
Krankenschwester Paula (Ursula Strauss) ist gerade mitten im Dienst, als sie einen schockierenden Anruf erhält: An der Schule ihres Sohns Felix (Enzo Gaier) ist es zu einem Amoklauf mit mehreren Toten gekommen. Als sie an den Tatort eilt, bestätigen sich die größten Befürchtungen: Der 14-Jährige ist tot. Doch es kommt noch schlimmer, da Felix offensichtlich nicht das Opfer war, sondern der Täter. Nachdem er mehrere seiner Mitschüler erschossen hat, hat er sich selbst das Leben genommen. Für Paula ist das völlig undenkbar, ihr Sohn sei dazu nicht in der Lage gewesen. Erst nach und nach müssen sie, ihr Mann Michael (Peter Schneider) und Tochter Flora (Sophie Stockinger) sich mit der schrecklichen Wahrheit auseinandersetzen – und auch der Frage, ob sie die Tat hätten verhindern können …
Die Folgen eines Amoklaufs
Auch wenn wir Amokläufe an der Schule eher mit den USA in Verbindung bringen, können diese natürlich auch in Europa stattfinden. Das Entsetzen ist jedes Mal groß, aber auch die Ratlosigkeit. Wie konnte es dazu kommen? Hätte das Ganze nicht irgendwie vorher verhindert werden können? Eng damit verbunden ist die Schuldfrage. Diese macht die Tragödie zwar nicht ungeschehen, kann aber helfen, das alles zu verarbeiten. Von solchen Überlegungen ist auch in dem österreichisch-deutschen Fernsehfilm Die Stille danach die Rede, wenn eine Familie aus allen Wolken fällt, als der Sohn plötzlich mehrere Menschen tötet und niemand etwas davon geahnt hatte.
Als die Geschichte beginnt, ist die Katastrophe bereits geschehen. Sie wird auch nicht gezeigt. Später werden einige Überlebende schildern, was geschehen ist. Aber das bleibt an der Oberfläche, wird nie zum Thema. Ebenso wenig erfahren wir über die Opfer. Zwar ahnt man später, wer diese sein könnten, als wir mehr von der Vergangenheit von Felix mitbekommen. Das ist jedoch fast schon unwichtig. Stattdessen nimmt Regisseur und Drehbuchautor Nikolaus Leytner (Der Trafikant, Die Kinder der Villa Emma) die Perspektive des Umfeld des Täters an. Manchen könnte das sauer aufstoßen, da es letztendlich das wiederholt, was auch in der realen Welt zu beobachten ist. In Die Stille danach wird sehr viel über den Mörder gesprochen, jedoch kaum um diejenigen, die er getötet hat. So als wäre es zweitrangig, dass die Toten alle eine Identität hatten, eine Familie, eine Geschichte.
Eine (fast) normale Familie
Dafür macht das Drama in anderer Hinsicht etwas zu viel. So werden später noch Enthüllungen eingebaut, die offensichtlich die Sache noch komplexer machen sollen. Sie führen aber vielmehr dazu, dass der Film sich von den eigentlichen Themen entfernt. Das ist ein bisschen schade, da Die Stille danach ansonsten durchaus interessant ist. Dabei sind es zwei Hauptpunkte, die mit der Zeit beleuchtet werden. Der eine dreht sich um die Familie und wie sie nach einem Weg suchen muss, nach diesem Schicksalsschlag weiterzumachen. Wie geht man damit um, dass der Sohn ein Mörder ist? Der auf mehreren Filmfesten gezeigte Dokumentarfilm Jenseits von Schuld tat das einige Jahre später ebenfalls und weckt Mitgefühl, erinnert daran, dass auch die Angehörigen Menschen sind und zu leiden haben.
Damit verbunden ist eine Aufarbeitung der Vorgeschichte. Diese ist eigentlich nichts Besonderes – und gerade deshalb effektiv. Man hatte keine Zeit füreinander, die Gespräche wurden weniger, das Vertrauen ebenfalls. Das sind traurige Entwicklungen innerhalb einer Familie, die nach und nach auseinanderdriftete, ohne es zu merken. Das ist etwas, das bei vielen geschieht, entsprechend groß ist die Identifikationsfläche. Es reicht als Begründung für die unfassbare Tat auch ebenso wenig aus wie andere Faktoren wie Mobbing und unerwiderte Liebe. Wer sich von Die Stille danach erhofft, eine klare Antwort zu bekommen, warum jemand letztendlich austickt, bleibt am Ende etwas ratlos zurück. Was aber klar ist: Man kann viel Zeit an der Seite von jemandem verbringen und doch nichts von dem mitbekommen, wie es drinnen aussieht. Einander mehr zuhören, mehr Verständnis zeigen, mehr Interesse, netter sein. Vielleicht wäre dann manches Unglück nicht geschehen. Zumindest würde es vieles aber einfacher machen, was unnötig schwierig ist.
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