
Selbst wenn es Stimmen gibt, die dies anzweifeln, ist der Klimawandel nicht mehr länger eine Theorie aus einem Lehrbuch, sondern eine Tatsache in unserem Alltag geworden. Ende Februar 2025 schauen wir zurück auf einen Winter, der abermals ungewohnt warm war, was natürlich Auswirkungen auf unsere Umwelt haben wird, angefangen bei höheren Temperaturen bis hin zum Aussterben bestimmter Tier- und Pflanzenarten. Die Idee, dass es noch einen Weg zurück gibt, wird mehr und mehr zu einer Illusion, weshalb es ungemein wichtig geworden ist, zu handeln und sein Leben zu verändern, was leider noch immer nicht in der Vorstellung vieler Menschen angekommen ist. Dass das Thema Klimawandel und -schutz im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielt, spricht dabei für sich. Vor diesem Hintergrund ist der Fall des italienischen Forschers Gianluca Grimalda sehr interessant, da seine Weigerung, mit dem Flugzeug seine Forschungsreisen zu bestreiten zu seiner Kündigung beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel führte, was eine Welle der Empörung nach sich zog. Eine Petition für eine Weiterbeschäftigung blieb erfolglos und zunächst auch seine Klage vor dem Kieler Arbeitsgericht.
Die Dokumentation Der Wissenschaftler begleitet Grimalda, damals noch in Kiel beschäftigt, auf einer Forschungsreise nach Papua-Neuginea. Das Ziel seiner Reise war es aufzuzeigen, wie sie Bevölkerung dort sich an den Klimawandel angepasst hat und diese zugleich über diese Prozess aufzuklären, da viele der Inselbewohner nicht wissen, warum sie beispielsweise vieler ihrer Dörfer weiter ins Landesinnere umsiedeln mussten und der Meeresspiegel jedes Jahr weiter steigt. Aus Prinzip entschloss sich Grimalda, seine Reise nicht mit dem Flugzeug zu machen, sondern stattdessen auf Bus, Bahn und die Fähre zu setzen, was natürlich sehr viel länger dauert, dafür aber wesentlich weniger Emissionen verursacht. Regisseur Paolo Casalis, der den Wissenschaftler begleitet, zeigt dabei nicht nur die Arbeit des Italieners, denn in der zweiten Hälfte der Dokumentation geht es auch um die Folgen seiner Kündigung, die mit Grimaldas Entschluss, auf „slow travel“ zu setzen direkt in Verbindung stehen. Der Wissenschaftler ist dabei einerseits ein Porträt eines Forschers, der sich entschieden hat, nach seinem Gewissen zu handeln, andererseits aber auch ein Film darüber, was verloren geht, wenn wir uns nicht dazu durchringen können, einen Prozess zu verlangsamen, der schon nicht mehr aufzuhalten ist.
Das richtige Narrativ finden
Als Grimalda von einem Reporter zu den Aktionen von Gruppierungen wie der „Letzten Generation“ gefragt wird, erklärt er, dass man vielleicht noch nicht „das richtige Narrativ“ gefunden habe, um deutlich zu machen, warum Klimawandel ein Prozess ist, der alle etwas angeht und bei dem alle ihren Beitrag zu leisten können. Im Prinzip ist Der Wissenschaftler ein Beitrag dazu, eben dieses Narrativ zu finden, da durch die Erläuterungen des Forschers und besonders durch die Bilder der Dokumentation dieser Prozess nicht mehr länger eine abstrakte Größe ist. Den Großteil der 71 Minuten Laufzeit begleiten wir als Zuschauer Grimalda auf seiner teils sehr beschwerlichen Reise nach Papua-Neuguinea und später wieder zurück. Was jedoch bleibt sind die Bilder dieser Reisen, die Begegnungen mit Menschen einer anderen Kultur oder die Eindrücke eine Tempelanlage, die Grimalda besichtigt, während er abermals auf ein Visum oder eine wichtige Genehmigung warten muss.
Eigentlich braucht man den Kommentar des Forschers nicht, der daran erinnert, dass all diese Eindrücke vielleicht in ein paar Jahren nicht mehr möglich sein werden, wenn Reisen zu einer Seltenheit oder aufgrund des Klimawandels ganz unmöglich geworden ist. Natürlich kann man die „Schönheit der Langsamkeit“, wie es Grimalda poetisch beschreibt, bewundern, doch es bleibt der Eindruck einer Welt, die beim Thema Klimawandel festgefahren ist, wenn auf der einen Seite der Welt ein Dorf verschwindet und in einem anderen Land mehr und mehr Emissionen verursacht werden. Der Wissenschaftler verdeutlicht einmal mehr, dass Klimawandel nicht nur eine Tatsache geworden ist, sondern auch die weltweite Ungleichheit verstärken wird.
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