
Mit ihrer Rinderfarm hat die Familie Bannon sich ihren Wohlstand und ihr Ansehen in Texas erarbeitet. Zwischen Familienoberhaupt Homer (Melvyn Douglas) und seinem Sohn Hud (Paul Newman) gibt es jedoch seit dem Unfalltod von Huds Bruder Spannungen, die dazu führen, dass beide sehr unterschiedliche Ideen haben, wie das Familienunternehmen geleitet werden soll. Die Spannungen werden intensiver, als bei einer der Kühe der Verdacht auf Maul- und Klauenseuche besteht, was das Ende für die Farm bedeuten könnte. Während Hud darauf drängt, die Tiere zu verkaufen, so lange der Verdacht bestätigt werden kann, will Homer die Untersuchungen der Ärzte abwarten. In der Mitte des Streits findet sich Lonnie (Brandon De Wilde), Homers Enkel und Huds Neffe, wieder, der beide Positionen irgendwie verstehen kann und zwischen den beiden Streithähnen vermitteln will. Auch Alma (Patricia Neal), die seit vielen Jahren im Haushalt der Farm aushilft, bemerkt die Auseinandersetzungen zwischen Homer und Hud, dessen Verhalten immer unberechenbarer wird. Schließlich eskaliert der Streit zwischen Vater und Sohn, nicht bevor jedoch Lonnie den wahren Grund erfährt, warum Homer auf seinen Sohn nicht mehr gut zu sprechen ist und warum Hud eine solche Wut auf seinen Vater hat.
Züchten und Töten
Der Wildeste unter Tausend ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des Autors Larry McMurty, der auch die Vorlage für Peter Bogdanovichs Die letzte Vorstellung schrieb. Beide Werke sind Teil der Texas-Trilogie McMurtys, in der er einen teils nostalgischen, teils verbitterten Blick auf US-amerikanische Ideale wirft. In einem Jahrzehnt, in dem gesellschaftlich wie politisch der Konflikt der Generationen spätestens ab 1965 für sehr viel Zündstoff sorgen sollte, setzte McCurry diesen Konflikt ins Zentrum des Zwistes der drei Hauptfiguren. Regisseur Martin Ritt, dessen Werke ebenfalls einen kritischen Blick auf die Geschichte und Gesellschaft seines Heimatlandes werfen, verfilmte den Roman mit Paul Newman, mit dem er bereits in Der lange heiße Sommer zusammengearbeitet hatte.
Horseman, Pass By, der Originaltitel von McMurtys Roman, bezieht sich auf die Inschrift des Grabes des irischen Dichters William Butler Yeats: Wirf einen kalten Blick/ auf das Leben, den Tod./ Reiter, zieh vorbei. Gemäß einer Interpretation dieser Zeilen kann man diese als eine Art Mahnung verstehen, das Leben wie auch den Tod nicht allzu ernst zu nehmen und beides mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Für Figuren wie Homer und Hud ist eine solche Distanz aus verschiedenen Gründen unmöglich, wegen einer Tragödie, die ihr Leben seit vielen Jahren bestimmt, und wegen des wirtschaftlichen Überlebens der Familienfarm, woran auch der letzte Rest Zusammenhalt zwischen ihnen hängt.
Wenn Homer davon erzählt, dass es einfacher ist, etwas zu töten als es groß zu ziehen und für es zu sorgen, beginnt man zu verstehen, dass es ihm, wie Hud und später auch Lonnie, eigentlich um etwas ganz Anderes geht. Ritts Film zeigt das Porträt einer Familie, die nur noch wegen wirtschaftlicher Aspekte zusammen ist, doch die emotional schon lange nicht mehr auf einer Wellenlänge sind. Während einer aber nicht mehr die Kraft hat, etwas groß zu ziehen und noch einmal von vorne zu beginnen, will der andere für sich alleine sein, ohne dabei zu beachten, dass er sich damit nur noch mehr von seinen Mitmenschen entfremdet.
Drei Generationen
Der deutsche Titel klingt schon weit mehr nach einem Western als der Originaltitel der Vorlage. Der von Paul Newman gespielte Hud ist der „Wildeste“, jedoch ist damit nicht wirklich viel Heldenhaftes verbunden. Newman spielt einen jungen Mann, der verbittert und stur ist, der nicht selten grausam und gekränkt ist. Ihm gegenüber gibt Melvyn Douglas den Patriarchen der Familie, der nostalgisch verklärt zurückdenkt an die „alte Zeit“ und der seinem Sohn nicht vergeben kann (oder will). Der eigentliche Held ist vielmehr Brandon De Wildes Lonnie, der in seinem Onkel und seinem Großvater viel sieht, was er liebt und bewundert, doch genauso viel, was ihn verstört und abschreckt. Der Wildeste unter Tausend ist eigentlich eine Täuschung, denn in der Geschichte geht es vielmehr um das Schweigen, das wie Blei auf dieser Familie lastet und jegliche Liebe, Zuwendung oder gar Empathie im Keim erstickt. Die junge Generation sucht Antworten für ihr Leben, Orientierung und Hoffnung, doch weder vom alten Familienoberhaupt noch von dem „jungen Wilden“ ist dies zu erwarten.
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