How to Be Normal and the Oddness of the Other World
© Golden Girls Film

How to Be Normal and the Oddness of the Other World

How to Be Normal and the Oddness of the Other World
„How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Nach mehrmonatigem Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung zieht Pia (Luisa-Céline Gaffron) in ihr Elternhaus zurück. Obgleich sie eine ganze Palette an Tabletten einwirft, um ihre Paranoia und manischen wie depressiven Phasen in den Griff zu kriegen, ist jeder Tag der 26-Jährigen ein Kampf voller belastender Momente zwischen ihr und ihren Mitmenschen, vor allem ihrem Ex-Freund Joni. Pias Vater Klaus (Cornelius Obonya) möchte seiner Tochter einen geregelten Alltag ermöglichen und bringt sie deshalb als Bürohilfe in seiner Druckerfirma unter. Diese neue Anstellung verschafft ihr jedoch nicht die erhoffte Stabilität – auch weil das Unternehmen wegen finanzieller Schwierigkeiten übernommen werden soll…

Wenn Heilung an der Gesellschaft scheitert

Während uns Millionen Social-Media-Videos den Wert von mentaler Gesundheit predigen, scheinen wiederum psychische Krankheiten zu einem unliebsamen Thema zu verkommen, bei dem sich alle Beteiligten überfordert fühlen: Therapeuten, weil ihnen die Behandlungskapazitäten fehlen, Familienangehörige und Freunde, weil sie nicht mit den Verhaltensauffälligkeiten der betroffenen Menschen umgehen können, und die Betroffenen selbst, weil sie die Welt um sich herum als fremd und empathielos empfinden. How to Be Normal and the Oddness of the Other World versteht sich als schriller Kommentar auf eine Gesellschaft in ebendiesem Ohnmachtszustand, der Jahrhundertprozesse wie der Klimawandel oder die Globalisierung der Wirtschaft weiter geistig zusetzen. Und in der sich medikamentöse Maßnahmen für eine einzelne Person als wirkungslos erweisen, wenn sie nur Symptome, nicht aber die Ursachen ihrer Leiden bekämpfen.

Kino, das sich selbst betrachtet

Florian Pochlatko inszeniert auf der einen Seite ein standardmäßiges Drama und greift dafür auf gängige Beziehungsmuster und zwischenmenschliche Konflikte zurück. In den damit verbundenen expositorischen Szenen ist das etwas mehr als 1,5 Stunden lange Debütwerk des Österreichers visuell in keiner Weise auffällig, doch haben wir es nicht ständig mit solchen Momenten zu tun. So handelt es sich bei How to Be Normal and the Oddness of the Other World auf der anderen Seite nämlich um selbstreferenzielles Kino, also einen Film, der die ästhetischen Möglichkeiten des Mediums reflektiert und somit durch seine optische Vielseitigkeit überzeugt. Formatwechsel, durch die Beleuchtung oder Farbkorrektur auffallende Settings oder Einstellungsunterschiede deuten Tagträume oder eine psychotische Episode der Protagonistin an und imitieren gleichzeitig den Look beziehungsweise übernehmen Erzählelemente des Fernsehkrimis, Coming-of-Age- sowie Monsterfilms oder des Found-Footage-Genres. Bei einer Szene, in der wir das gesamte Studio sehen, drängt sich diese Meta-Ebene noch auffälliger in unser Bewusstsein.

 Laut, provokativ, notwendig

All jene Optikwechsel, gepaart mit einem mal schnellen, mal moderaten Schnittrhythmus, der uns den zwischen Manie und Bedrückung wechselnden Gefühlszustand Pias näherbringt, gestalten die Erkundung ihres Geisteszustands sehr abwechslungsreich. Dementgegen werden uns Thematiken – dass ständige Katastrophennachrichten, exzessiver Medienkonsum und nicht zuletzt ein Raubtierkapitalismus die Realitätswahrnehmung von uns allen ins Negative verändern und irgendwann Psychosen auslösen können – zugegebenermaßen mit dem Vorschlaghammer eingeprügelt.

Handlungswendungen, in denen eine von Pia imaginierte Affäre einem allbekannten englischen Popstar ähnelt oder ihre Mutter Elfie (Elke Winkens) selbst nur ein paar Benzodiazepine vor dem nervlichen Zusammenbruch steht, wirken etwas unfreiwillig komisch beziehungsweise überspitzt. Doch lassen sich solche Drehbuchentscheidungen verschmerzen, weil eben der ganze Film diese Ambition hat: nicht immer subtil, sondern laut und unangenehm zu sein – und die Akzeptanz für ein Problem zu schaffen, das nicht einfach von selbst verschwinden, sondern, im Gegenteil, künftig immer mehr Leute betreffen wird.



(Anzeige)

How to Be Normal and the Oddness of the Other World
fazit
„How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ provoziert sein Publikum durch dessen kreative Visualität, sich auf neue Weise mit psychischen Störungen auseinanderzusetzen. Welchen Einfluss dabei unsere digitale (Medien-)Umwelt und Wirtschaftssysteme nehmen, vermittelt Florian Pochlatko nicht gerade unterschwellig, aber immer noch anspruchsvoll genug, damit man sich der Relevanz des Themas bewusst bleibt
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10