel Spaß. Das hat nicht die Komplexität der Filme, die ich sonst mache, und ich merke, wie mir das total gut tut. Das ist befreiend. Das ist Pop. Und Pop ist gut, wenn es guter Pop ist.
Was wäre denn ein Beispiel für einen guten Pop-Film?
Gladiator mochte ich schon ganz gern. Star Wars, die ursprünglichen drei Filme, ich habe sie geliebt. The Wire war großartig.
Wir hatten es schon von dem Thema Identität. Der Untertitel des Films lautet auch „Bin ich echt?“. Die Situation von Matthias oder als Schauspieler ist mit dem Identitätswechsel natürlich schon etwas Besonderes. Aber auch wir als normale Menschen sind es gewohnt, nach außen hin jemanden verkörpern zu wollen, der wir nicht sind. Können wir überhaupt echt sein?
Ja, das glaube ich schon. Natürlich ist das ein Zustand, den wir nur selbst einschätzen können und den wir unterschiedlich bewerten. Ich fühle mich dann echt, wenn ich in der Natur bin. Oder auch jetzt, wenn ich Ihnen eine Antwort gebe und nicht daran denke, was andere gern hören würden. Wenn ich der Versuchung aus dem Weg gehe, Erwartungen entsprechen zu wollen, sondern das sage, was ich meine und wie ich mich fühle. Das kann auch mal bedeuten, in einer Runde zu sitzen und nichts zu sagen, wenn ich mich nicht danach fühle. Wenn ich nicht einem Bild entsprechen will, dann fühle ich mich echt und natürlich. Das kann auch mal bedeuten, sich mit Mustern und Mechanismen auseinanderzusetzen. Wir alle haben sie in unserer Rolle, die wir täglich ausüben: ich als Schauspieler, Sie als Journalist, andere als Lehrer oder Landwirt. Das heißt nicht, dass wir deshalb unecht sind. Aber es hilft schon, sich dessen bewusst zu werden und darüber nachzudenken: Bin ich das gerade?
Letzte Frage: Was steht als nächstes bei Ihnen an?
Ende des Jahres kommt noch Stiller ins Kino, eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Max Frisch.
Vielen Dank für das Gespräch!
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