
Pierre Chavanges (Swann Arlaud) liebt seine Kühe. Mit großer Leidenschaft führt er den Hof seiner Familie, hat dieser Arbeit alles untergeordnet. Seine Freunde hat er vernachlässigt, mit Mitte 30 ist er auch noch immer Single. Doch all diese Mühe ist umsonst, als eine Krankheit umgeht und immer mehr Tiere infiziert. Ist erst einmal eines krank, kann der entsprechende Betrieb zumachen, da der gesamte Bestand getötet werden muss. Theoretisch gibt es Entschädigung vom Staat. Aber das kann dauern. Als eine von Pierres Kühen erste Symptome zeigt, ist die Sorge daher groß. Was, wenn es nun ihn erwischt hat? Und so versucht er um jeden Preis, die Sache zu vertuschen, in der Hoffnung, dass er das Schlimmste noch verhindern kann. Dabei zieht er auch seine Schwester Sara (Pascale Chavanges) hinein, die als Tierärztin arbeitet und dadurch zwischen den Fronten steht …
Das Leid der Landwirtschaft
In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Filmen gegeben, die sich mit dem Leid von Landwirten auseinandersetzen. Gerade in Frankreich hat das Thema diverse Filmschaffende beschäftigt. Da war beispielsweise das autobiografische Drama Das Land meines Vaters, wo sich ein Mann immer weiter verschuldet, um noch irgendwie den Familienbetrieb zu retten. Auch in Drift Away kam das Thema am Rand auf, wenn der Protagonist auf einen verzweifelten Bauern trifft, der sich nicht mehr weiterzuhelfen weiß. Und auch Bloody Milk zeichnet ein düsteres Bild von diesem Berufsstand, wenn wir einem Bauern folgen, dessen Betrieb plötzlich vor dem Aus steht. Hierzulande nahm man eher weniger Kenntnis von dem Drama. Daheim lief dieses aber recht erfolgreich, war auf mehreren Festivals und war für acht Césars im Rennen, von denen es immerhin drei gewann.
Wobei der Film nur zum Teil mit den obigen Kollegen zu vergleichen ist. Diese erzählten davon, wie schon der Alltag kaum noch zu meistern sind. Der große Preisdruck, zahlreiche Regulierungen – zusammen mit der sehr fordernden Arbeit und der mangelnden Anerkennung kann dies zu einer unmenschlichen Belastung werden. Ganz so weit geht das in Bloody Milk nicht. Eigentlich ist Pierre sehr gerne Milchbauer, hat sich damit arrangiert, dass diese Arbeit ein Privatleben nahezu unmöglich macht. In seinem Fall ist es eine Ausnahmesituation, die ihn an seine Grenzen führt. Aber auch der Film erzählt von letztendlich unzumutbaren Zuständen. Dass die Tiere beim Verdachtsfall alle gekeult werden müssen, ist einerseits verständlich und sinnvoll. Dass die betroffenen Landwirte aber mit den Folgen derart allein gelassen werden, ist schon am Rand des Skandals.
Spannend bis zum Schluss
Wobei Regisseur und Co-Autor Hubert Charuel gar nicht so sehr auf die politische Komponente besteht, das schwingt nur am Rand mit. Vielmehr ist Bloody Milk das Porträt eines Mannes, der für eine Sache lebt und diese nun zu verlieren droht. Das Motiv findet man auch in anderen Filmen wieder, etwa wenn es nach einer schweren Verletzung nicht mehr mit dem Sport klappt. Hier sind es eben Kühe. Der Unterschied: Während es bei anderen Titeln aussichtslos ist, gegen die Umstände anzukommen, tut Pierre alles dafür, die Wahrheit zu verdrängen, das Unausweichliche irgendwie zu verhindern. Dass er dabei auch zunehmend Gesetze bricht, lässt den Film zeitweise zu einem Thriller werden. Spannend ist es so oder so, wenn offen ist, worauf das alles hinausläuft.
Gleichzeitig versucht Charuel aber eben auch das Umfeld miteinzubeziehen. Da geht es mal um die übergriffige Mutter, von der er sich bedrängt fühlt. Eine Szene zeigt ihn mit seinen Freunden, die sich von ihm vernachlässigt fühlen. Vor allem aber die Beziehung zur Schwester bekommt Raum, da die zwei nun einmal auch beruflich miteinander zu tun haben. Was etwas kurz kommt, ist Pierre losgelöst von seiner Arbeit. Man erfährt zwar viel, was diese ihm bedeutet und wozu er bereit ist. Ansonsten bleibt er jedoch etwas schemenhaft, eben weil er sich diesem Beruf untergeordnet hat. Spannend ist das Ergebnis dennoch, nicht zuletzt weil Swann Arlaud (Anatomie eines Falls) in der Rolle des verzweifelten und zugleich skrupellosen Protagonisten überzeugt. Bloody Milk zeichnet ein ambivalentes Bild von diesem, weckt Verständnis für seine Taten, ohne diese deshalb gutzuheißen. Am Ende ist das Leben dann doch oft komplizierter, die einfachen Antworten bleiben aus.
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