Dänemark sieht einer schlimmen Zukunft entgegen: Das Land wird über kurz oder lang überflutet sein, es ist nur eine Frage der Zeit. Jacob (Nikolaj Lie Kaas) bekommt Wind davon und versucht, vorher noch sein Haus zu verkaufen und mit dem Geld in Frankreich neu anzufangen. Dabei sollen ihn seine Partnerin Amalie (Helene Reingaard Neumann) und die anderen aus seiner Familie begleiten. Seine Tochter Laura (Amaryllis August) wollte ursprünglich mit, möchte aber nicht ihre Mutter Fanny (Paprika Steen), von der Jacob seit vielen Jahren getrennt lebt, alleine nach Bukarest reisen lassen. Das sorgt für jede Menge Chaos, gerade auch bei ihrem Freund Elias (Albert Rudbeck Lindhardt), der von dieser Entscheidung überrumpelt wird. Zur selben Zeit planen Jacobs Schwager Nikolaj (Esben Smed) und dessen Mann Henrik (Magnus Millang), nach England auszuwandern – haben aber ebenfalls mit Hindernissen zu kämpfen …
Fluchtthematik mal anders herum
Dass Thomas Vinterberg nicht immer bequeme Geschichten erzählt, ist kein Geheimnis. Ob er in Das Fest (1998) eine Familienfeier für eine schmerzhafte Sezierung nutzt, er in Die Jagd (2012) von einer hysterischen Selbstjustiz spricht oder in Die Kommune (2016) das Scheitern einer Ehe nachzeichnet, das konnte teilweise schon richtig weh tun. Für seinen neuesten Streich Families Like Ours – Nur mit Euch hat er sich ein Thema ausgesucht, das momentan wohl so viele Kontroversen wie kein anderes auslöst: Flucht bzw. Migration. Der Clou dabei ist, dass er eben nicht von Syriern oder Afghanen spricht, nicht von Afrikanern, die von einer besseren Zukunft träumen und deswegen den gefährlichen Weg nach Europa auf sich nehmen. Vinterberg nimmt in seiner Serie sein Heimatland Dänemark als Beispiel für die Frage: Was, wenn wir selbst Flüchtlinge wären und auf die Hilfe anderer angewiesen?
Dabei ist er natürlich nicht der Erste, der auf diese Idee kam. So strahlte Das Erste vor knapp einem Jahr mit The Fortress bereits eine andere skandinavische Serie zu diesem Thema aus. Bei der norwegischen Produktion war es ausgerechnet ein Engländer, also ein Vertreter jenes Landes, das sich besonders stark abschotten möchte, der zum Symbol für eine neue Flüchtlingswelle wird. Families Like Ours – Nur mit Euch kombiniert das Ganze noch mit kleineren Umweltaspekten, wenn Dänemark überflutet wird. Dieses Thema wird aber kaum aufgegriffen. Wichtiger ist es Vinterberg aufzuzeigen, wie die Erfahrungen bei einer solchen Flucht sind, veranschaulicht am Beispiel einer Familie. Die Antwort: schlecht. Obwohl sie aus demselben Kulturkreis kommen wie die Zielländer, die Ausrede einer mangelnden Integration also nicht greift, ist die Feindseligkeit genauso groß. Ob es anstrengende Erfahrungen bei der Bürokratie sind, üble Beschimpfungen oder gar Gewalt – willkommen ist da niemand.
Nicht subtil, aber effektiv
Wobei Vinterberg seine Figuren nicht nur als Opfer inszeniert. Teilweise tun auch sie fragwürdige Dinge, vorbildlich verhält sich da kaum jemand. Das kostet dann Sympathiepunkte, macht die Leute aber nahbarer, weil menschlicher. Man muss das Verhalten nicht gutheißen, um es nachvollziehen zu können. Vereinzelt verhalten sie sich dafür ziemlich dämlich, was ärgerlich sein kann. Manches ist richtig haarsträubend, da wurde schon einiges konstruiert, damit es in Families Like Ours – Nur mit Euch besonders dramatisch zugeht. Das hätte es in der Form nicht gebraucht, ein paar Stufen drunter hätte genauso gereicht. Gerade bei einer Serie, die sich mit sehr realen Themen beschäftigen möchte, verpackt in ein Was-wäre-wenn-Szenario, ist das etwas unglücklich.
Dennoch ist die europäische Coproduktion, die 2024 bei den Filmfestspielen von Venedig Weltpremiere feierte, sehenswert geworden. Auf verschiedene Weisen hält einem Vinterberg den Spiegel vor und zwingt das Publikum, sich mit dem unangenehmen Thema auseinanderzusetzen. Dass das nicht sonderlich subtil ist, dürfte ihm egal sein, das war er auch bei anderen Beispielen schon nicht. Hauptsache, er ist effektiv. Und das ist er, Families Like Ours – Nur mit Euch hat immer wieder Szenen, die einem auf die eine oder andere Weise nahegehen, die tragisch sein können oder spannend. Umso bedauerlicher ist, dass die ARD beschlossen hat, die Serie auf den späten Sendeplätzen quasi zu verstecken, wo sie dann von möglichst wenigen Leuten entdeckt wird.
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